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Kleist, Heinrich von: Die Schlacht bei Fehrbellin. Berlin, 1822.

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Prinz Arthur (nimmt ihre Hand.)
Ich, Fräulein, übernehme eure Sache!
Ein Engel will ich, mit dem Flammenschwert,
An eures Throns verwais'ten Stufen stehn!
Der Kurfürst wollte, eh das Jahr noch wechselt,
Befreit die Marken sehn; wohlan! ich will der
Vollstrecker solchen letzten Willens seyn!
Natalie.
Mein lieber, theurer Vetter!
(sie zieht ihre Hand zurück.)
Prinz Arthur.
O Natalie!
(er hält einen Augenblick inne.)
Wie denkt ihr über eure Zukunft jetzt?
Natalie.
Ja, was soll ich, nach diesem Wetterschlag,
Der unter mir den Grund zerreißt, beginnen?
Mir ruht der Vater, mir die theure Mutter,
Im Grab zu Amsterdam; in Schutt und Asche
Liegt Dortrecht, meines Hauses Erbe, da;
Gedrängt von Spaniens Tyrannenheeren,
Weiß Moritz kaum, mein Vetter von Oranien,
Wo er die eignen Kinder retten soll;
Und jetzt sinkt mir die letzte Stütze nieder,
Die meines Glückes Rebe aufrecht hielt.
Ich ward zum zweitenmale heut verwais't!
Prinz Arthur (schlägt einen Arm um ihren Leib.)
O meine Freundin! Wäre diese Stunde
Der Trauer nicht geweiht, so wollt' ich sagen:
Schlingt eure Zweige hier um diese Brust,
Um sie, die schon seit Jahren, einsam blühend,
Nach eurer Blüthen holden Duft sich sehnt!
Natalie.
Mein lieber, guter Vetter!
Prinz Arthur (nimmt ihre Hand.)
Ich, Fräulein, übernehme eure Sache!
Ein Engel will ich, mit dem Flammenſchwert,
An eures Throns verwaiſ’ten Stufen ſtehn!
Der Kurfürſt wollte, eh das Jahr noch wechſelt,
Befreit die Marken ſehn; wohlan! ich will der
Vollſtrecker ſolchen letzten Willens ſeyn!
Natalie.
Mein lieber, theurer Vetter!
(ſie zieht ihre Hand zurück.)
Prinz Arthur.
O Natalie!
(er hält einen Augenblick inne.)
Wie denkt ihr über eure Zukunft jetzt?
Natalie.
Ja, was ſoll ich, nach dieſem Wetterſchlag,
Der unter mir den Grund zerreißt, beginnen?
Mir ruht der Vater, mir die theure Mutter,
Im Grab zu Amſterdam; in Schutt und Aſche
Liegt Dortrecht, meines Hauſes Erbe, da;
Gedrängt von Spaniens Tyrannenheeren,
Weiß Moritz kaum, mein Vetter von Oranien,
Wo er die eignen Kinder retten ſoll;
Und jetzt ſinkt mir die letzte Stütze nieder,
Die meines Glückes Rebe aufrecht hielt.
Ich ward zum zweitenmale heut verwaiſ’t!
Prinz Arthur (ſchlägt einen Arm um ihren Leib.)
O meine Freundin! Wäre dieſe Stunde
Der Trauer nicht geweiht, ſo wollt’ ich ſagen:
Schlingt eure Zweige hier um dieſe Bruſt,
Um ſie, die ſchon ſeit Jahren, einſam blühend,
Nach eurer Blüthen holden Duft ſich ſehnt!
Natalie.
Mein lieber, guter Vetter!
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[37/0050] Prinz Arthur (nimmt ihre Hand.) Ich, Fräulein, übernehme eure Sache! Ein Engel will ich, mit dem Flammenſchwert, An eures Throns verwaiſ’ten Stufen ſtehn! Der Kurfürſt wollte, eh das Jahr noch wechſelt, Befreit die Marken ſehn; wohlan! ich will der Vollſtrecker ſolchen letzten Willens ſeyn! Natalie. Mein lieber, theurer Vetter! (ſie zieht ihre Hand zurück.) Prinz Arthur. O Natalie! (er hält einen Augenblick inne.) Wie denkt ihr über eure Zukunft jetzt? Natalie. Ja, was ſoll ich, nach dieſem Wetterſchlag, Der unter mir den Grund zerreißt, beginnen? Mir ruht der Vater, mir die theure Mutter, Im Grab zu Amſterdam; in Schutt und Aſche Liegt Dortrecht, meines Hauſes Erbe, da; Gedrängt von Spaniens Tyrannenheeren, Weiß Moritz kaum, mein Vetter von Oranien, Wo er die eignen Kinder retten ſoll; Und jetzt ſinkt mir die letzte Stütze nieder, Die meines Glückes Rebe aufrecht hielt. Ich ward zum zweitenmale heut verwaiſ’t! Prinz Arthur (ſchlägt einen Arm um ihren Leib.) O meine Freundin! Wäre dieſe Stunde Der Trauer nicht geweiht, ſo wollt’ ich ſagen: Schlingt eure Zweige hier um dieſe Bruſt, Um ſie, die ſchon ſeit Jahren, einſam blühend, Nach eurer Blüthen holden Duft ſich ſehnt! Natalie. Mein lieber, guter Vetter!

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Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Die Schlacht bei Fehrbellin. Berlin, 1822, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_fehrbellin_1822/50>, abgerufen am 28.03.2024.