Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.

Unentheiligt vom Stolze! Der Gottmensch würdigt ihn, also
Zu erwiedern: Jch lehrt' im Tempel, frey vor dem Volke,
Frey vor den Lehrern im Volk! Du fragst mich! Frage die Hörer!

Als er noch sprach, drang Philo herein. Da fuhr die Versammlung
Ungestüm auf; da that ein Knecht, mit knechtischer Seele,
Eine That, die niedrig genung war, Unmenschlichkeiten
Zu verkündigen. Philo gebot, den Empörer zu nehmen,
Jhn dem Todesurtheil entgegen zu führen. Sie thatens.
Als ihn Johannes in Philo Gewalt sah, dekt' ihm des Todes
Blässe die Wang', und Dunkel sein Auge; da bebt' er; da brach ihm
Jn der Wehmut sein Herz! Zuletzt, da er aus dem Palaste
Zitterte, sieht er von fern die wehenden Fackeln: Jch folge,
Nein, ich folge dir nicht, ich bebe dir nach, o du Bester
Unter den Menschen! Jsts aber in Gottes Rathe beschlossen,
Must du sterben; so laß, den meine Seele geliebt hat,
Den ich liebe, mit viel mehr Liebe, wie Liebe der Brüder,
Laß mich mit dir, du Heiligster, sterben! Nur daß nicht mein Auge
Deine brechenden Augen, nicht deinen Todesschweiß, sehe!
Jch des Verstummenden Segen, den lezten, lezten, nicht höre!
Würger, wo bin ich? Jst hier kein Retter? kein Retter auf Erden?
Keiner im Himmel? Und schlummert ihr auch, die über ihm saugen,
Als sie dem Tode, (das dachtest du nicht, du liebende Mutter!)
Diesem entsezlichen Tod ihn gebahr! ... Du nur bist Retter,
Du bist Helfer allein, du der Todten und Lebenden Helfer!
Vater der Menschen, erbarme dich meiner, und laß ihn nicht sterben,
Laß ihn nicht sterben, den Besten von Adams Kindern! Den Würgern,
Gieb den grausamen Würgern ein Herz, das Menschlichkeit fühle?)
Ach,

Der Meſſias.

Unentheiligt vom Stolze! Der Gottmenſch wuͤrdigt ihn, alſo
Zu erwiedern: Jch lehrt’ im Tempel, frey vor dem Volke,
Frey vor den Lehrern im Volk! Du fragſt mich! Frage die Hoͤrer!

