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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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muntere Schwestern seinen Anzug, indem sie vor¬
nehmlich seinen blonden Kopf auf das Zierlichste
frisirten und seine Brust mit einem sachgemäßen
Frauenbusen ausschmückten. Indem er so auf
seinem Stuhle saß und diese Bemühungen der
wenig schüchternen Mädchen um sich geschehen
ließ, erröthete er ein Mal um das andere und
das Herz klopfte ihm vor erwartungsvollem Ver¬
gnügen, während zugleich das böse Gewissen sich
regte und ihm anfing zuzuflüstern, die Sache
möchte doch nicht so recht in der Ordnung sein.
Als er daher mit seiner Gesellschaft dem Rath¬
hause zuzog, ein Körbchen mit den Geschenken
tragend, sah er so verschämt und verwirrt aus,
wie ein wirkliches Mädchen und schlug die Augen
nieder und als er so auf der Hochzeit erschien,
erregte er den allgemeinen Beifall besonders der
versammelten Frauen.

Während der Zeit war aber seine Mutter
nach Hause zurückgekehrt und sah ihren offen
stehenden Kleiderschrank sowie die Verwüstung,
die er in Schachteln und Kästchen angerichtet.
Als sie vollends vernahm, zu welchem Ende hin
dies geschehen und daß ihre Hoffnung in Weiber¬

muntere Schweſtern ſeinen Anzug, indem ſie vor¬
nehmlich ſeinen blonden Kopf auf das Zierlichſte
friſirten und ſeine Bruſt mit einem ſachgemäßen
Frauenbuſen ausſchmückten. Indem er ſo auf
ſeinem Stuhle ſaß und dieſe Bemühungen der
wenig ſchüchternen Mädchen um ſich geſchehen
ließ, erröthete er ein Mal um das andere und
das Herz klopfte ihm vor erwartungsvollem Ver¬
gnügen, während zugleich das böſe Gewiſſen ſich
regte und ihm anfing zuzuflüſtern, die Sache
möchte doch nicht ſo recht in der Ordnung ſein.
Als er daher mit ſeiner Geſellſchaft dem Rath¬
hauſe zuzog, ein Körbchen mit den Geſchenken
tragend, ſah er ſo verſchämt und verwirrt aus,
wie ein wirkliches Mädchen und ſchlug die Augen
nieder und als er ſo auf der Hochzeit erſchien,
erregte er den allgemeinen Beifall beſonders der
verſammelten Frauen.

Während der Zeit war aber ſeine Mutter
nach Hauſe zurückgekehrt und ſah ihren offen
ſtehenden Kleiderſchrank ſowie die Verwüſtung,
die er in Schachteln und Käſtchen angerichtet.
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dies geſchehen und daß ihre Hoffnung in Weiber¬

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[141/0153] muntere Schweſtern ſeinen Anzug, indem ſie vor¬ nehmlich ſeinen blonden Kopf auf das Zierlichſte friſirten und ſeine Bruſt mit einem ſachgemäßen Frauenbuſen ausſchmückten. Indem er ſo auf ſeinem Stuhle ſaß und dieſe Bemühungen der wenig ſchüchternen Mädchen um ſich geſchehen ließ, erröthete er ein Mal um das andere und das Herz klopfte ihm vor erwartungsvollem Ver¬ gnügen, während zugleich das böſe Gewiſſen ſich regte und ihm anfing zuzuflüſtern, die Sache möchte doch nicht ſo recht in der Ordnung ſein. Als er daher mit ſeiner Geſellſchaft dem Rath¬ hauſe zuzog, ein Körbchen mit den Geſchenken tragend, ſah er ſo verſchämt und verwirrt aus, wie ein wirkliches Mädchen und ſchlug die Augen nieder und als er ſo auf der Hochzeit erſchien, erregte er den allgemeinen Beifall beſonders der verſammelten Frauen. Während der Zeit war aber ſeine Mutter nach Hauſe zurückgekehrt und ſah ihren offen ſtehenden Kleiderſchrank ſowie die Verwüſtung, die er in Schachteln und Käſtchen angerichtet. Als ſie vollends vernahm, zu welchem Ende hin dies geſchehen und daß ihre Hoffnung in Weiber¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/153>, abgerufen am 28.03.2024.