Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

Bild:
<< vorherige Seite

von euch erwartet hat, oder aber - laß mich oder ich schlage," rief K. einem zitternden Greis zu, der sich besonders nahe an ihn geschoben hatte - "oder aber ihr habt wirklich etwas gelernt. Und damit wünsche ich euch Glück zu euerem Gewerbe." Er nahm schnell seinen Hut, der am Rand des Tisches lag, und drängte sich unter allgemeiner Stille, jedenfalls der Stille vollkommenster Überraschung, zum Ausgang. Der Untersuchungsrichter schien aber noch schneller als K. gewesen zu sein, denn er erwartete ihn bei der Tür. "Einen Augenblick," sagte er. K. blieb stehen, sah aber nicht auf den Untersuchungsrichter, sondern auf die Tür, deren Klinke er schon ergriffen hatte. "Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen," sagte der Untersuchungsrichter, "daß Sie sich heute - es dürfte Ihnen noch nicht zu Bewußtsein gekommen sein - des Vorteils beraubt haben, den ein Verhör für den Verhafteten in jedem Falle bedeutet." K. lachte die Tür an. "Ihr Lumpen, ich schenke euch alle Verhöre," rief er, öffnete die Tür und eilte die Treppe hinunter. Hinter ihm erhob sich der Lärm der wieder lebendig gewordenen Versammlung, welche die Vorfälle nach Art von Studierenden zu besprechen begann.

von euch erwartet hat, oder aber – laß mich oder ich schlage,“ rief K. einem zitternden Greis zu, der sich besonders nahe an ihn geschoben hatte – „oder aber ihr habt wirklich etwas gelernt. Und damit wünsche ich euch Glück zu euerem Gewerbe.“ Er nahm schnell seinen Hut, der am Rand des Tisches lag, und drängte sich unter allgemeiner Stille, jedenfalls der Stille vollkommenster Überraschung, zum Ausgang. Der Untersuchungsrichter schien aber noch schneller als K. gewesen zu sein, denn er erwartete ihn bei der Tür. „Einen Augenblick,“ sagte er. K. blieb stehen, sah aber nicht auf den Untersuchungsrichter, sondern auf die Tür, deren Klinke er schon ergriffen hatte. „Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen,“ sagte der Untersuchungsrichter, „daß Sie sich heute – es dürfte Ihnen noch nicht zu Bewußtsein gekommen sein – des Vorteils beraubt haben, den ein Verhör für den Verhafteten in jedem Falle bedeutet.“ K. lachte die Tür an. „Ihr Lumpen, ich schenke euch alle Verhöre,“ rief er, öffnete die Tür und eilte die Treppe hinunter. Hinter ihm erhob sich der Lärm der wieder lebendig gewordenen Versammlung, welche die Vorfälle nach Art von Studierenden zu besprechen begann.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0085" n="83"/>
von euch erwartet hat, oder aber &#x2013; laß mich oder ich schlage,&#x201C; rief K. einem zitternden Greis zu, der sich besonders nahe an ihn geschoben hatte &#x2013; &#x201E;oder aber ihr habt wirklich etwas gelernt. Und damit wünsche ich euch Glück zu euerem Gewerbe.&#x201C; Er nahm schnell seinen Hut, der am Rand des Tisches lag, und drängte sich unter allgemeiner Stille, jedenfalls der Stille vollkommenster Überraschung, zum Ausgang. Der Untersuchungsrichter schien aber noch schneller als K. gewesen zu sein, denn er erwartete ihn bei der Tür. &#x201E;Einen Augenblick,&#x201C; sagte er. K. blieb stehen, sah aber nicht auf den Untersuchungsrichter, sondern auf die Tür, deren Klinke er schon ergriffen hatte. &#x201E;Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen,&#x201C; sagte der Untersuchungsrichter, &#x201E;daß Sie sich heute &#x2013; es dürfte Ihnen noch nicht zu Bewußtsein gekommen sein &#x2013; des Vorteils beraubt haben, den ein Verhör für den Verhafteten in jedem Falle bedeutet.&#x201C; K. lachte die Tür an. &#x201E;Ihr Lumpen, ich schenke euch alle Verhöre,&#x201C; rief er, öffnete die Tür und eilte die Treppe hinunter. Hinter ihm erhob sich der Lärm der wieder lebendig gewordenen Versammlung, welche die Vorfälle nach Art von Studierenden zu besprechen begann.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0085] von euch erwartet hat, oder aber – laß mich oder ich schlage,“ rief K. einem zitternden Greis zu, der sich besonders nahe an ihn geschoben hatte – „oder aber ihr habt wirklich etwas gelernt. Und damit wünsche ich euch Glück zu euerem Gewerbe.“ Er nahm schnell seinen Hut, der am Rand des Tisches lag, und drängte sich unter allgemeiner Stille, jedenfalls der Stille vollkommenster Überraschung, zum Ausgang. Der Untersuchungsrichter schien aber noch schneller als K. gewesen zu sein, denn er erwartete ihn bei der Tür. „Einen Augenblick,“ sagte er. K. blieb stehen, sah aber nicht auf den Untersuchungsrichter, sondern auf die Tür, deren Klinke er schon ergriffen hatte. „Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen,“ sagte der Untersuchungsrichter, „daß Sie sich heute – es dürfte Ihnen noch nicht zu Bewußtsein gekommen sein – des Vorteils beraubt haben, den ein Verhör für den Verhafteten in jedem Falle bedeutet.“ K. lachte die Tür an. „Ihr Lumpen, ich schenke euch alle Verhöre,“ rief er, öffnete die Tür und eilte die Treppe hinunter. Hinter ihm erhob sich der Lärm der wieder lebendig gewordenen Versammlung, welche die Vorfälle nach Art von Studierenden zu besprechen begann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-28T19:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-28T19:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Trennungen am Zeilen- und am Seitenende werden aufgelöst, der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/85
Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/85>, abgerufen am 29.03.2024.