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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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ihr Zimmer gehen, in das K. gewiß um Mitternacht nicht eindringen durfte; er mußte sie also jetzt ansprechen, hatte aber unglücklicherweise versäumt, das elektrische Licht in seinem Zimmer anzudrehen, so daß sein Vortreten aus dem dunklen Zimmer den Anschein eines Überfalls hatte und wenigstens sehr erschrecken mußte. In seiner Hilflosigkeit und da keine Zeit zu verlieren war, flüsterte er durch den Türspalt: "Fräulein Bürstner." Es klang wie eine Bitte, nicht wie ein Anruf. "Ist jemand hier," fragte Fräulein Bürstner und sah sich mit großen Augen um. "Ich bin es," sagte K. und trat vor. "Ach, Herr K.!" sagte Fräulein Bürstner lächelnd. "Guten Abend" und sie reichte ihm die Hand. "Ich wollte ein paar Worte mit Ihnen sprechen, wollen Sie mir das jetzt erlauben?" "Jetzt?" fragte Fräulein Bürstner, "muß es jetzt sein? Es ist ein wenig sonderbar, nicht?" "Ich warte seit 9 Uhr auf Sie." "Nun ja, ich war im Theater, ich wußte doch nichts von Ihnen." "Der Anlaß für das, was ich Ihnen sagen will, hat sich erst heute ergeben." "So, nun ich habe ja nichts Grundsätzliches dagegen, außer daß ich zum Hinfallen müde bin. Also kommen Sie auf ein paar

ihr Zimmer gehen, in das K. gewiß um Mitternacht nicht eindringen durfte; er mußte sie also jetzt ansprechen, hatte aber unglücklicherweise versäumt, das elektrische Licht in seinem Zimmer anzudrehen, so daß sein Vortreten aus dem dunklen Zimmer den Anschein eines Überfalls hatte und wenigstens sehr erschrecken mußte. In seiner Hilflosigkeit und da keine Zeit zu verlieren war, flüsterte er durch den Türspalt: „Fräulein Bürstner.“ Es klang wie eine Bitte, nicht wie ein Anruf. „Ist jemand hier,“ fragte Fräulein Bürstner und sah sich mit großen Augen um. „Ich bin es,“ sagte K. und trat vor. „Ach, Herr K.!“ sagte Fräulein Bürstner lächelnd. „Guten Abend“ und sie reichte ihm die Hand. „Ich wollte ein paar Worte mit Ihnen sprechen, wollen Sie mir das jetzt erlauben?“ „Jetzt?“ fragte Fräulein Bürstner, „muß es jetzt sein? Es ist ein wenig sonderbar, nicht?“ „Ich warte seit 9 Uhr auf Sie.“ „Nun ja, ich war im Theater, ich wußte doch nichts von Ihnen.“ „Der Anlaß für das, was ich Ihnen sagen will, hat sich erst heute ergeben.“ „So, nun ich habe ja nichts Grundsätzliches dagegen, außer daß ich zum Hinfallen müde bin. Also kommen Sie auf ein paar

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[41/0043] ihr Zimmer gehen, in das K. gewiß um Mitternacht nicht eindringen durfte; er mußte sie also jetzt ansprechen, hatte aber unglücklicherweise versäumt, das elektrische Licht in seinem Zimmer anzudrehen, so daß sein Vortreten aus dem dunklen Zimmer den Anschein eines Überfalls hatte und wenigstens sehr erschrecken mußte. In seiner Hilflosigkeit und da keine Zeit zu verlieren war, flüsterte er durch den Türspalt: „Fräulein Bürstner.“ Es klang wie eine Bitte, nicht wie ein Anruf. „Ist jemand hier,“ fragte Fräulein Bürstner und sah sich mit großen Augen um. „Ich bin es,“ sagte K. und trat vor. „Ach, Herr K.!“ sagte Fräulein Bürstner lächelnd. „Guten Abend“ und sie reichte ihm die Hand. „Ich wollte ein paar Worte mit Ihnen sprechen, wollen Sie mir das jetzt erlauben?“ „Jetzt?“ fragte Fräulein Bürstner, „muß es jetzt sein? Es ist ein wenig sonderbar, nicht?“ „Ich warte seit 9 Uhr auf Sie.“ „Nun ja, ich war im Theater, ich wußte doch nichts von Ihnen.“ „Der Anlaß für das, was ich Ihnen sagen will, hat sich erst heute ergeben.“ „So, nun ich habe ja nichts Grundsätzliches dagegen, außer daß ich zum Hinfallen müde bin. Also kommen Sie auf ein paar

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/43>, abgerufen am 25.04.2024.