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Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.

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seyn. Manche Lehrer sind zwar in Schulen dawider; das aber ist sehr unrecht. Kinder sollen sich vorbereiten zu dem süßesten Genusse des Lebens. Lehrer müßen aber keines derselben seiner Talente, sondern nur seines Charakters wegen vorziehen, denn sonst entsteht eine Mißgunst, die der Freundschaft zuwider ist.

Kinder müssen auch offenherzig seyn, und so heiter in ihren Blicken wie die Sonne. Das fröhliche Herz allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu empfinden. Eine Religion, die den Menschen finster macht, ist falsch; denn er muß Gott mit frohem Herzen, und nicht aus Zwang dienen. Das fröhliche Herz muß nicht immer strenge im Schulzwange gehalten werden, denn in diesem Falle wird es bald niedergeschlagen. Wenn es Freyheit hat, so erholt es sich wieder. Dazu dienen gewisse Spiele, bey denen es Freyheit hat, und wo das Kind sich bemüht, immer dem Andern etwas zuvor zu thun. Alsdann wird die Seele wieder heiter.

Viele Leute denken, ihre Jugendjahre seyen die besten, und die angenehmsten ihres Lebens gewesen. Aber dem ist wohl nicht so. Es sind die beschwerlichsten Jahre, weil man da sehr unter der Zucht ist; selten einen eigentlichen Freund, und noch seltener Freyheit haben kann. Schon Horaz sagt: Multa tulit, fecitque puer, sudavit et alsit. -


seyn. Manche Lehrer sind zwar in Schulen dawider; das aber ist sehr unrecht. Kinder sollen sich vorbereiten zu dem süßesten Genusse des Lebens. Lehrer müßen aber keines derselben seiner Talente, sondern nur seines Charakters wegen vorziehen, denn sonst entsteht eine Mißgunst, die der Freundschaft zuwider ist.

Kinder müssen auch offenherzig seyn, und so heiter in ihren Blicken wie die Sonne. Das fröhliche Herz allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu empfinden. Eine Religion, die den Menschen finster macht, ist falsch; denn er muß Gott mit frohem Herzen, und nicht aus Zwang dienen. Das fröhliche Herz muß nicht immer strenge im Schulzwange gehalten werden, denn in diesem Falle wird es bald niedergeschlagen. Wenn es Freyheit hat, so erholt es sich wieder. Dazu dienen gewisse Spiele, bey denen es Freyheit hat, und wo das Kind sich bemüht, immer dem Andern etwas zuvor zu thun. Alsdann wird die Seele wieder heiter.

Viele Leute denken, ihre Jugendjahre seyen die besten, und die angenehmsten ihres Lebens gewesen. Aber dem ist wohl nicht so. Es sind die beschwerlichsten Jahre, weil man da sehr unter der Zucht ist; selten einen eigentlichen Freund, und noch seltener Freyheit haben kann. Schon Horaz sagt: Multa tulit, fecitque puer, sudavit et alsit. –


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[78/0078] seyn. Manche Lehrer sind zwar in Schulen dawider; das aber ist sehr unrecht. Kinder sollen sich vorbereiten zu dem süßesten Genusse des Lebens. Lehrer müßen aber keines derselben seiner Talente, sondern nur seines Charakters wegen vorziehen, denn sonst entsteht eine Mißgunst, die der Freundschaft zuwider ist. Kinder müssen auch offenherzig seyn, und so heiter in ihren Blicken wie die Sonne. Das fröhliche Herz allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu empfinden. Eine Religion, die den Menschen finster macht, ist falsch; denn er muß Gott mit frohem Herzen, und nicht aus Zwang dienen. Das fröhliche Herz muß nicht immer strenge im Schulzwange gehalten werden, denn in diesem Falle wird es bald niedergeschlagen. Wenn es Freyheit hat, so erholt es sich wieder. Dazu dienen gewisse Spiele, bey denen es Freyheit hat, und wo das Kind sich bemüht, immer dem Andern etwas zuvor zu thun. Alsdann wird die Seele wieder heiter. Viele Leute denken, ihre Jugendjahre seyen die besten, und die angenehmsten ihres Lebens gewesen. Aber dem ist wohl nicht so. Es sind die beschwerlichsten Jahre, weil man da sehr unter der Zucht ist; selten einen eigentlichen Freund, und noch seltener Freyheit haben kann. Schon Horaz sagt: Multa tulit, fecitque puer, sudavit et alsit. –

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_paedagogik_1803/78>, abgerufen am 18.04.2024.