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Kepler, Johannes: Tertius interveniens. Franckfurt am Mäyn, 1610.

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stellen/ partes frumenti, vini, olei, mortis, &c. zusuchen. Nun kan ich nicht läugnen/ daß diß ein lächerliche Fantasey seye. Dann ein Mensch wird zumal mit Haut vnd Haar in einem Augenblick geboren: Das Jahr aber ist nicht ein solches gantzes Wesen/ sondern/ wann der Lentz angehet/ so ist der Sommer noch nicht da/ vnd so er kömpt/ dann ist der Lentz schon vergangen: Ein Mensch ist ein jrrdisches abgesondertes/ vnd von dem Himmel verenderliches Wesen: Das Jahr ist nichts anders dann die himmlische Läuffe selbsten/ dessen sein vermeynte Natiuitet/ das ist/ der erste Tag im Frühling/ ein Theil ist: Derowegen nit ein Tag dem andern zugebieten/ oder jhn zuverändern macht hat/ sondern sie alle zugleich müssen nach Göttlicher einmal bestellter ordnung ein jeder auff sein besondere weiß daher fliessen.

Ja spricht einer/ die Jahrs Reuolution gehet nicht eben vber das Jahr selbst/ sondern vber den Erdtboden/ welcher alle Jahr gleichsam von neuwem geboren wirdt.

Antwort/ deß Menschen Geburt hat einen augenscheinlichen Anfang/ wann er von seiner Mutter abgelöset/ vnnd für sich selber zu leben anfahet. Der Erdtboden aber sampt allen Bäumen/ Früchten vnd Gebürgen/ werden von einem Tag zum andern vor vnnd nach dem Eintritt der Sonnen in den Wider je länger je mehr oder weniger erhitzet/ erweychet/ befeuchtiget vnd verändert. Derowegen man nicht/ wie bey den Menschen/ den ersten Tag/ sondern die Constellation durch das gantze Jahr ansehen müste.

Wann aber schon diß verworffen wird/ so ist es darvmb nit allerding vmb die Astrologiam geschehen/ &c. So viel am selbigen ort.

Ferrners wirdt durch diese Vngewißheit der Rechnung/ wann man sie gleich Feselio zugebe/ die gar genaw außtheilung der zwölff himmlischen Zeichen erschüttert vnd vmbgestossen: Die habe ich aber gleichsfalls schon längst/ sonderlich in meinem Buch de stella noua serpentarii, mit vielen andern argumentis, verworffen/ ohn noht dieselbige allhie zu widerholen: Köndte sie aber also dahin/ crassiori Minerua, vor dieser von D. Feselio fürgestossener Vngewißheit der Astronomischen Obseruationum, gar wol behalten/ wann ich sonst nichts

Fijv

stellen/ partes frumenti, vini, olei, mortis, &c. zusuchen. Nun kan ich nicht läugnen/ daß diß ein lächerliche Fantasey seye. Dann ein Mensch wird zumal mit Haut vnd Haar in einem Augenblick geboren: Das Jahr aber ist nicht ein solches gantzes Wesen/ sondern/ wann der Lentz angehet/ so ist der Sommer noch nicht da/ vnd so er kömpt/ dann ist der Lentz schon vergangen: Ein Mensch ist ein jrrdisches abgesondertes/ vnd von dem Himmel verenderliches Wesen: Das Jahr ist nichts anders dann die himmlische Läuffe selbsten/ dessen sein vermeynte Natiuitet/ das ist/ der erste Tag im Frühling/ ein Theil ist: Derowegen nit ein Tag dem andern zugebieten/ oder jhn zuverändern macht hat/ sondern sie alle zugleich müssen nach Göttlicher einmal bestellter ordnung ein jeder auff sein besondere weiß daher fliessen.

Ja spricht einer/ die Jahrs Reuolution gehet nicht eben vber das Jahr selbst/ sondern vber den Erdtboden/ welcher alle Jahr gleichsam von neuwem geboren wirdt.

Antwort/ deß Menschen Geburt hat einen augenscheinlichen Anfang/ wann er von seiner Mutter abgelöset/ vnnd für sich selber zu leben anfahet. Der Erdtboden aber sampt allen Bäumen/ Früchten vnd Gebürgen/ werden von einem Tag zum andern vor vnnd nach dem Eintritt der Sonnen in den Wider je länger je mehr oder weniger erhitzet/ erweychet/ befeuchtiget vnd verändert. Derowegen man nicht/ wie bey den Menschen/ den ersten Tag/ sondern die Constellation durch das gantze Jahr ansehen müste.

