Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Mann, welcher seinen Zöglingen, obgleich
sie nur Volkslehrer werden sollten, gern zum all¬
gemeinsten Wissen verhalf, wenn sie sich durch
Fleiß die nöthige Zeit dazu erwarben. Das hatte
freilich zur Folge, daß Alle, welche wirklich ein
höheres und gründliches Wissen erreichten oder
für erreichbar hielten, sobald als möglich der
Volksschule Valet sagten und andere Bahnen
verfolgten. Dies war indessen nur billig; wenn
das Seminar dabei seinen unmittelbaren Zweck
verfehlte, so vergab es doch seiner Würde nichts,
indem es armen Bauerssöhnen die Welt aufthat.
Auch behielten diese, wenn sie ansehnliche Gelehrte
oder Staatsbeamte wurden, doch immer eine be¬
sondere Anhänglichkeit und Liebe für die Volks¬
schule, welcher sie sich anfänglich geweiht hatten,
und was dieser oft zu Schutz und Gedeihen ge¬
reichte.

Aber es gab auch eine andere Art Wißbe¬
gieriger, welche mehr vom äußeren Schein und
Hochmuth getrieben, Vieles erschnappten, ohne je
den rechten Schlüssel zum wissenschaftlichen Leben
zu finden, auch sonst behindert und ohne Talent,

ein Mann, welcher ſeinen Zoͤglingen, obgleich
ſie nur Volkslehrer werden ſollten, gern zum all¬
gemeinſten Wiſſen verhalf, wenn ſie ſich durch
Fleiß die noͤthige Zeit dazu erwarben. Das hatte
freilich zur Folge, daß Alle, welche wirklich ein
hoͤheres und gruͤndliches Wiſſen erreichten oder
fuͤr erreichbar hielten, ſobald als moͤglich der
Volksſchule Valet ſagten und andere Bahnen
verfolgten. Dies war indeſſen nur billig; wenn
das Seminar dabei ſeinen unmittelbaren Zweck
verfehlte, ſo vergab es doch ſeiner Wuͤrde nichts,
indem es armen Bauersſoͤhnen die Welt aufthat.
Auch behielten dieſe, wenn ſie anſehnliche Gelehrte
oder Staatsbeamte wurden, doch immer eine be¬
ſondere Anhaͤnglichkeit und Liebe fuͤr die Volks¬
ſchule, welcher ſie ſich anfaͤnglich geweiht hatten,
und was dieſer oft zu Schutz und Gedeihen ge¬
reichte.

Aber es gab auch eine andere Art Wißbe¬
gieriger, welche mehr vom aͤußeren Schein und
Hochmuth getrieben, Vieles erſchnappten, ohne je
den rechten Schluͤſſel zum wiſſenſchaftlichen Leben
zu finden, auch ſonſt behindert und ohne Talent,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0263" n="253"/>
ein Mann, welcher &#x017F;einen Zo&#x0364;glingen, obgleich<lb/>
&#x017F;ie nur Volkslehrer werden &#x017F;ollten, gern zum all¬<lb/>
gemein&#x017F;ten Wi&#x017F;&#x017F;en verhalf, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich durch<lb/>
Fleiß die no&#x0364;thige Zeit dazu erwarben. Das hatte<lb/>
freilich zur Folge, daß Alle, welche wirklich ein<lb/>
ho&#x0364;heres und gru&#x0364;ndliches Wi&#x017F;&#x017F;en erreichten oder<lb/>
fu&#x0364;r erreichbar hielten, &#x017F;obald als mo&#x0364;glich der<lb/>
Volks&#x017F;chule Valet &#x017F;agten und andere Bahnen<lb/>
verfolgten. Dies war inde&#x017F;&#x017F;en nur billig; wenn<lb/>
das Seminar dabei &#x017F;einen unmittelbaren Zweck<lb/>
verfehlte, &#x017F;o vergab es doch &#x017F;einer Wu&#x0364;rde nichts,<lb/>
indem es armen Bauers&#x017F;o&#x0364;hnen die Welt aufthat.<lb/>
Auch behielten die&#x017F;e, wenn &#x017F;ie an&#x017F;ehnliche Gelehrte<lb/>
oder Staatsbeamte wurden, doch immer eine be¬<lb/>
&#x017F;ondere Anha&#x0364;nglichkeit und Liebe fu&#x0364;r die Volks¬<lb/>
&#x017F;chule, welcher &#x017F;ie &#x017F;ich anfa&#x0364;nglich geweiht hatten,<lb/>
und was die&#x017F;er oft zu Schutz und Gedeihen ge¬<lb/>
reichte.</p><lb/>
        <p>Aber es gab auch eine andere Art Wißbe¬<lb/>
gieriger, welche mehr vom a&#x0364;ußeren Schein und<lb/>
Hochmuth getrieben, Vieles er&#x017F;chnappten, ohne je<lb/>
den rechten Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el zum wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Leben<lb/>
zu finden, auch &#x017F;on&#x017F;t behindert und ohne Talent,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0263] ein Mann, welcher ſeinen Zoͤglingen, obgleich ſie nur Volkslehrer werden ſollten, gern zum all¬ gemeinſten Wiſſen verhalf, wenn ſie ſich durch Fleiß die noͤthige Zeit dazu erwarben. Das hatte freilich zur Folge, daß Alle, welche wirklich ein hoͤheres und gruͤndliches Wiſſen erreichten oder fuͤr erreichbar hielten, ſobald als moͤglich der Volksſchule Valet ſagten und andere Bahnen verfolgten. Dies war indeſſen nur billig; wenn das Seminar dabei ſeinen unmittelbaren Zweck verfehlte, ſo vergab es doch ſeiner Wuͤrde nichts, indem es armen Bauersſoͤhnen die Welt aufthat. Auch behielten dieſe, wenn ſie anſehnliche Gelehrte oder Staatsbeamte wurden, doch immer eine be¬ ſondere Anhaͤnglichkeit und Liebe fuͤr die Volks¬ ſchule, welcher ſie ſich anfaͤnglich geweiht hatten, und was dieſer oft zu Schutz und Gedeihen ge¬ reichte. Aber es gab auch eine andere Art Wißbe¬ gieriger, welche mehr vom aͤußeren Schein und Hochmuth getrieben, Vieles erſchnappten, ohne je den rechten Schluͤſſel zum wiſſenſchaftlichen Leben zu finden, auch ſonſt behindert und ohne Talent,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/263
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/263>, abgerufen am 19.04.2024.