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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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zu behandeln, aufgeben, denn damit ließe sich gar
Nichts mehr ausrichten. Nach der Natur sollte
ich fleißig vor der Hand mit einem weichen Blei
zeichnen und für das Haus anfangen, seine Weise
einzuüben, wobei er mir gerne behülflich sein
wolle. Auch suchte er mir aus seinen Mappen
einige einfache Studien in Bleistift so wie in
Farben, welche ich zur Probe copiren sollte und
als ich hierauf mich empfehlen wollte, sagte er:
"O! bleiben Sie noch ein Stündchen hier, Sie
werden den Vormittag doch nichts mehr machen
können: sehen Sie mir ein wenig zu und plaudern
wir ein Bischen!" Mit Vergnügen that ich dies,
hörte auf seine Bemerkungen, die er über sein
Verfahren machte, und sah zum ersten Mal
die einfache freie und sichere Art, mit der ein
Künstler arbeitet. Es ging mir ein neues Licht
auf und es dünkte mich, wenn ich mich selbst
auf meine bisherige Art arbeitend vorstellte, als
ob ich bis heute nur Strümpfe gestrickt oder
etwas Aehnliches gethan hätte.

Rasch copirte ich die Blätter, die Römer mir
mitgab, mit aller Lust und allem Gelingen,

zu behandeln, aufgeben, denn damit ließe ſich gar
Nichts mehr ausrichten. Nach der Natur ſollte
ich fleißig vor der Hand mit einem weichen Blei
zeichnen und fuͤr das Haus anfangen, ſeine Weiſe
einzuuͤben, wobei er mir gerne behuͤlflich ſein
wolle. Auch ſuchte er mir aus ſeinen Mappen
einige einfache Studien in Bleiſtift ſo wie in
Farben, welche ich zur Probe copiren ſollte und
als ich hierauf mich empfehlen wollte, ſagte er:
»O! bleiben Sie noch ein Stuͤndchen hier, Sie
werden den Vormittag doch nichts mehr machen
koͤnnen: ſehen Sie mir ein wenig zu und plaudern
wir ein Bischen!« Mit Vergnuͤgen that ich dies,
hoͤrte auf ſeine Bemerkungen, die er uͤber ſein
Verfahren machte, und ſah zum erſten Mal
die einfache freie und ſichere Art, mit der ein
Kuͤnſtler arbeitet. Es ging mir ein neues Licht
auf und es duͤnkte mich, wenn ich mich ſelbſt
auf meine bisherige Art arbeitend vorſtellte, als
ob ich bis heute nur Struͤmpfe geſtrickt oder
etwas Aehnliches gethan haͤtte.

Raſch copirte ich die Blaͤtter, die Roͤmer mir
mitgab, mit aller Luſt und allem Gelingen,

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[24/0034] zu behandeln, aufgeben, denn damit ließe ſich gar Nichts mehr ausrichten. Nach der Natur ſollte ich fleißig vor der Hand mit einem weichen Blei zeichnen und fuͤr das Haus anfangen, ſeine Weiſe einzuuͤben, wobei er mir gerne behuͤlflich ſein wolle. Auch ſuchte er mir aus ſeinen Mappen einige einfache Studien in Bleiſtift ſo wie in Farben, welche ich zur Probe copiren ſollte und als ich hierauf mich empfehlen wollte, ſagte er: »O! bleiben Sie noch ein Stuͤndchen hier, Sie werden den Vormittag doch nichts mehr machen koͤnnen: ſehen Sie mir ein wenig zu und plaudern wir ein Bischen!« Mit Vergnuͤgen that ich dies, hoͤrte auf ſeine Bemerkungen, die er uͤber ſein Verfahren machte, und ſah zum erſten Mal die einfache freie und ſichere Art, mit der ein Kuͤnſtler arbeitet. Es ging mir ein neues Licht auf und es duͤnkte mich, wenn ich mich ſelbſt auf meine bisherige Art arbeitend vorſtellte, als ob ich bis heute nur Struͤmpfe geſtrickt oder etwas Aehnliches gethan haͤtte. Raſch copirte ich die Blaͤtter, die Roͤmer mir mitgab, mit aller Luſt und allem Gelingen,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/34>, abgerufen am 29.03.2024.