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Klein, Felix: Über Riemann's Theorie der Algebraischen Functionen und ihrer Integrale. Leipzig, 1882.

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solche Function nicht existirt, oder vielmehr, dass sie sich auf eine Constante reducirt.

Und in der That ist dieser Beweis nicht schwierig. Was eine Durchführung desselben in strenger Form betrifft, so will ich mich darauf beschränken, zu bemerken, dass dieselbe mit Hülfe des verallgemeinerten Green'schen Satzes gelingt. Die folgenden Betrachtungen sollen auf anschauungsmässigem Wege dieselbe Unmöglichkeit darthun. Mag man dieselben wegen der unbestimmten Form, die sie besitzen, vielleicht auch nicht als zwingend erachten, so scheint es doch nützlich, auch in dieser Weise den Gründen für das Bestehen jenes Theoremes nachzugehen.

Wir mögen den besonderen Fall vorweg nehmen und uns also fragen, wesshalb auf der Kugel eine einförmige, überall endliche Strömung unmöglich ist. Das Zweckmässigste scheint es zu sein, den Verlauf der Strömungscurven auf der Kugel zu verfolgen. Da Unendlichkeitspuncte nicht auftreten sollen, so kann eine Strömungscurve nicht plötzlich abbrechen, wie es in einem Quellenpuncte, oder in einem algebraischen Unstetigkeitspuncte geschieht. Ueberdiess halte man vor Augen, dass neben einander herlaufende Strömungscurven nothwendig gleichen Strömungssinn haben. Man erkennt dann, dass nur zweierlei Arten von nicht abbrechenden Strömungscurven möglich sind. Entweder die Curve windet sich, je länger um so enger, um einen asymptotischen Punct -- dann haben wir wieder einen Unendlichkeitspunct --, oder die Curve ist geschlossen. Ist aber eine Strömungscurve geschlossen, so sind es die nächstfolgenden auch. Dabei schliessen sie einen kleineren und kleineren Theil der Kugelfläche ein. Es kann also nicht fehlen, dass man zu einem Wirbelpuncte, d. h. abermals zu einem Unendlichkeitspuncte geführt wird. Eine überall endliche Strömung ist also in der That unmöglich. Allerdings haben wir der Möglichkeit nicht gedacht, die in dem Auftreten von Kreuzungspuncten liegt. Diese Puncte sind jedenfalls nur, wie oben hervorgehoben, in endlicher Zahl vorhanden. Es wird also nur eine endliche Zahl von Strömungscurven

Wegen dieses Satzes siehe Beltrami, 1. c. p. 354.
Ich will übrigens daran erinnern, dass man auch den Green'schen Satz anschauungsmässig begründen kann. Vgl. Tait, On Green's and allied other theorems, Edinburgh Transactions, 1869--70, p. 69 ff.

solche Function nicht existirt, oder vielmehr, dass sie sich auf eine Constante reducirt.

Und in der That ist dieser Beweis nicht schwierig. Was eine Durchführung desselben in strenger Form betrifft, so will ich mich darauf beschränken, zu bemerken, dass dieselbe mit Hülfe des verallgemeinerten Green'schen Satzes gelingt. Die folgenden Betrachtungen sollen auf anschauungsmässigem Wege dieselbe Unmöglichkeit darthun. Mag man dieselben wegen der unbestimmten Form, die sie besitzen, vielleicht auch nicht als zwingend erachten, so scheint es doch nützlich, auch in dieser Weise den Gründen für das Bestehen jenes Theoremes nachzugehen.

