Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.

Und Jakobi; Maria, die Mutter der Zebedäiden;
Und du, deren Schwester, die izt, den Besten der Menschen,
Jhren einigen Sohn, am langsamtödtenden Kreuz sah,
Auch Maria genannt; die waren von denen, die näher
Kamen zum Kreuz, als viele, die auch den Göttlichen liebten!

Magdale Maria war auf die Erde gesunken.
Sehnsuchtvoll, zu sterben, nun auch zu sterben! entriß sie
Jeder Hofnung, ieder Erinnrung der Wunder des Mittlers
Sich mit Ungestüm! ward von ihrer Traurigkeit Strome
Unaufhörlich ergriffen, und fortgeschleudert. So lag sie
Auf dem Hügel, und füllte mit ihrer Klage den Himmel!
Sie zu trösten geneigt, obgleich selbst trostlos, redet
Joses sanfte Mutter sie an, und verstummt im Reden.
Bleich stand in der dämmernden Nacht der Zebedäiden
Klagende Mutter. Sie rang die Hände gen Himmel, und blickte
Starr hinauf: Ob, selber die göttliche Rache, noch säume?
Ganz von Schmerzen betäubt, und so vor Traurigkeit sprachlos,
Daß die schwache Lindrung der Seufzer, auch die ihr versagt war,
Kniete nicht fern von Maria, der Mutter des göttlichen Dulders,
Jhre Schwester, und sah in der Nacht den Blutenden schweben!
Keiner beklagt wehmütiger diese Beängsteten, keiner
Herzlicher, als der gerettete, mitgekreuzigte Jüngling.
Aber

Der Meſſias.

Und Jakobi; Maria, die Mutter der Zebedaͤiden;
Und du, deren Schweſter, die izt, den Beſten der Menſchen,
Jhren einigen Sohn, am langſamtoͤdtenden Kreuz ſah,
Auch Maria genannt; die waren von denen, die naͤher
Kamen zum Kreuz, als viele, die auch den Goͤttlichen liebten!

