Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Th. II. B. II. Hauptst. Von der Dialectik etc.
nur eine sehr dunkele und zweydeutige Aussicht in die
Zukunft haben, der Weltregierer uns sein Daseyn und
seine Herrlichkeit nur muthmaaßen, nicht erblicken, oder
klar beweisen läßt, dagegen das moralische Gesetz in
uns, ohne uns etwas mit Sicherheit zu verheißen, oder
zu drohen, von uns uneigennützige Achtung fodert,
übrigens aber, wenn diese Achtung thätig und herr-
schend geworden, allererst alsdenn und nur dadurch,
Aussichten ins Reich des Uebersinnlichen, aber auch nur
mit schwachen Blicken erlaubt; so kann wahrhafte sitt-
liche, dem Gesetze unmittelbar geweihete Gesinnung
stattfinden und das vernünftige Geschöpf des Antheils
am höchsten Gute würdig werden, das dem moralischen
Werthe seiner Person und nicht blos seinen Handlungen
angemessen ist. Also möchte es auch hier wol damit
seine Richtigkeit haben, was uns das Studium der Na-
tur und des Menschen sonst hinreichend lehrt, daß die
unerforschliche Weisheit, durch die wir existiren, nicht
minder verehrungswürdig ist, in dem, was sie uns ver-
sagte, als in dem, was sie uns zu theil werden ließ.



Der

I. Th. II. B. II. Hauptſt. Von der Dialectik etc.
nur eine ſehr dunkele und zweydeutige Ausſicht in die
Zukunft haben, der Weltregierer uns ſein Daſeyn und
ſeine Herrlichkeit nur muthmaaßen, nicht erblicken, oder
klar beweiſen laͤßt, dagegen das moraliſche Geſetz in
uns, ohne uns etwas mit Sicherheit zu verheißen, oder
zu drohen, von uns uneigennuͤtzige Achtung fodert,
uͤbrigens aber, wenn dieſe Achtung thaͤtig und herr-
ſchend geworden, allererſt alsdenn und nur dadurch,
Ausſichten ins Reich des Ueberſinnlichen, aber auch nur
mit ſchwachen Blicken erlaubt; ſo kann wahrhafte ſitt-
liche, dem Geſetze unmittelbar geweihete Geſinnung
ſtattfinden und das vernuͤnftige Geſchoͤpf des Antheils
am hoͤchſten Gute wuͤrdig werden, das dem moraliſchen
Werthe ſeiner Perſon und nicht blos ſeinen Handlungen
angemeſſen iſt. Alſo moͤchte es auch hier wol damit
ſeine Richtigkeit haben, was uns das Studium der Na-
tur und des Menſchen ſonſt hinreichend lehrt, daß die
unerforſchliche Weisheit, durch die wir exiſtiren, nicht
minder verehrungswuͤrdig iſt, in dem, was ſie uns ver-
ſagte, als in dem, was ſie uns zu theil werden ließ.



Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0274" n="266"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> B. <hi rendition="#aq">II.</hi> Haupt&#x017F;t. Von der Dialectik etc.</fw><lb/>
nur eine &#x017F;ehr dunkele und zweydeutige Aus&#x017F;icht in die<lb/>
Zukunft haben, der Weltregierer uns &#x017F;ein Da&#x017F;eyn und<lb/>
&#x017F;eine Herrlichkeit nur muthmaaßen, nicht erblicken, oder<lb/>
klar bewei&#x017F;en la&#x0364;ßt, dagegen das morali&#x017F;che Ge&#x017F;etz in<lb/>
uns, ohne uns etwas mit Sicherheit zu verheißen, oder<lb/>
zu drohen, von uns uneigennu&#x0364;tzige Achtung fodert,<lb/>
u&#x0364;brigens aber, wenn die&#x017F;e Achtung tha&#x0364;tig und herr-<lb/>
&#x017F;chend geworden, allerer&#x017F;t alsdenn und nur dadurch,<lb/>
Aus&#x017F;ichten ins Reich des Ueber&#x017F;innlichen, aber auch nur<lb/>
mit &#x017F;chwachen Blicken erlaubt; &#x017F;o kann wahrhafte &#x017F;itt-<lb/>
liche, dem Ge&#x017F;etze unmittelbar geweihete Ge&#x017F;innung<lb/>
&#x017F;tattfinden und das vernu&#x0364;nftige Ge&#x017F;cho&#x0364;pf des Antheils<lb/>
am ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gute wu&#x0364;rdig werden, das dem morali&#x017F;chen<lb/>
Werthe &#x017F;einer Per&#x017F;on und nicht blos &#x017F;einen Handlungen<lb/>
angeme&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t. Al&#x017F;o mo&#x0364;chte es auch hier wol damit<lb/>
&#x017F;eine Richtigkeit haben, was uns das Studium der Na-<lb/>
tur und des Men&#x017F;chen &#x017F;on&#x017F;t hinreichend lehrt, daß die<lb/>
unerfor&#x017F;chliche Weisheit, durch die wir exi&#x017F;tiren, nicht<lb/>
minder verehrungswu&#x0364;rdig i&#x017F;t, in dem, was &#x017F;ie uns ver-<lb/>
&#x017F;agte, als in dem, was &#x017F;ie uns zu theil werden ließ.</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0274] I. Th. II. B. II. Hauptſt. Von der Dialectik etc. nur eine ſehr dunkele und zweydeutige Ausſicht in die Zukunft haben, der Weltregierer uns ſein Daſeyn und ſeine Herrlichkeit nur muthmaaßen, nicht erblicken, oder klar beweiſen laͤßt, dagegen das moraliſche Geſetz in uns, ohne uns etwas mit Sicherheit zu verheißen, oder zu drohen, von uns uneigennuͤtzige Achtung fodert, uͤbrigens aber, wenn dieſe Achtung thaͤtig und herr- ſchend geworden, allererſt alsdenn und nur dadurch, Ausſichten ins Reich des Ueberſinnlichen, aber auch nur mit ſchwachen Blicken erlaubt; ſo kann wahrhafte ſitt- liche, dem Geſetze unmittelbar geweihete Geſinnung ſtattfinden und das vernuͤnftige Geſchoͤpf des Antheils am hoͤchſten Gute wuͤrdig werden, das dem moraliſchen Werthe ſeiner Perſon und nicht blos ſeinen Handlungen angemeſſen iſt. Alſo moͤchte es auch hier wol damit ſeine Richtigkeit haben, was uns das Studium der Na- tur und des Menſchen ſonſt hinreichend lehrt, daß die unerforſchliche Weisheit, durch die wir exiſtiren, nicht minder verehrungswuͤrdig iſt, in dem, was ſie uns ver- ſagte, als in dem, was ſie uns zu theil werden ließ. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/274
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/274>, abgerufen am 16.04.2024.