Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wie meinen Sie das?"

"Ei, ich seh' es Ihren Augen die ganze Zeit an, daß
Sie lieber von Anderm sprechen, als von Heu, und mir
ein wenig den Hof machen möchten, bis Ihr Pferd
gefressen hat! Da ich einmal die einsame Wirthstochter
hier vorstelle, so wollen wir die wundervollen Dinge nicht
verschweigen, welche man sich unter solchen Umständen
sagt, und der Welt den Lauf lassen! Fangen Sie an,
Herr! und seien Sie witzig und vorlaut, und ich werde
mich zieren und spröde thun!"

"Gleich werd' ich anfangen, Sie haben mich nur
überrascht!"

"Nun, lassen Sie hören!"

"Nun also -- beim Himmel, ich bin ganz verblüfft
und weiß Nichts zu sagen!"

"Das ist nicht viel: Sollen wir etwa gar die ver¬
kehrte Welt spielen und soll ich Ihnen den Hof machen
und Ihnen angenehme Dinge sagen, während Sie sich
zieren? Gut denn! Sie sind in der That der hübscheste
Mann, welcher seit langem diese Straße geritten, gefahren
oder gegangen ist!"

"Glauben Sie etwa, ich höre das ungern aus Ihrem
Munde?"

"Das befürchte ich nicht im Geringsten! Zwar, wie
ich Sie vorhin kommen sah, dacht' ich: Gelobt sei Gott,
da nahet sich endlich Einer, der nach was Rechtem aus¬
sieht, ohne daran zu denken! Der reitet fest in die Welt

„Wie meinen Sie das?“

„Ei, ich ſeh' es Ihren Augen die ganze Zeit an, daß
Sie lieber von Anderm ſprechen, als von Heu, und mir
ein wenig den Hof machen möchten, bis Ihr Pferd
gefreſſen hat! Da ich einmal die einſame Wirthstochter
hier vorſtelle, ſo wollen wir die wundervollen Dinge nicht
verſchweigen, welche man ſich unter ſolchen Umſtänden
ſagt, und der Welt den Lauf laſſen! Fangen Sie an,
Herr! und ſeien Sie witzig und vorlaut, und ich werde
mich zieren und ſpröde thun!“

„Gleich werd' ich anfangen, Sie haben mich nur
überraſcht!“

„Nun, laſſen Sie hören!“

„Nun alſo — beim Himmel, ich bin ganz verblüfft
und weiß Nichts zu ſagen!“

„Das iſt nicht viel: Sollen wir etwa gar die ver¬
kehrte Welt ſpielen und ſoll ich Ihnen den Hof machen
und Ihnen angenehme Dinge ſagen, während Sie ſich
zieren? Gut denn! Sie ſind in der That der hübſcheſte
Mann, welcher ſeit langem dieſe Straße geritten, gefahren
oder gegangen iſt!“

„Glauben Sie etwa, ich höre das ungern aus Ihrem
Munde?“

„Das befürchte ich nicht im Geringſten! Zwar, wie
ich Sie vorhin kommen ſah, dacht' ich: Gelobt ſei Gott,
da nahet ſich endlich Einer, der nach was Rechtem aus¬
ſieht, ohne daran zu denken! Der reitet feſt in die Welt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0033" n="23"/>
          <p>&#x201E;Wie meinen Sie das?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ei, ich &#x017F;eh' es Ihren Augen die ganze Zeit an, daß<lb/>
Sie lieber von Anderm &#x017F;prechen, als von Heu, und mir<lb/>
ein wenig den Hof machen möchten, bis Ihr Pferd<lb/>
gefre&#x017F;&#x017F;en hat! Da ich einmal die ein&#x017F;ame Wirthstochter<lb/>
hier vor&#x017F;telle, &#x017F;o wollen wir die wundervollen Dinge nicht<lb/>
ver&#x017F;chweigen, welche man &#x017F;ich unter &#x017F;olchen Um&#x017F;tänden<lb/>
&#x017F;agt, und der Welt den Lauf la&#x017F;&#x017F;en! Fangen Sie an,<lb/>
Herr! und &#x017F;eien Sie witzig und vorlaut, und ich werde<lb/>
mich zieren und &#x017F;pröde thun!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Gleich werd' ich anfangen, Sie haben mich nur<lb/>
überra&#x017F;cht!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nun, la&#x017F;&#x017F;en Sie hören!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nun al&#x017F;o &#x2014; beim Himmel, ich bin ganz verblüfft<lb/>
und weiß Nichts zu &#x017F;agen!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das i&#x017F;t nicht viel: Sollen wir etwa gar die ver¬<lb/>
kehrte Welt &#x017F;pielen und &#x017F;oll ich Ihnen den Hof machen<lb/>
und Ihnen angenehme Dinge &#x017F;agen, während Sie &#x017F;ich<lb/>
zieren? Gut denn! Sie &#x017F;ind in der That der hüb&#x017F;che&#x017F;te<lb/>
Mann, welcher &#x017F;eit langem die&#x017F;e Straße geritten, gefahren<lb/>
oder gegangen i&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Glauben Sie etwa, ich höre das ungern aus Ihrem<lb/>
Munde?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das befürchte ich nicht im Gering&#x017F;ten! Zwar, wie<lb/>
ich Sie vorhin kommen &#x017F;ah, dacht' ich: Gelobt &#x017F;ei Gott,<lb/>
da nahet &#x017F;ich endlich Einer, der nach was Rechtem aus¬<lb/>
&#x017F;ieht, ohne daran zu denken! Der reitet fe&#x017F;t in die Welt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0033] „Wie meinen Sie das?“ „Ei, ich ſeh' es Ihren Augen die ganze Zeit an, daß Sie lieber von Anderm ſprechen, als von Heu, und mir ein wenig den Hof machen möchten, bis Ihr Pferd gefreſſen hat! Da ich einmal die einſame Wirthstochter hier vorſtelle, ſo wollen wir die wundervollen Dinge nicht verſchweigen, welche man ſich unter ſolchen Umſtänden ſagt, und der Welt den Lauf laſſen! Fangen Sie an, Herr! und ſeien Sie witzig und vorlaut, und ich werde mich zieren und ſpröde thun!“ „Gleich werd' ich anfangen, Sie haben mich nur überraſcht!“ „Nun, laſſen Sie hören!“ „Nun alſo — beim Himmel, ich bin ganz verblüfft und weiß Nichts zu ſagen!“ „Das iſt nicht viel: Sollen wir etwa gar die ver¬ kehrte Welt ſpielen und ſoll ich Ihnen den Hof machen und Ihnen angenehme Dinge ſagen, während Sie ſich zieren? Gut denn! Sie ſind in der That der hübſcheſte Mann, welcher ſeit langem dieſe Straße geritten, gefahren oder gegangen iſt!“ „Glauben Sie etwa, ich höre das ungern aus Ihrem Munde?“ „Das befürchte ich nicht im Geringſten! Zwar, wie ich Sie vorhin kommen ſah, dacht' ich: Gelobt ſei Gott, da nahet ſich endlich Einer, der nach was Rechtem aus¬ ſieht, ohne daran zu denken! Der reitet feſt in die Welt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/33
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/33>, abgerufen am 16.04.2024.