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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
die Auflage einer Verpflichtung 259) nicht vereinbar ist;
einem Legatar konnte kein Legat, dem Donatar keine Obligation
auferlegt werden. Im neuern Recht ist beides möglich gewor-
den, beim Legat dadurch, daß der Legatar mit einem Fideicom-
miß belastet werden kann, bei der Schenkung durch die directe
Erzwingbarkeit des Modus.

Ist die ältere Jurisprudenz, wie so eben angenommen,
wirklich von dem Satz ausgegangen, daß liberale Zuwendungen
sich nicht mit obligatorischen Auflagen verbinden lassen, so wird
sie es auch nicht geduldet haben, daß der Vater bei der Eman-
cipation des Sohnes oder der Herr bei Freilassung des Sklaven
sich etwas ausbedang. Rücksichtlich des ersteren Falles wird Nie-
mand daran zweifeln, rücksichtlich des letzteren möchte es daraus
hervorgehen, daß zu dem Zweck der Eid benutzt ward (jurata
operarum promissio
), was darauf zu deuten scheint, daß man
den Zweck ursprünglich in juristischer Form nicht zu erreichen
vermochte.

Hiermit habe ich meine Uebersicht geschlossen, und wenn ich
sonst kein Verhältniß übergangen, 260) so glaube ich das Resultat
derselben in den Satz zusammenfassen zu dürfen: das ältere Recht
kannte kein Verhältniß, welches aus Recht und Verbind-
lichkeit
gemischt ist. Gesellen wir dazu unsern frühern Satz:
ebensowenig kannte dasselbe eins, welches zwei systematisch ver-
schiedene Rechte zur Einheit des Begriffs zusammenfaßte, so
möchte damit der an die Spitze dieses Paragraphen gestellte Ge-
sichtspunkt der elementaren Einfachheit der Rechtskörper seine
Erläuterung und Rechtfertigung gefunden haben.

259) Die Auflage eines modus fiel nicht unter den Gesichtspunkt einer
Verpflichtung; erst das neuere Recht hat in paralleler Entwickelung mit
dem bei den Innominatcontracten Statt gefundenen Fortschritt von der
condictio ob causam datorum zur act. praescriptis verbis auch bei jenen
beiden lucrativen Geschäften die indirect verpflichtende Kraft des modus zur
directen gesteigert.
260) Auf das öffentliche Recht, das Stahl a. a. O. ebenfalls in den
Kreis seiner Betrachtung gezogen hat, lasse ich mich hier nicht ein.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
die Auflage einer Verpflichtung 259) nicht vereinbar iſt;
einem Legatar konnte kein Legat, dem Donatar keine Obligation
auferlegt werden. Im neuern Recht iſt beides möglich gewor-
den, beim Legat dadurch, daß der Legatar mit einem Fideicom-
miß belaſtet werden kann, bei der Schenkung durch die directe
Erzwingbarkeit des Modus.

Iſt die ältere Jurisprudenz, wie ſo eben angenommen,
wirklich von dem Satz ausgegangen, daß liberale Zuwendungen
ſich nicht mit obligatoriſchen Auflagen verbinden laſſen, ſo wird
ſie es auch nicht geduldet haben, daß der Vater bei der Eman-
cipation des Sohnes oder der Herr bei Freilaſſung des Sklaven
ſich etwas ausbedang. Rückſichtlich des erſteren Falles wird Nie-
mand daran zweifeln, rückſichtlich des letzteren möchte es daraus
hervorgehen, daß zu dem Zweck der Eid benutzt ward (jurata
operarum promissio
), was darauf zu deuten ſcheint, daß man
den Zweck urſprünglich in juriſtiſcher Form nicht zu erreichen
vermochte.

