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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

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Der Teufel hütete sich sehr, Fausten etwas
von ihm vorher zu sagen, ihm war darum
zu thun, sein Herz durch scheußliche Erfah-
rung, Schlag auf Schlag zu zerknirschen,
und ihm den Himmel bey jedem Schritt im
Leben immer verdächtiger zu machen, um
ihm alsdann den fürchterlichsten Streich bey-
zubringen, der je einen Menschen getroffen,
der übermüthig gegen die Gränzen seiner
Natur angestoßen, die eine mächtige Hand
vor seinen Horizont gestellt hat. Leider
fand er in den Thaten der Menschen Stoff
genug dazu, und weisere Leute als Faust
haben, ohne Gesellschaft des Teufels, an
dieser gefährlichen Klippe gestrandet, wenn
sie einmal vergaßen, daß Ergebung in sein
Schicksal, die erste Forderung der Natur
an den Menschen sey, und wenn Güte und
Nachsicht nicht den Grundstoff ihres We-
sens ausmachten, deren milder Schimmer
allein die schwarzen Gemählde der Welter-
fahrung aufheitern kann. Faust wußte von
Frankreichs König nichts, als daß er sich

den

Der Teufel huͤtete ſich ſehr, Fauſten etwas
von ihm vorher zu ſagen, ihm war darum
zu thun, ſein Herz durch ſcheußliche Erfah-
rung, Schlag auf Schlag zu zerknirſchen,
und ihm den Himmel bey jedem Schritt im
Leben immer verdaͤchtiger zu machen, um
ihm alsdann den fuͤrchterlichſten Streich bey-
zubringen, der je einen Menſchen getroffen,
der uͤbermuͤthig gegen die Graͤnzen ſeiner
Natur angeſtoßen, die eine maͤchtige Hand
vor ſeinen Horizont geſtellt hat. Leider
fand er in den Thaten der Menſchen Stoff
genug dazu, und weiſere Leute als Fauſt
haben, ohne Geſellſchaft des Teufels, an
dieſer gefaͤhrlichen Klippe geſtrandet, wenn
ſie einmal vergaßen, daß Ergebung in ſein
Schickſal, die erſte Forderung der Natur
an den Menſchen ſey, und wenn Guͤte und
Nachſicht nicht den Grundſtoff ihres We-
ſens ausmachten, deren milder Schimmer
allein die ſchwarzen Gemaͤhlde der Welter-
fahrung aufheitern kann. Fauſt wußte von
Frankreichs Koͤnig nichts, als daß er ſich

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[242/0253] Der Teufel huͤtete ſich ſehr, Fauſten etwas von ihm vorher zu ſagen, ihm war darum zu thun, ſein Herz durch ſcheußliche Erfah- rung, Schlag auf Schlag zu zerknirſchen, und ihm den Himmel bey jedem Schritt im Leben immer verdaͤchtiger zu machen, um ihm alsdann den fuͤrchterlichſten Streich bey- zubringen, der je einen Menſchen getroffen, der uͤbermuͤthig gegen die Graͤnzen ſeiner Natur angeſtoßen, die eine maͤchtige Hand vor ſeinen Horizont geſtellt hat. Leider fand er in den Thaten der Menſchen Stoff genug dazu, und weiſere Leute als Fauſt haben, ohne Geſellſchaft des Teufels, an dieſer gefaͤhrlichen Klippe geſtrandet, wenn ſie einmal vergaßen, daß Ergebung in ſein Schickſal, die erſte Forderung der Natur an den Menſchen ſey, und wenn Guͤte und Nachſicht nicht den Grundſtoff ihres We- ſens ausmachten, deren milder Schimmer allein die ſchwarzen Gemaͤhlde der Welter- fahrung aufheitern kann. Fauſt wußte von Frankreichs Koͤnig nichts, als daß er ſich den

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/253>, abgerufen am 23.04.2024.