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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Methodenlehre II. Hauptst. I. Absch.
der Vernunft, wiederum Einheit haben müssen, um das-
ienige Interesse der Menschheit, welches keinem höheren
untergeordnet ist, vereinigt zu befördern.

Die Endabsicht, worauf die Speculation der Ver-
nunft im transscendentalen Gebrauche zulezt hinausläuft,
betrift drey Gegenstände: die Freiheit des Willens, die
Unsterblichkeit der Seele, und das Daseyn Gottes. In
Ansehung aller dreien ist blos das speculative Interesse der
Vernunft nur sehr gering, und in Absicht auf dasselbe würde
wol schwerlich eine ermüdende, mit unaufhörlichen Hindernis-
sen ringende Arbeit transsc. Nachforschung, übernommen wer-
den, weil man von allen Entdeckungen, die hierüber zu
machen seyn möchten, doch keinen Gebrauch machen kan,
der in concreto, d. i. in der Naturforschung, seinen Nu-
tzen bewiese. Der Wille mag auch frey seyn, so kan die-
ses doch nur die intelligibele Ursache unseres Wollens an-
gehen. Denn, was die Phänomene der Aeusserungen des-
selben, d. i. die Handlungen betrift, so müssen wir, nach
einer unverletzlichen Grundmaxime, ohne welche wir keine
Vernunft in empirischem Gebrauche ausüben können, sie
niemals anders als alle übrige Erscheinungen der Natur,
nemlich nach unwandelbaren Gesetzen derselben erklären.
Es mag zweitens auch die geistige Natur der Seele (und
mit derselben ihre Unsterblichkeit) eingesehen werden kön-
nen, so kan darauf doch, weder in Ansehung der Erschei-
nungen dieses Lebens, als einen Erklärungsgrund, noch

auf

Methodenlehre II. Hauptſt. I. Abſch.
der Vernunft, wiederum Einheit haben muͤſſen, um das-
ienige Intereſſe der Menſchheit, welches keinem hoͤheren
untergeordnet iſt, vereinigt zu befoͤrdern.

Die Endabſicht, worauf die Speculation der Ver-
nunft im transſcendentalen Gebrauche zulezt hinauslaͤuft,
betrift drey Gegenſtaͤnde: die Freiheit des Willens, die
Unſterblichkeit der Seele, und das Daſeyn Gottes. In
Anſehung aller dreien iſt blos das ſpeculative Intereſſe der
Vernunft nur ſehr gering, und in Abſicht auf daſſelbe wuͤrde
wol ſchwerlich eine ermuͤdende, mit unaufhoͤrlichen Hinderniſ-
ſen ringende Arbeit transſc. Nachforſchung, uͤbernommen wer-
den, weil man von allen Entdeckungen, die hieruͤber zu
machen ſeyn moͤchten, doch keinen Gebrauch machen kan,
der in concreto, d. i. in der Naturforſchung, ſeinen Nu-
tzen bewieſe. Der Wille mag auch frey ſeyn, ſo kan die-
ſes doch nur die intelligibele Urſache unſeres Wollens an-
gehen. Denn, was die Phaͤnomene der Aeuſſerungen deſ-
ſelben, d. i. die Handlungen betrift, ſo muͤſſen wir, nach
einer unverletzlichen Grundmaxime, ohne welche wir keine
Vernunft in empiriſchem Gebrauche ausuͤben koͤnnen, ſie
niemals anders als alle uͤbrige Erſcheinungen der Natur,
nemlich nach unwandelbaren Geſetzen derſelben erklaͤren.
Es mag zweitens auch die geiſtige Natur der Seele (und
mit derſelben ihre Unſterblichkeit) eingeſehen werden koͤn-
nen, ſo kan darauf doch, weder in Anſehung der Erſchei-
nungen dieſes Lebens, als einen Erklaͤrungsgrund, noch

auf
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[798/0828] Methodenlehre II. Hauptſt. I. Abſch. der Vernunft, wiederum Einheit haben muͤſſen, um das- ienige Intereſſe der Menſchheit, welches keinem hoͤheren untergeordnet iſt, vereinigt zu befoͤrdern. Die Endabſicht, worauf die Speculation der Ver- nunft im transſcendentalen Gebrauche zulezt hinauslaͤuft, betrift drey Gegenſtaͤnde: die Freiheit des Willens, die Unſterblichkeit der Seele, und das Daſeyn Gottes. In Anſehung aller dreien iſt blos das ſpeculative Intereſſe der Vernunft nur ſehr gering, und in Abſicht auf daſſelbe wuͤrde wol ſchwerlich eine ermuͤdende, mit unaufhoͤrlichen Hinderniſ- ſen ringende Arbeit transſc. Nachforſchung, uͤbernommen wer- den, weil man von allen Entdeckungen, die hieruͤber zu machen ſeyn moͤchten, doch keinen Gebrauch machen kan, der in concreto, d. i. in der Naturforſchung, ſeinen Nu- tzen bewieſe. Der Wille mag auch frey ſeyn, ſo kan die- ſes doch nur die intelligibele Urſache unſeres Wollens an- gehen. Denn, was die Phaͤnomene der Aeuſſerungen deſ- ſelben, d. i. die Handlungen betrift, ſo muͤſſen wir, nach einer unverletzlichen Grundmaxime, ohne welche wir keine Vernunft in empiriſchem Gebrauche ausuͤben koͤnnen, ſie niemals anders als alle uͤbrige Erſcheinungen der Natur, nemlich nach unwandelbaren Geſetzen derſelben erklaͤren. Es mag zweitens auch die geiſtige Natur der Seele (und mit derſelben ihre Unſterblichkeit) eingeſehen werden koͤn- nen, ſo kan darauf doch, weder in Anſehung der Erſchei- nungen dieſes Lebens, als einen Erklaͤrungsgrund, noch auf

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 798. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/828>, abgerufen am 29.04.2024.