Wir mögen den besonderen Fall vorweg nehmen und uns also fragen, wesshalb auf der Kugel eine einförmige, überall endliche Strömung unmöglich ist. Das Zweckmässigste scheint es zu sein, den Verlauf der Strömungscurven auf der Kugel zu verfolgen. Da Unendlichkeitspuncte nicht auftreten sollen, so kann eine Strömungscurve nicht plötzlich abbrechen, wie es in einem Quellenpuncte, oder in einem algebraischen Unstetigkeitspuncte geschieht. Ueberdiess halte man vor Augen, dass neben einander herlaufende Strömungscurven nothwendig gleichen Strömungssinn haben. Man erkennt dann, dass nur zweierlei Arten von nicht abbrechenden Strömungscurven möglich sind. Entweder die Curve windet sich, je länger um so enger, um einen asymptotischen Punct — dann haben wir wieder einen Unendlichkeitspunct —, oder die Curve ist geschlossen. Ist aber eine Strömungscurve geschlossen, so sind es die nächstfolgenden auch. Dabei schliessen sie einen kleineren und kleineren Theil der Kugelfläche ein. Es kann also nicht fehlen, dass man zu einem Wirbelpuncte, d. h. abermals zu einem Unendlichkeitspuncte geführt wird. Eine überall endliche Strömung ist also in der That unmöglich. Allerdings haben wir der Möglichkeit nicht gedacht, die in dem Auftreten von Kreuzungspuncten liegt. Diese Puncte sind jedenfalls nur, wie oben hervorgehoben, in endlicher Zahl vorhanden. Es wird also nur eine endliche Zahl von Strömungscurven

Wegen dieses Satzes siehe Beltrami, 1. c. p. 354.
Ich will übrigens daran erinnern, dass man auch den Green'schen Satz anschauungsmässig begründen kann. Vgl. Tait, On Green's and allied other theorems, Edinburgh Transactions, 1869—70, p. 69 ff.
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 sollen, so kann eine Strömungscurve nicht plötzlich abbrechen,
 wie es in einem Quellenpuncte, oder in einem algebraischen
 Unstetigkeitspuncte geschieht. Ueberdiess halte man vor Augen,
 dass neben einander herlaufende Strömungscurven nothwendig
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[33/0041] solche Function nicht existirt, oder vielmehr, dass sie sich auf eine Constante reducirt. Und in der That ist dieser Beweis nicht schwierig. Was eine Durchführung desselben in strenger Form betrifft, so will ich mich darauf beschränken, zu bemerken, dass dieselbe mit Hülfe des verallgemeinerten Green'schen Satzes gelingt . Die folgenden Betrachtungen sollen auf anschauungsmässigem Wege dieselbe Unmöglichkeit darthun. Mag man dieselben wegen der unbestimmten Form, die sie besitzen, vielleicht auch nicht als zwingend erachten , so scheint es doch nützlich, auch in dieser Weise den Gründen für das Bestehen jenes Theoremes nachzugehen. Wir mögen den besonderen Fall [FORMEL] vorweg nehmen und uns also fragen, wesshalb auf der Kugel eine einförmige, überall endliche Strömung unmöglich ist. Das Zweckmässigste scheint es zu sein, den Verlauf der Strömungscurven auf der Kugel zu verfolgen. Da Unendlichkeitspuncte nicht auftreten sollen, so kann eine Strömungscurve nicht plötzlich abbrechen, wie es in einem Quellenpuncte, oder in einem algebraischen Unstetigkeitspuncte geschieht. Ueberdiess halte man vor Augen, dass neben einander herlaufende Strömungscurven nothwendig gleichen Strömungssinn haben. Man erkennt dann, dass nur zweierlei Arten von nicht abbrechenden Strömungscurven möglich sind. Entweder die Curve windet sich, je länger um so enger, um einen asymptotischen Punct — dann haben wir wieder einen Unendlichkeitspunct —, oder die Curve ist geschlossen. Ist aber eine Strömungscurve geschlossen, so sind es die nächstfolgenden auch. Dabei schliessen sie einen kleineren und kleineren Theil der Kugelfläche ein. Es kann also nicht fehlen, dass man zu einem Wirbelpuncte, d. h. abermals zu einem Unendlichkeitspuncte geführt wird. Eine überall endliche Strömung ist also in der That unmöglich. Allerdings haben wir der Möglichkeit nicht gedacht, die in dem Auftreten von Kreuzungspuncten liegt. Diese Puncte sind jedenfalls nur, wie oben hervorgehoben, in endlicher Zahl vorhanden. Es wird also nur eine endliche Zahl von Strömungscurven Wegen dieses Satzes siehe Beltrami, 1. c. p. 354. Ich will übrigens daran erinnern, dass man auch den Green'schen Satz anschauungsmässig begründen kann. Vgl. Tait, On Green's and allied other theorems, Edinburgh Transactions, 1869—70, p. 69 ff.

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Zitationshilfe: Klein, Felix: Über Riemann's Theorie der Algebraischen Functionen und ihrer Integrale. Leipzig, 1882, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klein_riemann_1882/41>, abgerufen am 25.04.2024.