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Kettler, Hedwig Johanna: Gleiche Bildung für Mann und Frau! Weimar, 1891 (= Bibliothek der Frauenfrage, Bd. 6).

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Gleiche Bildung für Mann und Frau! klären: "Will die Frau eine andere Fibel, als sie bis jetzt gehabt hat, will sie dieselbe Fibel haben, wie der Mann, so muß sie uns erst die schönen Geschichten erzählen können, die darin stehen. Bis jetzt hat sie das noch nicht gekonnt; das beweist also, daß sie die neue Fibel auch gar nicht ver dient." Nun, meine Herrschaften, ich gestatte mir die ergebenste Bemerkung: "Wenn wir die neue Fibel, die wir uns wünschen, bereits auswendig kennten - dann brauchten wir sie uns ja garnicht erst noch zu wünschen." Wir sollen also bereits - die Sache ist nämlich sehr tiefsinnig! - wir sollen also bereits die Resultate einer Schulbildung aufweisen, um deren Gewährung wir heute noch petitionieren. Und daß wir das nicht können, das beweist, daß wir diese Schulbildung überhaupt garnicht wert sind. Verehrte Anwesende! Lassen Sie uns dafür sorgen, daß die Logik dieser Beweisführung in ihrer ganzen Hoheit der unparteiischen Kritik der Nachwelt überliefert werde; es wäre jammerschade, wenn sie ver loren ginge! "Was wollen diese Frauen?" fragen die Männer. "Bessere Schul bildung? Aber du lieber Himmel, sie eignen sich ja garnicht dafür, das sieht doch jeder, der es sehen will." ""Ja allerdings,"" erwidern wir ihnen, ""das sieht jeder, daß die Frauen, wie Jhr sie bisher erzogen habt, sich zu verschiedenem nicht eignen; darum gerade verlangen wir ja, daß sie von jetzt an besser erzogen werden. Das Mißtrauensvotum, das Jhr selbst Eurer Erziehungsmethode erteilt, indem Jhr deren Resultate verhöhnt, das ist denn doch wahrhaftig keine besondere Empfehlung für diese Methode, das ist im Gegenteil ein ganz besonderer Grund für die Erzogenen, die Verbesserung dieser Methode auf das dringendste zu fordern. Wenn der Erzieher selbst die Resultate seiner Erziehung einer so vernichtenden Kritik unterzieht, so muß doch diese Kritik eine wohlverdiente sein und gebieterisch Abhülfe fordern!"" Erst die Frau miserabel unterrichten und dann triumphierend sagen: "Nun seht einmal, wie miserabel das alles ist, was sie weiß; verlohnt es sich da vielleicht, sie besser zu unterrichten?" Nicht wahr, meine Damen, das dürfen wir, ohne unbescheiden zu sein, wohl sagen: "Wie dumm wir auch sein mögen, so dumm wären wir doch nicht, uns so zu blamieren!" Der Mann ist ein schlechter Erzieher für uns gewesen, aber das Schlechteste, was er gethan hat, ist, daß er für diese seine schlechte Er ziehung uns eine schlechte Zensur geschrieben hat. Sich selbst hätte er in das Zeugnis schreiben müssen "ungenügend, mangelhaft, schlecht," sich selbst, nicht uns und unserer Natur!
Gleiche Bildung für Mann und Frau! klären: „Will die Frau eine andere Fibel, als sie bis jetzt gehabt hat, will sie dieselbe Fibel haben, wie der Mann, so muß sie uns erst die schönen Geschichten erzählen können, die darin stehen. Bis jetzt hat sie das noch nicht gekonnt; das beweist also, daß sie die neue Fibel auch gar nicht ver­ dient.“ Nun, meine Herrschaften, ich gestatte mir die ergebenste Bemerkung: „Wenn wir die neue Fibel, die wir uns wünschen, bereits auswendig kennten – dann brauchten wir sie uns ja garnicht erst noch zu wünschen.“ Wir sollen also bereits – die Sache ist nämlich sehr tiefsinnig! – wir sollen also bereits die Resultate einer Schulbildung aufweisen, um deren Gewährung wir heute noch petitionieren. Und daß wir das nicht können, das beweist, daß wir diese Schulbildung überhaupt garnicht wert sind. Verehrte Anwesende! Lassen Sie uns dafür sorgen, daß die Logik dieser Beweisführung in ihrer ganzen Hoheit der unparteiischen Kritik der Nachwelt überliefert werde; es wäre jammerschade, wenn sie ver­ loren ginge! „Was wollen diese Frauen?“ fragen die Männer. „Bessere Schul­ bildung? Aber du lieber Himmel, sie eignen sich ja garnicht dafür, das sieht doch jeder, der es sehen will.“ „„Ja allerdings,““ erwidern wir ihnen, „„das sieht jeder, daß die Frauen, wie Jhr sie bisher erzogen habt, sich zu verschiedenem nicht eignen; darum gerade verlangen wir ja, daß sie von jetzt an besser erzogen werden. Das Mißtrauensvotum, das Jhr selbst Eurer Erziehungsmethode erteilt, indem Jhr deren Resultate verhöhnt, das ist denn doch wahrhaftig keine besondere Empfehlung für diese Methode, das ist im Gegenteil ein ganz besonderer Grund für die Erzogenen, die Verbesserung dieser Methode auf das dringendste zu fordern. Wenn der Erzieher selbst die Resultate seiner Erziehung einer so vernichtenden Kritik unterzieht, so muß doch diese Kritik eine wohlverdiente sein und gebieterisch Abhülfe fordern!““ Erst die Frau miserabel unterrichten und dann triumphierend sagen: „Nun seht einmal, wie miserabel das alles ist, was sie weiß; verlohnt es sich da vielleicht, sie besser zu unterrichten?“ Nicht wahr, meine Damen, das dürfen wir, ohne unbescheiden zu sein, wohl sagen: „Wie dumm wir auch sein mögen, so dumm wären wir doch nicht, uns so zu blamieren!“ Der Mann ist ein schlechter Erzieher für uns gewesen, aber das Schlechteste, was er gethan hat, ist, daß er für diese seine schlechte Er­ ziehung uns eine schlechte Zensur geschrieben hat. Sich selbst hätte er in das Zeugnis schreiben müssen „ungenügend, mangelhaft, schlecht,“ sich selbst, nicht uns und unserer Natur!
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Zitationshilfe: Kettler, Hedwig Johanna: Gleiche Bildung für Mann und Frau! Weimar, 1891 (= Bibliothek der Frauenfrage, Bd. 6), S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kettler_bildung_1891/12>, abgerufen am 24.04.2024.