Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Elmentarl. II. Th. II. Abth. II. Buch.
als Erweiterung unserer Selbsterkentniß durch reine Ver-
nunft, welche uns eine ununterbrochene Fortdauer des Sub-
iects aus dem blossen Begriffe des identischen Selbst
vorspiegelt, können wir nimmermehr Staat machen, da
dieser Begriff sich immer um sich selbst herumdreht, und
uns in Ansehung keiner einzigen Frage, welche auf syn-
thetische Erkentniß angelegt ist, weiter bringt. Was Ma-
terie vor ein Ding an sich selbst (transscendentales Obiect)
sey, ist uns zwar gänzlich unbekant; gleichwol kan doch
die Beharrlichkeit derselben als Erscheinung, dieweil sie
als etwas äusserliches vorgestellet wird, beobachtet werden.
Da ich aber, wenn ich das blosse Ich bey dem Wechsel aller
Vorstellungen beobachten will, kein ander Correlatum mei-
ner Vergleichungen habe, als wiederum Mich selbst, mit
den allgemeinen Bedingungen meines Bewustseyns, so kan
ich keine andere als tavtologische Beantwortungen auf alle
Fragen geben, indem ich nemlich meinen Begriff und des-
sen Einheit den Eigenschaften, die mir selbst als Obiect
zukommen, unterschiebe, und das voraussetze, was man
zu wissen verlangte.

Der vierte Paralogism
der Idealität.

(des äusseren Verhältnisses).

Dasienige, auf dessen Daseyn, nur als einer Ursache
zu gegebenen Wahrnehmungen, geschlossen werden kan,
hat eine nur zweifelhafte Existenz:


Nun

Elmentarl. II. Th. II. Abth. II. Buch.
als Erweiterung unſerer Selbſterkentniß durch reine Ver-
nunft, welche uns eine ununterbrochene Fortdauer des Sub-
iects aus dem bloſſen Begriffe des identiſchen Selbſt
vorſpiegelt, koͤnnen wir nimmermehr Staat machen, da
dieſer Begriff ſich immer um ſich ſelbſt herumdreht, und
uns in Anſehung keiner einzigen Frage, welche auf ſyn-
thetiſche Erkentniß angelegt iſt, weiter bringt. Was Ma-
terie vor ein Ding an ſich ſelbſt (transſcendentales Obiect)
ſey, iſt uns zwar gaͤnzlich unbekant; gleichwol kan doch
die Beharrlichkeit derſelben als Erſcheinung, dieweil ſie
als etwas aͤuſſerliches vorgeſtellet wird, beobachtet werden.
Da ich aber, wenn ich das bloſſe Ich bey dem Wechſel aller
Vorſtellungen beobachten will, kein ander Correlatum mei-
ner Vergleichungen habe, als wiederum Mich ſelbſt, mit
den allgemeinen Bedingungen meines Bewuſtſeyns, ſo kan
ich keine andere als tavtologiſche Beantwortungen auf alle
Fragen geben, indem ich nemlich meinen Begriff und deſ-
ſen Einheit den Eigenſchaften, die mir ſelbſt als Obiect
zukommen, unterſchiebe, und das vorausſetze, was man
zu wiſſen verlangte.

Der vierte Paralogism
der Idealitaͤt.

(des aͤuſſeren Verhaͤltniſſes).

Dasienige, auf deſſen Daſeyn, nur als einer Urſache
zu gegebenen Wahrnehmungen, geſchloſſen werden kan,
hat eine nur zweifelhafte Exiſtenz:


Nun
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0396" n="366"/><fw place="top" type="header">Elmentarl. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II.</hi> Buch.</fw><lb/>
als Erweiterung un&#x017F;erer Selb&#x017F;terkentniß durch reine Ver-<lb/>
nunft, welche uns eine ununterbrochene Fortdauer des Sub-<lb/>
iects aus dem blo&#x017F;&#x017F;en Begriffe des identi&#x017F;chen Selb&#x017F;t<lb/>
vor&#x017F;piegelt, ko&#x0364;nnen wir nimmermehr Staat machen, da<lb/>
die&#x017F;er Begriff &#x017F;ich immer um &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t herumdreht, und<lb/>
uns in An&#x017F;ehung keiner einzigen Frage, welche auf &#x017F;yn-<lb/>
theti&#x017F;che Erkentniß angelegt i&#x017F;t, weiter bringt. Was Ma-<lb/>
terie vor ein Ding an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t (trans&#x017F;cendentales Obiect)<lb/>
&#x017F;ey, i&#x017F;t uns zwar ga&#x0364;nzlich unbekant; gleichwol kan doch<lb/>
die Beharrlichkeit der&#x017F;elben als Er&#x017F;cheinung, dieweil &#x017F;ie<lb/>
als etwas a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliches vorge&#x017F;tellet wird, beobachtet werden.<lb/>
Da ich aber, wenn ich das blo&#x017F;&#x017F;e Ich bey dem Wech&#x017F;el aller<lb/>
Vor&#x017F;tellungen beobachten will, kein ander Correlatum mei-<lb/>
ner Vergleichungen habe, als wiederum Mich &#x017F;elb&#x017F;t, mit<lb/>
den allgemeinen Bedingungen meines Bewu&#x017F;t&#x017F;eyns, &#x017F;o kan<lb/>
ich keine andere als tavtologi&#x017F;che Beantwortungen auf alle<lb/>
Fragen geben, indem ich nemlich meinen Begriff und de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Einheit den Eigen&#x017F;chaften, die mir &#x017F;elb&#x017F;t als Obiect<lb/>
zukommen, unter&#x017F;chiebe, und das voraus&#x017F;etze, was man<lb/>
zu wi&#x017F;&#x017F;en verlangte.</p>
                      </div>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Der vierte Paralogism</hi><lb/>
der Idealita&#x0364;t.</hi><lb/>
(des a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;eren Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;es).</head><lb/>
                      <p>Dasienige, auf de&#x017F;&#x017F;en Da&#x017F;eyn, nur als einer Ur&#x017F;ache<lb/>
zu gegebenen Wahrnehmungen, ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en werden kan,<lb/>
hat eine nur zweifelhafte Exi&#x017F;tenz:</p><lb/>
                      <fw place="bottom" type="catch">Nun</fw><lb/>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[366/0396] Elmentarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. als Erweiterung unſerer Selbſterkentniß durch reine Ver- nunft, welche uns eine ununterbrochene Fortdauer des Sub- iects aus dem bloſſen Begriffe des identiſchen Selbſt vorſpiegelt, koͤnnen wir nimmermehr Staat machen, da dieſer Begriff ſich immer um ſich ſelbſt herumdreht, und uns in Anſehung keiner einzigen Frage, welche auf ſyn- thetiſche Erkentniß angelegt iſt, weiter bringt. Was Ma- terie vor ein Ding an ſich ſelbſt (transſcendentales Obiect) ſey, iſt uns zwar gaͤnzlich unbekant; gleichwol kan doch die Beharrlichkeit derſelben als Erſcheinung, dieweil ſie als etwas aͤuſſerliches vorgeſtellet wird, beobachtet werden. Da ich aber, wenn ich das bloſſe Ich bey dem Wechſel aller Vorſtellungen beobachten will, kein ander Correlatum mei- ner Vergleichungen habe, als wiederum Mich ſelbſt, mit den allgemeinen Bedingungen meines Bewuſtſeyns, ſo kan ich keine andere als tavtologiſche Beantwortungen auf alle Fragen geben, indem ich nemlich meinen Begriff und deſ- ſen Einheit den Eigenſchaften, die mir ſelbſt als Obiect zukommen, unterſchiebe, und das vorausſetze, was man zu wiſſen verlangte. Der vierte Paralogism der Idealitaͤt. (des aͤuſſeren Verhaͤltniſſes). Dasienige, auf deſſen Daſeyn, nur als einer Urſache zu gegebenen Wahrnehmungen, geſchloſſen werden kan, hat eine nur zweifelhafte Exiſtenz: Nun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/396
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/396>, abgerufen am 18.04.2024.