Hiermit habe ich meine Ueberſicht geſchloſſen, und wenn ich
ſonſt kein Verhältniß übergangen, 260) ſo glaube ich das Reſultat
derſelben in den Satz zuſammenfaſſen zu dürfen: das ältere Recht
kannte kein Verhältniß, welches aus Recht und Verbind-
lichkeit
gemiſcht iſt. Geſellen wir dazu unſern frühern Satz:
ebenſowenig kannte daſſelbe eins, welches zwei ſyſtematiſch ver-
ſchiedene Rechte zur Einheit des Begriffs zuſammenfaßte, ſo
möchte damit der an die Spitze dieſes Paragraphen geſtellte Ge-
ſichtspunkt der elementaren Einfachheit der Rechtskörper ſeine
Erläuterung und Rechtfertigung gefunden haben.

259) Die Auflage eines modus fiel nicht unter den Geſichtspunkt einer
Verpflichtung; erſt das neuere Recht hat in paralleler Entwickelung mit
dem bei den Innominatcontracten Statt gefundenen Fortſchritt von der
condictio ob causam datorum zur act. praescriptis verbis auch bei jenen
beiden lucrativen Geſchäften die indirect verpflichtende Kraft des modus zur
directen geſteigert.
260) Auf das öffentliche Recht, das Stahl a. a. O. ebenfalls in den
Kreis ſeiner Betrachtung gezogen hat, laſſe ich mich hier nicht ein.
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[194/0210] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. die Auflage einer Verpflichtung 259) nicht vereinbar iſt; einem Legatar konnte kein Legat, dem Donatar keine Obligation auferlegt werden. Im neuern Recht iſt beides möglich gewor- den, beim Legat dadurch, daß der Legatar mit einem Fideicom- miß belaſtet werden kann, bei der Schenkung durch die directe Erzwingbarkeit des Modus. Iſt die ältere Jurisprudenz, wie ſo eben angenommen, wirklich von dem Satz ausgegangen, daß liberale Zuwendungen ſich nicht mit obligatoriſchen Auflagen verbinden laſſen, ſo wird ſie es auch nicht geduldet haben, daß der Vater bei der Eman- cipation des Sohnes oder der Herr bei Freilaſſung des Sklaven ſich etwas ausbedang. Rückſichtlich des erſteren Falles wird Nie- mand daran zweifeln, rückſichtlich des letzteren möchte es daraus hervorgehen, daß zu dem Zweck der Eid benutzt ward (jurata operarum promissio), was darauf zu deuten ſcheint, daß man den Zweck urſprünglich in juriſtiſcher Form nicht zu erreichen vermochte. Hiermit habe ich meine Ueberſicht geſchloſſen, und wenn ich ſonſt kein Verhältniß übergangen, 260) ſo glaube ich das Reſultat derſelben in den Satz zuſammenfaſſen zu dürfen: das ältere Recht kannte kein Verhältniß, welches aus Recht und Verbind- lichkeit gemiſcht iſt. Geſellen wir dazu unſern frühern Satz: ebenſowenig kannte daſſelbe eins, welches zwei ſyſtematiſch ver- ſchiedene Rechte zur Einheit des Begriffs zuſammenfaßte, ſo möchte damit der an die Spitze dieſes Paragraphen geſtellte Ge- ſichtspunkt der elementaren Einfachheit der Rechtskörper ſeine Erläuterung und Rechtfertigung gefunden haben. 259) Die Auflage eines modus fiel nicht unter den Geſichtspunkt einer Verpflichtung; erſt das neuere Recht hat in paralleler Entwickelung mit dem bei den Innominatcontracten Statt gefundenen Fortſchritt von der condictio ob causam datorum zur act. praescriptis verbis auch bei jenen beiden lucrativen Geſchäften die indirect verpflichtende Kraft des modus zur directen geſteigert. 260) Auf das öffentliche Recht, das Stahl a. a. O. ebenfalls in den Kreis ſeiner Betrachtung gezogen hat, laſſe ich mich hier nicht ein.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/210>, abgerufen am 19.04.2024.