Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

nen, muß die Offenbarung ergänzen, und sie ist es auch,
die uns im Evangelium das Reich des Satans und das
Reich Christi genügend lehrt. Durch sie erst erfahren wir die
Gegensätze, die in den Extremen liegen, wie Dämoneu
und Engel, Verdammniß und Seligkeit, Sünde
und Heiligkeit, Fluch und Segen
, welche mehr
bedeuten, als die Gegensätze, die innerhalb des Selbstbewußt-
seyns sich erzeugen, wie zwischen Guten und Bösen,
Strafe und Lohn, Laster und Tugend, Schaden
und Wohlthat
. Durch sie lernen wir erst die Idee des
wahren Gottes in uns aufnehmen und unser Verhältniß
zu ihm erkennen. Aber über Alles lehrt uns das christliche
Princip die Erfordernisse zum ewigen Leben, welche die
Weltweisheit aufzufinden seit Jahrtausenden vergeblich sich
bemühte.

Alles dieß zusammengenommen mag uns über-
zeugen, daß die Annahme einer Unnatur, wie
sie in den voranstehenden Geschichten geschil-
dert ist, keine blose Hypothese ist
.



Gestaltung der Unnatur.

Besitzung und Zauber ist das häßliche Zwillingspaar,
das aus der Unnatur aufsteigt und seine verhaßte Wirkungen
immer in die Menschen-Natur fortzuflanzen bereit ist. Es
erscheint hier eine Macht, die den Zusammenhang der Natur-
gesetze auflöst, und nicht mehr durch die Masse gebrochen
und durch die Dichtigkeit der Materie gehemmt wird. Schon
die Physik unterrichtet uns von Kräften, welche, unabhängig
von Masse und Dichtigkeit der Materie und zugleich insensibel
für alle Sinnen, ihre Wirkungen äußern, wie die Schwere
und besonders die physisch-magnetische Kraft. Diese ato-
mistische Kräfte sind kein Product der Körperwelt, sondern
erzeugen sich an ihrer Gränze als eine Polarkraft. Wird
nun eine solche Kraft durch einen Willen und zwar, nach
unserer Annahme, durch einen dämonischen potenziert, so

9 *

nen, muß die Offenbarung ergänzen, und ſie iſt es auch,
die uns im Evangelium das Reich des Satans und das
Reich Chriſti genügend lehrt. Durch ſie erſt erfahren wir die
Gegenſätze, die in den Extremen liegen, wie Dämoneu
und Engel, Verdammniß und Seligkeit, Sünde
und Heiligkeit, Fluch und Segen
, welche mehr
bedeuten, als die Gegenſätze, die innerhalb des Selbſtbewußt-
ſeyns ſich erzeugen, wie zwiſchen Guten und Böſen,
Strafe und Lohn, Laſter und Tugend, Schaden
und Wohlthat
. Durch ſie lernen wir erſt die Idee des
wahren Gottes in uns aufnehmen und unſer Verhältniß
zu ihm erkennen. Aber über Alles lehrt uns das chriſtliche
Princip die Erforderniſſe zum ewigen Leben, welche die
Weltweisheit aufzufinden ſeit Jahrtauſenden vergeblich ſich
bemühte.

Alles dieß zuſammengenommen mag uns über-
zeugen, daß die Annahme einer Unnatur, wie
ſie in den voranſtehenden Geſchichten geſchil-
dert iſt, keine bloſe Hypotheſe iſt
.



Geſtaltung der Unnatur.

Beſitzung und Zauber iſt das häßliche Zwillingspaar,
das aus der Unnatur aufſteigt und ſeine verhaßte Wirkungen
immer in die Menſchen-Natur fortzuflanzen bereit iſt. Es
erſcheint hier eine Macht, die den Zuſammenhang der Natur-
geſetze auflöst, und nicht mehr durch die Maſſe gebrochen
und durch die Dichtigkeit der Materie gehemmt wird. Schon
die Phyſik unterrichtet uns von Kräften, welche, unabhängig
von Maſſe und Dichtigkeit der Materie und zugleich inſenſibel
für alle Sinnen, ihre Wirkungen äußern, wie die Schwere
und beſonders die phyſiſch-magnetiſche Kraft. Dieſe ato-
miſtiſche Kräfte ſind kein Product der Körperwelt, ſondern
erzeugen ſich an ihrer Gränze als eine Polarkraft. Wird
nun eine ſolche Kraft durch einen Willen und zwar, nach
unſerer Annahme, durch einen dämoniſchen potenziert, ſo

