Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

IX. Absch. Vom empir. Gebrauche des regul. etc.
äugnissen nichts als Natur sieht und dazu auch berechtigt
ist, alles, was er fodern kan, und die physische Erklärun-
gen gehen ihren ungehinderten Gang fort. Nun thut ihm
das nicht den mindesten Abbruch, gesezt daß es übrigens
auch blos erdichtet seyn solte, wenn man annimt: daß un-
ter den Naturursachen es auch welche gebe, die ein Ver-
mögen haben, welches nur intelligibel ist, indem die Be-
stimmung desselben zur Handlung niemals auf empirischen
Bedingungen, sondern auf blossen Gründen des Verstan-
des beruht, so doch, daß die Handlung in der Erschei-
nung von dieser Ursache allen Gesetzen der empirischen
Caussalität gemäß sey. Denn auf diese Art würde das
handelnde Subiect, als caussa phaenomenon, mit der
Natur in unzertrenter Abhängigkeit aller ihrer Handlun-
gen verkettet seyn und nur das phaenomenon dieses Sub-
iects (mit aller Caussalität desselben in der Erscheinung)
würde gewisse Bedingungen enthalten, die, wenn man
von dem empirischen Gegenstande zu dem transscenden-
talen aufsteigen will, als blos intelligibel müßten angese-
hen werden. Denn wenn wir nur in dem, was unter
den Erscheinungen die Ursache seyn mag, der Naturregel
folgen: so können wir darüber unbekümmert seyn, was
in dem transscendentalen Subiect, welches uns empirisch
unbekant ist, vor ein Grund von diesen Erscheinungen und
deren Zusammenhange gedacht werde. Dieser intelligibe-
le Grund ficht gar nicht die empirische Fragen an, son-
dern betrift etwa blos das Denken im reinen Verstande

und,
M m

IX. Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc.
aͤugniſſen nichts als Natur ſieht und dazu auch berechtigt
iſt, alles, was er fodern kan, und die phyſiſche Erklaͤrun-
gen gehen ihren ungehinderten Gang fort. Nun thut ihm
das nicht den mindeſten Abbruch, geſezt daß es uͤbrigens
auch blos erdichtet ſeyn ſolte, wenn man annimt: daß un-
ter den Natururſachen es auch welche gebe, die ein Ver-
moͤgen haben, welches nur intelligibel iſt, indem die Be-
ſtimmung deſſelben zur Handlung niemals auf empiriſchen
Bedingungen, ſondern auf bloſſen Gruͤnden des Verſtan-
des beruht, ſo doch, daß die Handlung in der Erſchei-
nung von dieſer Urſache allen Geſetzen der empiriſchen
Cauſſalitaͤt gemaͤß ſey. Denn auf dieſe Art wuͤrde das
handelnde Subiect, als cauſſa phaenomenon, mit der
Natur in unzertrenter Abhaͤngigkeit aller ihrer Handlun-
gen verkettet ſeyn und nur das phaenomenon dieſes Sub-
iects (mit aller Cauſſalitaͤt deſſelben in der Erſcheinung)
wuͤrde gewiſſe Bedingungen enthalten, die, wenn man
von dem empiriſchen Gegenſtande zu dem transſcenden-
talen aufſteigen will, als blos intelligibel muͤßten angeſe-
hen werden. Denn wenn wir nur in dem, was unter
den Erſcheinungen die Urſache ſeyn mag, der Naturregel
folgen: ſo koͤnnen wir daruͤber unbekuͤmmert ſeyn, was
in dem transſcendentalen Subiect, welches uns empiriſch
unbekant iſt, vor ein Grund von dieſen Erſcheinungen und
deren Zuſammenhange gedacht werde. Dieſer intelligibe-
le Grund ficht gar nicht die empiriſche Fragen an, ſon-
dern betrift etwa blos das Denken im reinen Verſtande