Wann aber schon diß verworffen wird/ so ist es darvmb nit allerding vmb die Astrologiam geschehen/ &c. So viel am selbigen ort.

Ferrners wirdt durch diese Vngewißheit der Rechnung/ wann man sie gleich Feselio zugebe/ die gar genaw außtheilung der zwölff himmlischen Zeichen erschüttert vnd vmbgestossen: Die habe ich aber gleichsfalls schon längst/ sonderlich in meinem Buch de stella noua serpentarii, mit vielen andern argumentis, verworffen/ ohn noht dieselbige allhie zu widerholen: Köndte sie aber also dahin/ crassiori Minerua, vor dieser von D. Feselio fürgestossener Vngewißheit der Astronomischen Obseruationum, gar wol behalten/ wann ich sonst nichts

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[[Fijv]/0061] stellen/ partes frumenti, vini, olei, mortis, &c. zusuchen. Nun kan ich nicht läugnen/ daß diß ein lächerliche Fantasey seye. Dann ein Mensch wird zumal mit Haut vnd Haar in einem Augenblick geboren: Das Jahr aber ist nicht ein solches gantzes Wesen/ sondern/ wann der Lentz angehet/ so ist der Sommer noch nicht da/ vnd so er kömpt/ dann ist der Lentz schon vergangen: Ein Mensch ist ein jrrdisches abgesondertes/ vnd von dem Himmel verenderliches Wesen: Das Jahr ist nichts anders dann die himmlische Läuffe selbsten/ dessen sein vermeynte Natiuitet/ das ist/ der erste Tag im Frühling/ ein Theil ist: Derowegen nit ein Tag dem andern zugebieten/ oder jhn zuverändern macht hat/ sondern sie alle zugleich müssen nach Göttlicher einmal bestellter ordnung ein jeder auff sein besondere weiß daher fliessen. Ja spricht einer/ die Jahrs Reuolution gehet nicht eben vber das Jahr selbst/ sondern vber den Erdtboden/ welcher alle Jahr gleichsam von neuwem geboren wirdt. Antwort/ deß Menschen Geburt hat einen augenscheinlichen Anfang/ wann er von seiner Mutter abgelöset/ vnnd für sich selber zu leben anfahet. Der Erdtboden aber sampt allen Bäumen/ Früchten vnd Gebürgen/ werden von einem Tag zum andern vor vnnd nach dem Eintritt der Sonnen in den Wider je länger je mehr oder weniger erhitzet/ erweychet/ befeuchtiget vnd verändert. Derowegen man nicht/ wie bey den Menschen/ den ersten Tag/ sondern die Constellation durch das gantze Jahr ansehen müste. Wann aber schon diß verworffen wird/ so ist es darvmb nit allerding vmb die Astrologiam geschehen/ &c. So viel am selbigen ort. Ferrners wirdt durch diese Vngewißheit der Rechnung/ wann man sie gleich Feselio zugebe/ die gar genaw außtheilung der zwölff himmlischen Zeichen erschüttert vnd vmbgestossen: Die habe ich aber gleichsfalls schon längst/ sonderlich in meinem Buch de stella noua serpentarii, mit vielen andern argumentis, verworffen/ ohn noht dieselbige allhie zu widerholen: Köndte sie aber also dahin/ crassiori Minerua, vor dieser von D. Feselio fürgestossener Vngewißheit der Astronomischen Obseruationum, gar wol behalten/ wann ich sonst nichts Fijv

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-19T13:21:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Oliver Trübestein: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-19T13:21:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Nicolas Roudet: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-19T13:21:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Hannah Sophia Glaum: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-11-19T13:21:53Z)
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Signatur Nx 22 (1)) (2013-12-10T14:15:34Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

Als Leitdruck wurde ein gescannter Ausschnitt aus Johannes Kepler: Gesammelte Werke. Band IV herangezogen. Die beim Leitdruck genannte Bibliothek ist nur eine von vielen, die dieses Buch besitzt.

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Vollständigkeit: teilweise erfasst



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Zitationshilfe: Kepler, Johannes: Tertius interveniens. Franckfurt am Mäyn, 1610, S. [Fijv]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keppler_tertius_1610/61>, abgerufen am 27.04.2024.