Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

Bild:
<< vorherige Seite
Vorrede.

Gebt ihr es, sagt allhier der Freygeist,
zu: daß, wenn man nützliche und auf
Zwecke abzielende Verfassungen aus den
allgemeinsten und einfachsten Naturgese-
tzen herleiten kan, man keine besondere
Regierung einer obersten Weisheit nöthig
habe: so sehet hier Beweise die euch auf
eurem eigenen Geständnisse ertappen wer-
den. Die ganze Natur, vornemlich die
unorganisirte, ist voll von solchen Bewei-
sen, die zu erkennen geben, daß die sich
selbst durch die Mechanick ihrer Kräfte be-
stimmende Materie eine gewisse Richtig-
keit in ihren Folgen habe und den Regeln
der Wohlanständigkeit ungezwungen ge-
nug thue. Wenn ein wohlgesinneter die
gute Sache der Religion zu retten, diese
Fähigkeit der allgemeinen Naturgesetze be-
streiten will, so wird er sich selbst in Ver-
legenheit setzen und dem Unglauben durch
eine schlechte Vertheidigung Anlaß zu
triumphiren geben.

Allein
b 2
Vorrede.

Gebt ihr es, ſagt allhier der Freygeiſt,
zu: daß, wenn man nuͤtzliche und auf
Zwecke abzielende Verfaſſungen aus den
allgemeinſten und einfachſten Naturgeſe-
tzen herleiten kan, man keine beſondere
Regierung einer oberſten Weisheit noͤthig
habe: ſo ſehet hier Beweiſe die euch auf
eurem eigenen Geſtaͤndniſſe ertappen wer-
den. Die ganze Natur, vornemlich die
unorganiſirte, iſt voll von ſolchen Bewei-
ſen, die zu erkennen geben, daß die ſich
ſelbſt durch die Mechanick ihrer Kraͤfte be-
ſtimmende Materie eine gewiſſe Richtig-
keit in ihren Folgen habe und den Regeln
der Wohlanſtaͤndigkeit ungezwungen ge-
nug thue. Wenn ein wohlgeſinneter die
gute Sache der Religion zu retten, dieſe
Faͤhigkeit der allgemeinen Naturgeſetze be-
ſtreiten will, ſo wird er ſich ſelbſt in Ver-
legenheit ſetzen und dem Unglauben durch
eine ſchlechte Vertheidigung Anlaß zu
triumphiren geben.

Allein
b 2
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0023"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vorrede.</hi> </fw><lb/>
        <p>Gebt ihr es, &#x017F;agt allhier der Freygei&#x017F;t,<lb/>
zu: daß, wenn man nu&#x0364;tzliche und auf<lb/>
Zwecke abzielende Verfa&#x017F;&#x017F;ungen aus den<lb/>
allgemein&#x017F;ten und einfach&#x017F;ten Naturge&#x017F;e-<lb/>
tzen herleiten kan, man keine be&#x017F;ondere<lb/>
Regierung einer ober&#x017F;ten Weisheit no&#x0364;thig<lb/>
habe: &#x017F;o &#x017F;ehet hier Bewei&#x017F;e die euch auf<lb/>
eurem eigenen Ge&#x017F;ta&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e ertappen wer-<lb/>
den. Die ganze Natur, vornemlich die<lb/>
unorgani&#x017F;irte, i&#x017F;t voll von &#x017F;olchen Bewei-<lb/>
&#x017F;en, die zu erkennen geben, daß die &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t durch die Mechanick ihrer Kra&#x0364;fte be-<lb/>
&#x017F;timmende Materie eine gewi&#x017F;&#x017F;e Richtig-<lb/>
keit in ihren Folgen habe und den Regeln<lb/>
der Wohlan&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit ungezwungen ge-<lb/>
nug thue. Wenn ein wohlge&#x017F;inneter die<lb/>
gute Sache der Religion zu retten, die&#x017F;e<lb/>
Fa&#x0364;higkeit der allgemeinen Naturge&#x017F;etze be-<lb/>
&#x017F;treiten will, &#x017F;o wird er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t in Ver-<lb/>
legenheit &#x017F;etzen und dem Unglauben durch<lb/>
eine &#x017F;chlechte Vertheidigung Anlaß zu<lb/>
triumphiren geben.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">b 2</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Allein</fw><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0023] Vorrede. Gebt ihr es, ſagt allhier der Freygeiſt, zu: daß, wenn man nuͤtzliche und auf Zwecke abzielende Verfaſſungen aus den allgemeinſten und einfachſten Naturgeſe- tzen herleiten kan, man keine beſondere Regierung einer oberſten Weisheit noͤthig habe: ſo ſehet hier Beweiſe die euch auf eurem eigenen Geſtaͤndniſſe ertappen wer- den. Die ganze Natur, vornemlich die unorganiſirte, iſt voll von ſolchen Bewei- ſen, die zu erkennen geben, daß die ſich ſelbſt durch die Mechanick ihrer Kraͤfte be- ſtimmende Materie eine gewiſſe Richtig- keit in ihren Folgen habe und den Regeln der Wohlanſtaͤndigkeit ungezwungen ge- nug thue. Wenn ein wohlgeſinneter die gute Sache der Religion zu retten, dieſe Faͤhigkeit der allgemeinen Naturgeſetze be- ſtreiten will, ſo wird er ſich ſelbſt in Ver- legenheit ſetzen und dem Unglauben durch eine ſchlechte Vertheidigung Anlaß zu triumphiren geben. Allein b 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/23
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/23>, abgerufen am 25.04.2024.