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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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Frauenzimmer nach gerade von der glänzenden Bühne
abtreten, um jungen Schönen für die Bewunderung
Platz zu machen, ward, trotz allen nur möglichsten
Leiden, durch welche die Dichterin bis zur dieser Epo-
che gekommen war, der Zeitpunkt, wo sie erst auf-
blühte, bemerkt und bewundert wurde.

Sobald man hörte, die Karschin sey angekom-
men, so eiferte auch alles, was Geschmack haben woll-
te, um die Wette, dieses Wunder von Frau zu sehen.
So bürgerlich sie auch noch in den ersten Tagen ein-
her ging, so wurden ihr doch verschiedene Equipagen
geschickt, um sie in die vorzüglichsten Gesellschaften
abzuholen. Es gereicht wirklich den Herzen, wie dem
Verstande der edlen Berliner zur Ehre, daß sie nicht
zu stolz waren, weder der Dichterin ihren gemeinen
Stand noch Anzug entgelten zu lassen, sondern ihr
mit aller der Aufmerksamkeit und Feinheit begegneten,
welche ihrem Talente zukamen. Vorzüglich bemühete
sich der für die schönen Wissenschaften so warme Freund,
der damalige noch junge Herr Doktor Krünitz (jetzt
berühmter Verfasser der Encyklopädie), der erste zu
seyn, der es sich zum Vergnügen machte, ihr Freunde
anzuwerben. Er führte sie in die Häuser eines Oberkon-
sistorialraths Köppen, eines Geheimerath Buchholz,
Hofrath Stahl, Ober-Hofprediger Sack, Rektor
Wippel, und mehrerer dergleichen, ein, wo sie denn

Frauenzimmer nach gerade von der glaͤnzenden Buͤhne
abtreten, um jungen Schoͤnen fuͤr die Bewunderung
Platz zu machen, ward, trotz allen nur moͤglichſten
Leiden, durch welche die Dichterin bis zur dieſer Epo-
che gekommen war, der Zeitpunkt, wo ſie erſt auf-
bluͤhte, bemerkt und bewundert wurde.

Sobald man hoͤrte, die Karſchin ſey angekom-
men, ſo eiferte auch alles, was Geſchmack haben woll-
te, um die Wette, dieſes Wunder von Frau zu ſehen.
So buͤrgerlich ſie auch noch in den erſten Tagen ein-
her ging, ſo wurden ihr doch verſchiedene Equipagen
geſchickt, um ſie in die vorzuͤglichſten Geſellſchaften
abzuholen. Es gereicht wirklich den Herzen, wie dem
Verſtande der edlen Berliner zur Ehre, daß ſie nicht
zu ſtolz waren, weder der Dichterin ihren gemeinen
Stand noch Anzug entgelten zu laſſen, ſondern ihr
mit aller der Aufmerkſamkeit und Feinheit begegneten,
welche ihrem Talente zukamen. Vorzuͤglich bemuͤhete
ſich der fuͤr die ſchoͤnen Wiſſenſchaften ſo warme Freund,
der damalige noch junge Herr Doktor Kruͤnitz (jetzt
beruͤhmter Verfaſſer der Encyklopaͤdie), der erſte zu
ſeyn, der es ſich zum Vergnuͤgen machte, ihr Freunde
anzuwerben. Er fuͤhrte ſie in die Haͤuſer eines Oberkon-
ſiſtorialraths Koͤppen, eines Geheimerath Buchholz,
Hofrath Stahl, Ober-Hofprediger Sack, Rektor
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[88/0120] Frauenzimmer nach gerade von der glaͤnzenden Buͤhne abtreten, um jungen Schoͤnen fuͤr die Bewunderung Platz zu machen, ward, trotz allen nur moͤglichſten Leiden, durch welche die Dichterin bis zur dieſer Epo- che gekommen war, der Zeitpunkt, wo ſie erſt auf- bluͤhte, bemerkt und bewundert wurde. Sobald man hoͤrte, die Karſchin ſey angekom- men, ſo eiferte auch alles, was Geſchmack haben woll- te, um die Wette, dieſes Wunder von Frau zu ſehen. So buͤrgerlich ſie auch noch in den erſten Tagen ein- her ging, ſo wurden ihr doch verſchiedene Equipagen geſchickt, um ſie in die vorzuͤglichſten Geſellſchaften abzuholen. Es gereicht wirklich den Herzen, wie dem Verſtande der edlen Berliner zur Ehre, daß ſie nicht zu ſtolz waren, weder der Dichterin ihren gemeinen Stand noch Anzug entgelten zu laſſen, ſondern ihr mit aller der Aufmerkſamkeit und Feinheit begegneten, welche ihrem Talente zukamen. Vorzuͤglich bemuͤhete ſich der fuͤr die ſchoͤnen Wiſſenſchaften ſo warme Freund, der damalige noch junge Herr Doktor Kruͤnitz (jetzt beruͤhmter Verfaſſer der Encyklopaͤdie), der erſte zu ſeyn, der es ſich zum Vergnuͤgen machte, ihr Freunde anzuwerben. Er fuͤhrte ſie in die Haͤuſer eines Oberkon- ſiſtorialraths Koͤppen, eines Geheimerath Buchholz, Hofrath Stahl, Ober-Hofprediger Sack, Rektor Wippel, und mehrerer dergleichen, ein, wo ſie denn

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/120>, abgerufen am 28.03.2024.