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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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fliegen lassen, wenn man erst einmal ein Arbeiter
heißen wolle."

"Die Leute sahen mir erstaunt zu und Nie¬
mand hinderte mich an meiner Arbeit; als sie
das Morgenbrot aßen, wurde ich dazu eingeladen;
dieses hatte ich bezweckt und so arbeitete ich weiter,
bis das Mittagsessen kam, welches ich ebenfalls
mit großem Appetit einnahm. Doch nun erstaun¬
ten die Bauersleute noch vielmehr und sandten
mir ein verdutztes Gelächter nach, als ich, anstatt
die Heugabel wieder zu ergreifen, plötzlich den
Mund wischte, mein Bündelchen wieder aufgriff
und ohne ein Wort weiter zu verlieren, meines
Weges weiter zog. In einem dichten kühlen
Buchenwäldchen legte ich mich hin und schlief bis
zur Abenddämmerung; dann sprang ich auf, ging
aus dem Wäldchen hervor und guckte am Himmel
hin und her, an welchem die Sterne hervorzu¬
treten begannen. Die Stellung der Sterne ge¬
hörte auch zu den wenigen Dingen, die ich wäh¬
rend meines Müssigganges gemerkt, und da ich
darin eine große Ordnung und Pünktlichkeit ge¬
funden, so hatte sie mir immer wohlgefallen, und
zwar um so mehr, als diese glänzenden Geschöpfe

fliegen laſſen, wenn man erſt einmal ein Arbeiter
heißen wolle.«

»Die Leute ſahen mir erſtaunt zu und Nie¬
mand hinderte mich an meiner Arbeit; als ſie
das Morgenbrot aßen, wurde ich dazu eingeladen;
dieſes hatte ich bezweckt und ſo arbeitete ich weiter,
bis das Mittagseſſen kam, welches ich ebenfalls
mit großem Appetit einnahm. Doch nun erſtaun¬
ten die Bauersleute noch vielmehr und ſandten
mir ein verdutztes Gelächter nach, als ich, anſtatt
die Heugabel wieder zu ergreifen, plötzlich den
Mund wiſchte, mein Bündelchen wieder aufgriff
und ohne ein Wort weiter zu verlieren, meines
Weges weiter zog. In einem dichten kühlen
Buchenwäldchen legte ich mich hin und ſchlief bis
zur Abenddämmerung; dann ſprang ich auf, ging
aus dem Wäldchen hervor und guckte am Himmel
hin und her, an welchem die Sterne hervorzu¬
treten begannen. Die Stellung der Sterne ge¬
hörte auch zu den wenigen Dingen, die ich wäh¬
rend meines Müſſigganges gemerkt, und da ich
darin eine große Ordnung und Pünktlichkeit ge¬
funden, ſo hatte ſie mir immer wohlgefallen, und
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[36/0048] fliegen laſſen, wenn man erſt einmal ein Arbeiter heißen wolle.« »Die Leute ſahen mir erſtaunt zu und Nie¬ mand hinderte mich an meiner Arbeit; als ſie das Morgenbrot aßen, wurde ich dazu eingeladen; dieſes hatte ich bezweckt und ſo arbeitete ich weiter, bis das Mittagseſſen kam, welches ich ebenfalls mit großem Appetit einnahm. Doch nun erſtaun¬ ten die Bauersleute noch vielmehr und ſandten mir ein verdutztes Gelächter nach, als ich, anſtatt die Heugabel wieder zu ergreifen, plötzlich den Mund wiſchte, mein Bündelchen wieder aufgriff und ohne ein Wort weiter zu verlieren, meines Weges weiter zog. In einem dichten kühlen Buchenwäldchen legte ich mich hin und ſchlief bis zur Abenddämmerung; dann ſprang ich auf, ging aus dem Wäldchen hervor und guckte am Himmel hin und her, an welchem die Sterne hervorzu¬ treten begannen. Die Stellung der Sterne ge¬ hörte auch zu den wenigen Dingen, die ich wäh¬ rend meines Müſſigganges gemerkt, und da ich darin eine große Ordnung und Pünktlichkeit ge¬ funden, ſo hatte ſie mir immer wohlgefallen, und zwar um ſo mehr, als dieſe glänzenden Geſchöpfe

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/48>, abgerufen am 25.04.2024.