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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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bitten." "Mein Zimmer?" fragte Fräulein Bürstner, und sah statt des Zimmers K. prüfend an. "Es ist so," sagte K., und nun sahen einander beide zum erstenmal in die Augen, "die Art und Weise, in der es geschah, ist an sich keines Wortes wert." "Aber doch das eigentlich Interessante," sagte Fräulein Bürstner. "Nein," sagte K. "Nun," sagte Fräulein Bürstner, "ich will mich nicht in Geheimnisse eindrängen, bestehen Sie darauf, daß es uninteressant ist, so will ich auch nichts dagegen einwenden. Die Entschuldigung, um die Sie bitten, gebe ich Ihnen hiermit gern, besonders da ich keine Spur einer Unordnung finden kann." Sie machte, die flachen Hände tief an die Hüften gelegt, einen Rundgang durch das Zimmer. Bei der Matte mit den Photographien blieb sie stehen. "Sehen Sie doch," rief sie, "meine Photographien sind wirklich durcheinandergeworfen. Das ist aber häßlich. Es ist also jemand unberechtigterweise in meinem Zimmer gewesen." K. nickte und verfluchte im stillen den Beamten Kaminer, der seine öde sinnlose Lebhaftigkeit niemals zähmen konnte. "Es ist sonderbar," sagte Fräulein Bürstner, "daß ich gezwungen bin, Ihnen etwas

bitten.“ „Mein Zimmer?“ fragte Fräulein Bürstner, und sah statt des Zimmers K. prüfend an. „Es ist so,“ sagte K., und nun sahen einander beide zum erstenmal in die Augen, „die Art und Weise, in der es geschah, ist an sich keines Wortes wert.“ „Aber doch das eigentlich Interessante,“ sagte Fräulein Bürstner. „Nein,“ sagte K. „Nun,“ sagte Fräulein Bürstner, „ich will mich nicht in Geheimnisse eindrängen, bestehen Sie darauf, daß es uninteressant ist, so will ich auch nichts dagegen einwenden. Die Entschuldigung, um die Sie bitten, gebe ich Ihnen hiermit gern, besonders da ich keine Spur einer Unordnung finden kann.“ Sie machte, die flachen Hände tief an die Hüften gelegt, einen Rundgang durch das Zimmer. Bei der Matte mit den Photographien blieb sie stehen. „Sehen Sie doch,“ rief sie, „meine Photographien sind wirklich durcheinandergeworfen. Das ist aber häßlich. Es ist also jemand unberechtigterweise in meinem Zimmer gewesen.“ K. nickte und verfluchte im stillen den Beamten Kaminer, der seine öde sinnlose Lebhaftigkeit niemals zähmen konnte. „Es ist sonderbar,“ sagte Fräulein Bürstner, „daß ich gezwungen bin, Ihnen etwas

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[43/0045] bitten.“ „Mein Zimmer?“ fragte Fräulein Bürstner, und sah statt des Zimmers K. prüfend an. „Es ist so,“ sagte K., und nun sahen einander beide zum erstenmal in die Augen, „die Art und Weise, in der es geschah, ist an sich keines Wortes wert.“ „Aber doch das eigentlich Interessante,“ sagte Fräulein Bürstner. „Nein,“ sagte K. „Nun,“ sagte Fräulein Bürstner, „ich will mich nicht in Geheimnisse eindrängen, bestehen Sie darauf, daß es uninteressant ist, so will ich auch nichts dagegen einwenden. Die Entschuldigung, um die Sie bitten, gebe ich Ihnen hiermit gern, besonders da ich keine Spur einer Unordnung finden kann.“ Sie machte, die flachen Hände tief an die Hüften gelegt, einen Rundgang durch das Zimmer. Bei der Matte mit den Photographien blieb sie stehen. „Sehen Sie doch,“ rief sie, „meine Photographien sind wirklich durcheinandergeworfen. Das ist aber häßlich. Es ist also jemand unberechtigterweise in meinem Zimmer gewesen.“ K. nickte und verfluchte im stillen den Beamten Kaminer, der seine öde sinnlose Lebhaftigkeit niemals zähmen konnte. „Es ist sonderbar,“ sagte Fräulein Bürstner, „daß ich gezwungen bin, Ihnen etwas

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/45>, abgerufen am 29.03.2024.