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Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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schen Ausführung seiner Vorschläge vermochte auch kein Gegner zu widerstehen, und er war im Geiste der Fürst seines Kreises, obwohl an äußerer Stellung und an Reichthum der alte Schultheiß noch über ihm stand.

Jenen Schatz von Kenntnissen nun, dem er sein Lebensglück dankte, wollte er um jeden Preis auch seiner ganzen Familie ins Leben mitgeben. Er hatte neun Kinder und sah also voraus, daß von seinem Erbe auf jedes doch nur ein kleines Theil fallen werde, daß sie also gleich ihm wieder unten anfangen müßten, wenn sie es in der Welt zu etwas Rechtem bringen wollten. Die Söhne nahm er selbst in seine Schule, gewöhnte sie von früh auf an eigenes kräftiges Zugreifen bei der Feldarbeit, führte sie schon als Knaben mit auf die Jagd und theilte ihnen alle Vortheile mit, die sich dem Landleben und der allnährenden Erde abgewinnen lassen. Dann mußten sie, die Kinder eines wohlbegüterten Landmannes, dennoch ohne Ausnahme für ein paar Jahre als Knecht auf großen Gütern bei tüchtigen Gutsbesitzern eintreten: denn beim Militär hatte der Alte gelernt, daß nur, wer vortrefflich gehorchen gelernt hat, hernach vortrefflich zu befehlen versteht. Dann aber, mit klugem Blicke die zu große Zahl der Bevölkerung in einem rauhen, wenig ergiebigen Lande wägend, schloß er sich, einer der Ersten, mit Rath und That an die große Auswanderung nach Amerika an, welche noch jetzt von jenen Gegenden abströmt. Die beiden ältesten Söhne gingen, trotz den Thränen der Mutter, mit

schen Ausführung seiner Vorschläge vermochte auch kein Gegner zu widerstehen, und er war im Geiste der Fürst seines Kreises, obwohl an äußerer Stellung und an Reichthum der alte Schultheiß noch über ihm stand.

Jenen Schatz von Kenntnissen nun, dem er sein Lebensglück dankte, wollte er um jeden Preis auch seiner ganzen Familie ins Leben mitgeben. Er hatte neun Kinder und sah also voraus, daß von seinem Erbe auf jedes doch nur ein kleines Theil fallen werde, daß sie also gleich ihm wieder unten anfangen müßten, wenn sie es in der Welt zu etwas Rechtem bringen wollten. Die Söhne nahm er selbst in seine Schule, gewöhnte sie von früh auf an eigenes kräftiges Zugreifen bei der Feldarbeit, führte sie schon als Knaben mit auf die Jagd und theilte ihnen alle Vortheile mit, die sich dem Landleben und der allnährenden Erde abgewinnen lassen. Dann mußten sie, die Kinder eines wohlbegüterten Landmannes, dennoch ohne Ausnahme für ein paar Jahre als Knecht auf großen Gütern bei tüchtigen Gutsbesitzern eintreten: denn beim Militär hatte der Alte gelernt, daß nur, wer vortrefflich gehorchen gelernt hat, hernach vortrefflich zu befehlen versteht. Dann aber, mit klugem Blicke die zu große Zahl der Bevölkerung in einem rauhen, wenig ergiebigen Lande wägend, schloß er sich, einer der Ersten, mit Rath und That an die große Auswanderung nach Amerika an, welche noch jetzt von jenen Gegenden abströmt. Die beiden ältesten Söhne gingen, trotz den Thränen der Mutter, mit

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:40:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:40:10Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kinkel_margret_1910/13>, abgerufen am 25.04.2024.