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Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.

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Von der praktischen Erziehung.

Zu der praktischen Erziehung gehört 1) Geschicklichkeit, 2) Weltklugheit, 3) Sittlichkeit. Was die Geschicklichkeit anbetrifft, so muß man darauf sehen, daß sie gründlich, und nicht flüchtig sey. Man muß nicht den Schein annehmen, als hätte man Kenntnisse von Dingen, die man doch nachher nicht zu Stande bringen kann. Die Gründlichkeit muß in der Geschicklichkeit Statt finden, und allmählig zur Gewohnheit in der Denkungsart werden. Sie ist das Wesentliche zu dem Charakter eines Mannes. Geschicklichkeit gehört für das Talent.

Was die Weltklugheit betrifft: so besteht sie in der Kunst, unsere Geschicklichkeit an den Mann zu bringen, d. h. wie man die Menschen zu seiner Absicht gebrauchen kann. Dazu ist mancherley nöthig. Eigentlich ist es das letzte am Menschen; dem Werthe nach aber nimmt es die zweite Stelle ein.

Wenn das Kind der Weltklugheit überlassen werden soll, so muß es sich verhehlen und undurchdringlich machen, den Andern aber durchforschen können. Vorzüglich muß es sich in Ansehung seines Charakters verhehlen. Die Kunst des äußern Scheines ist der Anstand. Und diese Kunst muß man besitzen. Andere zu durchforschen ist schwer, aber man muß diese Kunst nothwendig verstehen, sich selbst dagegen undurchdringlich machen. Dazu gehört das Dissimuliren, d. h. die Zurückhaltung seiner Fehler, und jener äußere

Von der praktischen Erziehung.

Zu der praktischen Erziehung gehört 1) Geschicklichkeit, 2) Weltklugheit, 3) Sittlichkeit. Was die Geschicklichkeit anbetrifft, so muß man darauf sehen, daß sie gründlich, und nicht flüchtig sey. Man muß nicht den Schein annehmen, als hätte man Kenntnisse von Dingen, die man doch nachher nicht zu Stande bringen kann. Die Gründlichkeit muß in der Geschicklichkeit Statt finden, und allmählig zur Gewohnheit in der Denkungsart werden. Sie ist das Wesentliche zu dem Charakter eines Mannes. Geschicklichkeit gehört für das Talent.

Was die Weltklugheit betrifft: so besteht sie in der Kunst, unsere Geschicklichkeit an den Mann zu bringen, d. h. wie man die Menschen zu seiner Absicht gebrauchen kann. Dazu ist mancherley nöthig. Eigentlich ist es das letzte am Menschen; dem Werthe nach aber nimmt es die zweite Stelle ein.

Wenn das Kind der Weltklugheit überlassen werden soll, so muß es sich verhehlen und undurchdringlich machen, den Andern aber durchforschen können. Vorzüglich muß es sich in Ansehung seines Charakters verhehlen. Die Kunst des äußern Scheines ist der Anstand. Und diese Kunst muß man besitzen. Andere zu durchforschen ist schwer, aber man muß diese Kunst nothwendig verstehen, sich selbst dagegen undurchdringlich machen. Dazu gehört das Dissimuliren, d. h. die Zurückhaltung seiner Fehler, und jener äußere

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[80/0080] Von der praktischen Erziehung. Zu der praktischen Erziehung gehört 1) Geschicklichkeit, 2) Weltklugheit, 3) Sittlichkeit. Was die Geschicklichkeit anbetrifft, so muß man darauf sehen, daß sie gründlich, und nicht flüchtig sey. Man muß nicht den Schein annehmen, als hätte man Kenntnisse von Dingen, die man doch nachher nicht zu Stande bringen kann. Die Gründlichkeit muß in der Geschicklichkeit Statt finden, und allmählig zur Gewohnheit in der Denkungsart werden. Sie ist das Wesentliche zu dem Charakter eines Mannes. Geschicklichkeit gehört für das Talent. Was die Weltklugheit betrifft: so besteht sie in der Kunst, unsere Geschicklichkeit an den Mann zu bringen, d. h. wie man die Menschen zu seiner Absicht gebrauchen kann. Dazu ist mancherley nöthig. Eigentlich ist es das letzte am Menschen; dem Werthe nach aber nimmt es die zweite Stelle ein. Wenn das Kind der Weltklugheit überlassen werden soll, so muß es sich verhehlen und undurchdringlich machen, den Andern aber durchforschen können. Vorzüglich muß es sich in Ansehung seines Charakters verhehlen. Die Kunst des äußern Scheines ist der Anstand. Und diese Kunst muß man besitzen. Andere zu durchforschen ist schwer, aber man muß diese Kunst nothwendig verstehen, sich selbst dagegen undurchdringlich machen. Dazu gehört das Dissimuliren, d. h. die Zurückhaltung seiner Fehler, und jener äußere

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_paedagogik_1803/80>, abgerufen am 29.03.2024.