Als er noch ſprach, drang Philo herein. Da fuhr die Verſammlung
Ungeſtuͤm auf; da that ein Knecht, mit knechtiſcher Seele,
Eine That, die niedrig genung war, Unmenſchlichkeiten
Zu verkuͤndigen. Philo gebot, den Empoͤrer zu nehmen,
Jhn dem Todesurtheil entgegen zu fuͤhren. Sie thatens.
Als ihn Johannes in Philo Gewalt ſah, dekt’ ihm des Todes
Blaͤſſe die Wang’, und Dunkel ſein Auge; da bebt’ er; da brach ihm
Jn der Wehmut ſein Herz! Zuletzt, da er aus dem Palaſte
Zitterte, ſieht er von fern die wehenden Fackeln: Jch folge,
Nein, ich folge dir nicht, ich bebe dir nach, o du Beſter
Unter den Menſchen! Jſts aber in Gottes Rathe beſchloſſen,
Muſt du ſterben; ſo laß, den meine Seele geliebt hat,
Den ich liebe, mit viel mehr Liebe, wie Liebe der Bruͤder,
Laß mich mit dir, du Heiligſter, ſterben! Nur daß nicht mein Auge
Deine brechenden Augen, nicht deinen Todesſchweiß, ſehe!
Jch des Verſtummenden Segen, den lezten, lezten, nicht hoͤre!
Wuͤrger, wo bin ich? Jſt hier kein Retter? kein Retter auf Erden?
Keiner im Himmel? Und ſchlummert ihr auch, die uͤber ihm ſaugen,
Als ſie dem Tode, (das dachteſt du nicht, du liebende Mutter!)
Dieſem entſezlichen Tod ihn gebahr! … Du nur biſt Retter,
Du biſt Helfer allein, du der Todten und Lebenden Helfer!
Vater der Menſchen, erbarme dich meiner, und laß ihn nicht ſterben,
Laß ihn nicht ſterben, den Beſten von Adams Kindern! Den Wuͤrgern,
Gieb den grauſamen Wuͤrgern ein Herz, das Menſchlichkeit fuͤhle?)
Ach,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="12">
              <l>
                <pb facs="#f0032" n="10"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Unentheiligt vom Stolze! Der Gottmen&#x017F;ch wu&#x0364;rdigt ihn, al&#x017F;o</l><lb/>
              <l>Zu erwiedern: Jch lehrt&#x2019; im Tempel, frey vor dem Volke,</l><lb/>
              <l>Frey vor den Lehrern im Volk! Du frag&#x017F;t mich! Frage die Ho&#x0364;rer!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="13">
              <l>Als er noch &#x017F;prach, drang Philo herein. Da fuhr die Ver&#x017F;ammlung</l><lb/>
              <l>Unge&#x017F;tu&#x0364;m auf; da that ein Knecht, mit knechti&#x017F;cher Seele,</l><lb/>
              <l>Eine That, die niedrig genung war, Unmen&#x017F;chlichkeiten</l><lb/>
              <l>Zu verku&#x0364;ndigen. Philo gebot, den Empo&#x0364;rer zu nehmen,</l><lb/>
              <l>Jhn dem Todesurtheil entgegen zu fu&#x0364;hren. Sie thatens.</l><lb/>
              <l>Als ihn Johannes in Philo Gewalt &#x017F;ah, dekt&#x2019; ihm des Todes</l><lb/>
              <l>Bla&#x0364;&#x017F;&#x017F;e die Wang&#x2019;, und Dunkel &#x017F;ein Auge; da bebt&#x2019; er; da brach ihm</l><lb/>
              <l>Jn der Wehmut &#x017F;ein Herz! Zuletzt, da er aus dem Pala&#x017F;te</l><lb/>
              <l>Zitterte, &#x017F;ieht er von fern die wehenden Fackeln: Jch folge,</l><lb/>
              <l>Nein, ich folge dir nicht, ich bebe dir nach, o du Be&#x017F;ter</l><lb/>
              <l>Unter den Men&#x017F;chen! J&#x017F;ts aber in Gottes Rathe be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Mu&#x017F;t du &#x017F;terben; &#x017F;o laß, den meine Seele geliebt hat,</l><lb/>
              <l>Den ich liebe, mit viel mehr Liebe, wie Liebe der Bru&#x0364;der,</l><lb/>
              <l>Laß mich mit dir, du Heilig&#x017F;ter, &#x017F;terben! Nur daß nicht mein Auge</l><lb/>
              <l>Deine brechenden Augen, nicht deinen Todes&#x017F;chweiß, &#x017F;ehe!</l><lb/>
              <l>Jch des Ver&#x017F;tummenden Segen, den lezten, lezten, nicht ho&#x0364;re!</l><lb/>
              <l>Wu&#x0364;rger, wo bin ich? J&#x017F;t hier kein Retter? kein Retter auf Erden?</l><lb/>
              <l>Keiner im Himmel? Und &#x017F;chlummert ihr auch, die u&#x0364;ber ihm &#x017F;augen,</l><lb/>
              <l>Als &#x017F;ie dem Tode, (das dachte&#x017F;t du nicht, du liebende Mutter!)</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;em ent&#x017F;ezlichen Tod ihn gebahr! &#x2026; Du nur bi&#x017F;t Retter,</l><lb/>
              <l>Du bi&#x017F;t Helfer allein, du der Todten und Lebenden Helfer!</l><lb/>
              <l>Vater der Men&#x017F;chen, erbarme dich meiner, und laß ihn nicht &#x017F;terben,</l><lb/>
              <l>Laß ihn nicht &#x017F;terben, den Be&#x017F;ten von Adams Kindern! Den Wu&#x0364;rgern,</l><lb/>
              <l>Gieb den grau&#x017F;amen Wu&#x0364;rgern ein Herz, das Men&#x017F;chlichkeit fu&#x0364;hle?)<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ach,</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0032] Der Meſſias. Unentheiligt vom Stolze! Der Gottmenſch wuͤrdigt ihn, alſo Zu erwiedern: Jch lehrt’ im Tempel, frey vor dem Volke, Frey vor den Lehrern im Volk! Du fragſt mich! Frage die Hoͤrer! Als er noch ſprach, drang Philo herein. Da fuhr die Verſammlung Ungeſtuͤm auf; da that ein Knecht, mit knechtiſcher Seele, Eine That, die niedrig genung war, Unmenſchlichkeiten Zu verkuͤndigen. Philo gebot, den Empoͤrer zu nehmen, Jhn dem Todesurtheil entgegen zu fuͤhren. Sie thatens. Als ihn Johannes in Philo Gewalt ſah, dekt’ ihm des Todes Blaͤſſe die Wang’, und Dunkel ſein Auge; da bebt’ er; da brach ihm Jn der Wehmut ſein Herz! Zuletzt, da er aus dem Palaſte Zitterte, ſieht er von fern die wehenden Fackeln: Jch folge, Nein, ich folge dir nicht, ich bebe dir nach, o du Beſter Unter den Menſchen! Jſts aber in Gottes Rathe beſchloſſen, Muſt du ſterben; ſo laß, den meine Seele geliebt hat, Den ich liebe, mit viel mehr Liebe, wie Liebe der Bruͤder, Laß mich mit dir, du Heiligſter, ſterben! Nur daß nicht mein Auge Deine brechenden Augen, nicht deinen Todesſchweiß, ſehe! Jch des Verſtummenden Segen, den lezten, lezten, nicht hoͤre! Wuͤrger, wo bin ich? Jſt hier kein Retter? kein Retter auf Erden? Keiner im Himmel? Und ſchlummert ihr auch, die uͤber ihm ſaugen, Als ſie dem Tode, (das dachteſt du nicht, du liebende Mutter!) Dieſem entſezlichen Tod ihn gebahr! … Du nur biſt Retter, Du biſt Helfer allein, du der Todten und Lebenden Helfer! Vater der Menſchen, erbarme dich meiner, und laß ihn nicht ſterben, Laß ihn nicht ſterben, den Beſten von Adams Kindern! Den Wuͤrgern, Gieb den grauſamen Wuͤrgern ein Herz, das Menſchlichkeit fuͤhle?) Ach,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/32
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/32>, abgerufen am 19.04.2024.