und,
M m
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0575" n="545"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Ab&#x017F;ch. Vom empir. Gebrauche des regul. &#xA75B;c.</fw><lb/>
a&#x0364;ugni&#x017F;&#x017F;en nichts als Natur &#x017F;ieht und dazu auch berechtigt<lb/>
i&#x017F;t, alles, was er fodern kan, und die phy&#x017F;i&#x017F;che Erkla&#x0364;run-<lb/>
gen gehen ihren ungehinderten Gang fort. Nun thut ihm<lb/>
das nicht den minde&#x017F;ten Abbruch, ge&#x017F;ezt daß es u&#x0364;brigens<lb/>
auch blos erdichtet &#x017F;eyn &#x017F;olte, wenn man annimt: daß un-<lb/>
ter den Naturur&#x017F;achen es auch welche gebe, die ein Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen haben, welches nur intelligibel i&#x017F;t, indem die Be-<lb/>
&#x017F;timmung de&#x017F;&#x017F;elben zur Handlung niemals auf empiri&#x017F;chen<lb/>
Bedingungen, &#x017F;ondern auf blo&#x017F;&#x017F;en Gru&#x0364;nden des Ver&#x017F;tan-<lb/>
des beruht, &#x017F;o doch, daß die <hi rendition="#fr">Handlung in</hi> der Er&#x017F;chei-<lb/>
nung von die&#x017F;er Ur&#x017F;ache allen Ge&#x017F;etzen der empiri&#x017F;chen<lb/>
Cau&#x017F;&#x017F;alita&#x0364;t gema&#x0364;ß &#x017F;ey. Denn auf die&#x017F;e Art wu&#x0364;rde das<lb/>
handelnde Subiect, als <hi rendition="#aq">cau&#x017F;&#x017F;a phaenomenon</hi>, mit der<lb/>
Natur in unzertrenter Abha&#x0364;ngigkeit aller ihrer Handlun-<lb/>
gen verkettet &#x017F;eyn und nur das <hi rendition="#aq">phaenomenon</hi> die&#x017F;es Sub-<lb/>
iects (mit aller Cau&#x017F;&#x017F;alita&#x0364;t de&#x017F;&#x017F;elben in der Er&#x017F;cheinung)<lb/>
wu&#x0364;rde gewi&#x017F;&#x017F;e Bedingungen enthalten, die, wenn man<lb/>
von dem empiri&#x017F;chen Gegen&#x017F;tande zu dem trans&#x017F;cenden-<lb/>
talen auf&#x017F;teigen will, als blos intelligibel mu&#x0364;ßten ange&#x017F;e-<lb/>
hen werden. Denn wenn wir nur in dem, was unter<lb/>
den Er&#x017F;cheinungen die Ur&#x017F;ache &#x017F;eyn mag, der Naturregel<lb/>
folgen: &#x017F;o ko&#x0364;nnen wir daru&#x0364;ber unbeku&#x0364;mmert &#x017F;eyn, was<lb/>
in dem trans&#x017F;cendentalen Subiect, welches uns empiri&#x017F;ch<lb/>
unbekant i&#x017F;t, vor ein Grund von die&#x017F;en Er&#x017F;cheinungen und<lb/>
deren Zu&#x017F;ammenhange gedacht werde. Die&#x017F;er intelligibe-<lb/>
le Grund ficht gar nicht die empiri&#x017F;che Fragen an, &#x017F;on-<lb/>
dern betrift etwa blos das Denken im reinen Ver&#x017F;tande<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M m</fw><fw place="bottom" type="catch">und,</fw><lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[545/0575] IX. Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc. aͤugniſſen nichts als Natur ſieht und dazu auch berechtigt iſt, alles, was er fodern kan, und die phyſiſche Erklaͤrun- gen gehen ihren ungehinderten Gang fort. Nun thut ihm das nicht den mindeſten Abbruch, geſezt daß es uͤbrigens auch blos erdichtet ſeyn ſolte, wenn man annimt: daß un- ter den Natururſachen es auch welche gebe, die ein Ver- moͤgen haben, welches nur intelligibel iſt, indem die Be- ſtimmung deſſelben zur Handlung niemals auf empiriſchen Bedingungen, ſondern auf bloſſen Gruͤnden des Verſtan- des beruht, ſo doch, daß die Handlung in der Erſchei- nung von dieſer Urſache allen Geſetzen der empiriſchen Cauſſalitaͤt gemaͤß ſey. Denn auf dieſe Art wuͤrde das handelnde Subiect, als cauſſa phaenomenon, mit der Natur in unzertrenter Abhaͤngigkeit aller ihrer Handlun- gen verkettet ſeyn und nur das phaenomenon dieſes Sub- iects (mit aller Cauſſalitaͤt deſſelben in der Erſcheinung) wuͤrde gewiſſe Bedingungen enthalten, die, wenn man von dem empiriſchen Gegenſtande zu dem transſcenden- talen aufſteigen will, als blos intelligibel muͤßten angeſe- hen werden. Denn wenn wir nur in dem, was unter den Erſcheinungen die Urſache ſeyn mag, der Naturregel folgen: ſo koͤnnen wir daruͤber unbekuͤmmert ſeyn, was in dem transſcendentalen Subiect, welches uns empiriſch unbekant iſt, vor ein Grund von dieſen Erſcheinungen und deren Zuſammenhange gedacht werde. Dieſer intelligibe- le Grund ficht gar nicht die empiriſche Fragen an, ſon- dern betrift etwa blos das Denken im reinen Verſtande und, M m

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/575
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/575>, abgerufen am 29.05.2024.