Magdale Maria war auf die Erde geſunken.
Sehnſuchtvoll, zu ſterben, nun auch zu ſterben! entriß ſie
Jeder Hofnung, ieder Erinnrung der Wunder des Mittlers
Sich mit Ungeſtuͤm! ward von ihrer Traurigkeit Strome
Unaufhoͤrlich ergriffen, und fortgeſchleudert. So lag ſie
Auf dem Huͤgel, und fuͤllte mit ihrer Klage den Himmel!
Sie zu troͤſten geneigt, obgleich ſelbſt troſtlos, redet
Joſes ſanfte Mutter ſie an, und verſtummt im Reden.
Bleich ſtand in der daͤmmernden Nacht der Zebedaͤiden
Klagende Mutter. Sie rang die Haͤnde gen Himmel, und blickte
Starr hinauf: Ob, ſelber die goͤttliche Rache, noch ſaͤume?
Ganz von Schmerzen betaͤubt, und ſo vor Traurigkeit ſprachlos,
Daß die ſchwache Lindrung der Seufzer, auch die ihr verſagt war,
Kniete nicht fern von Maria, der Mutter des goͤttlichen Dulders,
Jhre Schweſter, und ſah in der Nacht den Blutenden ſchweben!
Keiner beklagt wehmuͤtiger dieſe Beaͤngſteten, keiner
Herzlicher, als der gerettete, mitgekreuzigte Juͤngling.
Aber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="9">
              <l>
                <pb facs="#f0126" n="98"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Und Jakobi; Maria, die Mutter der Zebeda&#x0364;iden;</l><lb/>
              <l>Und du, deren Schwe&#x017F;ter, die izt, den Be&#x017F;ten der Men&#x017F;chen,</l><lb/>
              <l>Jhren einigen Sohn, am lang&#x017F;amto&#x0364;dtenden Kreuz &#x017F;ah,</l><lb/>
              <l>Auch Maria genannt; die waren von denen, die na&#x0364;her</l><lb/>
              <l>Kamen zum Kreuz, als viele, die auch den Go&#x0364;ttlichen liebten!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>Magdale Maria war auf die Erde ge&#x017F;unken.</l><lb/>
              <l>Sehn&#x017F;uchtvoll, zu &#x017F;terben, nun auch zu &#x017F;terben! entriß &#x017F;ie</l><lb/>
              <l>Jeder Hofnung, ieder Erinnrung der Wunder des Mittlers</l><lb/>
              <l>Sich mit Unge&#x017F;tu&#x0364;m! ward von ihrer Traurigkeit Strome</l><lb/>
              <l>Unaufho&#x0364;rlich ergriffen, und fortge&#x017F;chleudert. So lag &#x017F;ie</l><lb/>
              <l>Auf dem Hu&#x0364;gel, und fu&#x0364;llte mit ihrer Klage den Himmel!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l>Sie zu tro&#x0364;&#x017F;ten geneigt, obgleich &#x017F;elb&#x017F;t tro&#x017F;tlos, redet</l><lb/>
              <l>Jo&#x017F;es &#x017F;anfte Mutter &#x017F;ie an, und ver&#x017F;tummt im Reden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="12">
              <l>Bleich &#x017F;tand in der da&#x0364;mmernden Nacht der Zebeda&#x0364;iden</l><lb/>
              <l>Klagende Mutter. Sie rang die Ha&#x0364;nde gen Himmel, und blickte</l><lb/>
              <l>Starr hinauf: Ob, &#x017F;elber die go&#x0364;ttliche Rache, noch &#x017F;a&#x0364;ume?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="13">
              <l>Ganz von Schmerzen beta&#x0364;ubt, und &#x017F;o vor Traurigkeit &#x017F;prachlos,</l><lb/>
              <l>Daß die &#x017F;chwache Lindrung der Seufzer, auch die ihr ver&#x017F;agt war,</l><lb/>
              <l>Kniete nicht fern von Maria, der Mutter des go&#x0364;ttlichen Dulders,</l><lb/>
              <l>Jhre Schwe&#x017F;ter, und &#x017F;ah in der Nacht den Blutenden &#x017F;chweben!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="14">
              <l>Keiner beklagt wehmu&#x0364;tiger die&#x017F;e Bea&#x0364;ng&#x017F;teten, keiner</l><lb/>
              <l>Herzlicher, als der gerettete, mitgekreuzigte Ju&#x0364;ngling.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Aber</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0126] Der Meſſias. Und Jakobi; Maria, die Mutter der Zebedaͤiden; Und du, deren Schweſter, die izt, den Beſten der Menſchen, Jhren einigen Sohn, am langſamtoͤdtenden Kreuz ſah, Auch Maria genannt; die waren von denen, die naͤher Kamen zum Kreuz, als viele, die auch den Goͤttlichen liebten! Magdale Maria war auf die Erde geſunken. Sehnſuchtvoll, zu ſterben, nun auch zu ſterben! entriß ſie Jeder Hofnung, ieder Erinnrung der Wunder des Mittlers Sich mit Ungeſtuͤm! ward von ihrer Traurigkeit Strome Unaufhoͤrlich ergriffen, und fortgeſchleudert. So lag ſie Auf dem Huͤgel, und fuͤllte mit ihrer Klage den Himmel! Sie zu troͤſten geneigt, obgleich ſelbſt troſtlos, redet Joſes ſanfte Mutter ſie an, und verſtummt im Reden. Bleich ſtand in der daͤmmernden Nacht der Zebedaͤiden Klagende Mutter. Sie rang die Haͤnde gen Himmel, und blickte Starr hinauf: Ob, ſelber die goͤttliche Rache, noch ſaͤume? Ganz von Schmerzen betaͤubt, und ſo vor Traurigkeit ſprachlos, Daß die ſchwache Lindrung der Seufzer, auch die ihr verſagt war, Kniete nicht fern von Maria, der Mutter des goͤttlichen Dulders, Jhre Schweſter, und ſah in der Nacht den Blutenden ſchweben! Keiner beklagt wehmuͤtiger dieſe Beaͤngſteten, keiner Herzlicher, als der gerettete, mitgekreuzigte Juͤngling. Aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/126
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/126>, abgerufen am 25.04.2024.