9 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0145" n="131"/>
nen, muß die Offenbarung ergänzen, und &#x017F;ie i&#x017F;t es auch,<lb/>
die uns im Evangelium das Reich des Satans und das<lb/>
Reich Chri&#x017F;ti genügend lehrt. Durch &#x017F;ie er&#x017F;t erfahren wir die<lb/>
Gegen&#x017F;ätze, die in den Extremen liegen, <hi rendition="#g">wie Dämoneu<lb/>
und Engel, Verdammniß und Seligkeit, Sünde<lb/>
und Heiligkeit, Fluch und Segen</hi>, welche mehr<lb/>
bedeuten, als die Gegen&#x017F;ätze, die innerhalb des Selb&#x017F;tbewußt-<lb/>
&#x017F;eyns &#x017F;ich erzeugen, wie <hi rendition="#g">zwi&#x017F;chen Guten und Bö&#x017F;en,<lb/>
Strafe und Lohn, La&#x017F;ter und Tugend, Schaden<lb/>
und Wohlthat</hi>. Durch &#x017F;ie lernen wir er&#x017F;t die Idee des<lb/>
wahren Gottes in uns aufnehmen und un&#x017F;er Verhältniß<lb/>
zu ihm erkennen. Aber über Alles lehrt uns das chri&#x017F;tliche<lb/>
Princip die Erforderni&#x017F;&#x017F;e zum ewigen Leben, welche die<lb/>
Weltweisheit aufzufinden &#x017F;eit Jahrtau&#x017F;enden vergeblich &#x017F;ich<lb/>
bemühte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Alles dieß zu&#x017F;ammengenommen mag uns über-<lb/>
zeugen, daß die Annahme einer Unnatur, wie<lb/>
&#x017F;ie in den voran&#x017F;tehenden Ge&#x017F;chichten ge&#x017F;chil-<lb/>
dert i&#x017F;t, keine blo&#x017F;e Hypothe&#x017F;e i&#x017F;t</hi>.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Ge&#x017F;taltung der Unnatur</hi>.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Be&#x017F;itzung und Zauber</hi> i&#x017F;t das häßliche Zwillingspaar,<lb/>
das aus der Unnatur auf&#x017F;teigt und &#x017F;eine verhaßte Wirkungen<lb/>
immer in die Men&#x017F;chen-Natur fortzuflanzen bereit i&#x017F;t. Es<lb/>
er&#x017F;cheint hier eine Macht, die den Zu&#x017F;ammenhang der Natur-<lb/>
ge&#x017F;etze auflöst, und nicht mehr durch die Ma&#x017F;&#x017F;e gebrochen<lb/>
und durch die Dichtigkeit der Materie gehemmt wird. Schon<lb/>
die Phy&#x017F;ik unterrichtet uns von Kräften, welche, unabhängig<lb/>
von Ma&#x017F;&#x017F;e und Dichtigkeit der Materie und zugleich in&#x017F;en&#x017F;ibel<lb/>
für alle Sinnen, ihre Wirkungen äußern, wie die Schwere<lb/>
und be&#x017F;onders die phy&#x017F;i&#x017F;ch-magneti&#x017F;che Kraft. Die&#x017F;e ato-<lb/>
mi&#x017F;ti&#x017F;che Kräfte &#x017F;ind kein Product der Körperwelt, &#x017F;ondern<lb/>
erzeugen &#x017F;ich an ihrer Gränze als eine Polarkraft. Wird<lb/>
nun eine &#x017F;olche Kraft durch einen Willen und zwar, nach<lb/>
un&#x017F;erer Annahme, durch einen dämoni&#x017F;chen potenziert, &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9 *</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0145] nen, muß die Offenbarung ergänzen, und ſie iſt es auch, die uns im Evangelium das Reich des Satans und das Reich Chriſti genügend lehrt. Durch ſie erſt erfahren wir die Gegenſätze, die in den Extremen liegen, wie Dämoneu und Engel, Verdammniß und Seligkeit, Sünde und Heiligkeit, Fluch und Segen, welche mehr bedeuten, als die Gegenſätze, die innerhalb des Selbſtbewußt- ſeyns ſich erzeugen, wie zwiſchen Guten und Böſen, Strafe und Lohn, Laſter und Tugend, Schaden und Wohlthat. Durch ſie lernen wir erſt die Idee des wahren Gottes in uns aufnehmen und unſer Verhältniß zu ihm erkennen. Aber über Alles lehrt uns das chriſtliche Princip die Erforderniſſe zum ewigen Leben, welche die Weltweisheit aufzufinden ſeit Jahrtauſenden vergeblich ſich bemühte. Alles dieß zuſammengenommen mag uns über- zeugen, daß die Annahme einer Unnatur, wie ſie in den voranſtehenden Geſchichten geſchil- dert iſt, keine bloſe Hypotheſe iſt. Geſtaltung der Unnatur. Beſitzung und Zauber iſt das häßliche Zwillingspaar, das aus der Unnatur aufſteigt und ſeine verhaßte Wirkungen immer in die Menſchen-Natur fortzuflanzen bereit iſt. Es erſcheint hier eine Macht, die den Zuſammenhang der Natur- geſetze auflöst, und nicht mehr durch die Maſſe gebrochen und durch die Dichtigkeit der Materie gehemmt wird. Schon die Phyſik unterrichtet uns von Kräften, welche, unabhängig von Maſſe und Dichtigkeit der Materie und zugleich inſenſibel für alle Sinnen, ihre Wirkungen äußern, wie die Schwere und beſonders die phyſiſch-magnetiſche Kraft. Dieſe ato- miſtiſche Kräfte ſind kein Product der Körperwelt, ſondern erzeugen ſich an ihrer Gränze als eine Polarkraft. Wird nun eine ſolche Kraft durch einen Willen und zwar, nach unſerer Annahme, durch einen dämoniſchen potenziert, ſo 9 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/145
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/145>, abgerufen am 23.04.2024.