Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Als ... Wie staun' ich mich an, daß ich itzt wieder bin,
Der ich war! wie entzückt über die Wandlungen
Meines Schicksals, wie dankbar
Wallt mein freudiges Herz in mir!
Nichts Unedles, kein Stolz (ihm ist mein Herz zu groß!)
Nicht betäubtes Gefühl; aber was ist es denn,
Das mich heitert? O Tugend,
Sanfte Tugend, belohnst du mich?
Doch bist du es allein? oder (o darf ichs auch
Mir vertrauen?) entschlüpft, Tugend, an deiner Hand
Nicht ein Mädchen der Unschuld
Deinen Höhn, und erscheinet mir?
Sanft im Traume des Schlafs, sanfter im wachenden,
Daß ich, wenn es vor mir eilend vorüber schlüpft,
Stamml', und schweig', und beginne:
Warum eilst du? ich liebe dich!
Ach, du kennst ja mein Herz, wie es geliebet hat!
Gleicht ein Herz ihm? Vielleicht gleichet dein Herz
ihm nur!

Darum liebe mich, Cidli,
Denn ich lernte die Liebe dir!
Dich zu finden, ach dich, lernt' ich die Liebe, sie,
Die mein steigendes Herz himmlisch erweiterte,
Nun in süßeren Träumen
Mich in Edens Gefilde trägt!

Die
G 4

Als … Wie ſtaun’ ich mich an, daß ich itzt wieder bin,
Der ich war! wie entzuͤckt uͤber die Wandlungen
Meines Schickſals, wie dankbar
Wallt mein freudiges Herz in mir!
Nichts Unedles, kein Stolz (ihm iſt mein Herz zu groß!)
Nicht betaͤubtes Gefuͤhl; aber was iſt es denn,
Das mich heitert? O Tugend,
Sanfte Tugend, belohnſt du mich?
Doch biſt du es allein? oder (o darf ichs auch
Mir vertrauen?) entſchluͤpft, Tugend, an deiner Hand
Nicht ein Maͤdchen der Unſchuld
Deinen Hoͤhn, und erſcheinet mir?
Sanft im Traume des Schlafs, ſanfter im wachenden,
Daß ich, wenn es vor mir eilend voruͤber ſchluͤpft,
Stamml’, und ſchweig’, und beginne:
Warum eilſt du? ich liebe dich!
Ach, du kennſt ja mein Herz, wie es geliebet hat!
Gleicht ein Herz ihm? Vielleicht gleichet dein Herz
ihm nur!

Darum liebe mich, Cidli,
Denn ich lernte die Liebe dir!
Dich zu finden, ach dich, lernt’ ich die Liebe, ſie,
Die mein ſteigendes Herz himmliſch erweiterte,
Nun in ſuͤßeren Traͤumen
Mich in Edens Gefilde traͤgt!

Die
G 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg>
            <pb facs="#f0111" n="103"/>
            <lg n="26">
              <l><hi rendition="#in">A</hi>ls &#x2026; Wie &#x017F;taun&#x2019; ich mich an, daß ich itzt wieder bin,</l><lb/>
              <l>Der ich war! wie entzu&#x0364;ckt u&#x0364;ber die Wandlungen</l><lb/>
              <l>Meines Schick&#x017F;als, wie dankbar</l><lb/>
              <l>Wallt mein freudiges Herz in mir!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="27">
              <l><hi rendition="#in">N</hi>ichts Unedles, kein Stolz (ihm i&#x017F;t mein Herz zu groß!)</l><lb/>
              <l>Nicht beta&#x0364;ubtes Gefu&#x0364;hl; aber was i&#x017F;t es denn,</l><lb/>
              <l>Das mich heitert? O Tugend,</l><lb/>
              <l>Sanfte Tugend, belohn&#x017F;t du mich?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="28">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>och bi&#x017F;t du es allein? oder (o darf ichs auch</l><lb/>
              <l>Mir vertrauen?) ent&#x017F;chlu&#x0364;pft, Tugend, an deiner Hand</l><lb/>
              <l>Nicht ein Ma&#x0364;dchen der Un&#x017F;chuld</l><lb/>
              <l>Deinen Ho&#x0364;hn, und er&#x017F;cheinet mir?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="29">
              <l><hi rendition="#in">S</hi>anft im Traume des Schlafs, &#x017F;anfter im wachenden,</l><lb/>
              <l>Daß ich, wenn es vor mir eilend voru&#x0364;ber &#x017F;chlu&#x0364;pft,</l><lb/>
              <l>Stamml&#x2019;, und &#x017F;chweig&#x2019;, und beginne:</l><lb/>
              <l>Warum eil&#x017F;t du? ich liebe dich!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="30">
              <l><hi rendition="#in">A</hi>ch, du kenn&#x017F;t ja mein Herz, wie es geliebet hat!</l><lb/>
              <l>Gleicht ein Herz ihm? Vielleicht gleichet dein Herz<lb/><hi rendition="#et">ihm nur!</hi></l><lb/>
              <l>Darum liebe mich, Cidli,</l><lb/>
              <l>Denn ich lernte die Liebe dir!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="31">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>ich zu finden, ach dich, lernt&#x2019; ich die Liebe, &#x017F;ie,</l><lb/>
              <l>Die mein &#x017F;teigendes Herz himmli&#x017F;ch erweiterte,</l><lb/>
              <l>Nun in &#x017F;u&#x0364;ßeren Tra&#x0364;umen</l><lb/>
              <l>Mich in Edens Gefilde tra&#x0364;gt!</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">G 4</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Die</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0111] Als … Wie ſtaun’ ich mich an, daß ich itzt wieder bin, Der ich war! wie entzuͤckt uͤber die Wandlungen Meines Schickſals, wie dankbar Wallt mein freudiges Herz in mir! Nichts Unedles, kein Stolz (ihm iſt mein Herz zu groß!) Nicht betaͤubtes Gefuͤhl; aber was iſt es denn, Das mich heitert? O Tugend, Sanfte Tugend, belohnſt du mich? Doch biſt du es allein? oder (o darf ichs auch Mir vertrauen?) entſchluͤpft, Tugend, an deiner Hand Nicht ein Maͤdchen der Unſchuld Deinen Hoͤhn, und erſcheinet mir? Sanft im Traume des Schlafs, ſanfter im wachenden, Daß ich, wenn es vor mir eilend voruͤber ſchluͤpft, Stamml’, und ſchweig’, und beginne: Warum eilſt du? ich liebe dich! Ach, du kennſt ja mein Herz, wie es geliebet hat! Gleicht ein Herz ihm? Vielleicht gleichet dein Herz ihm nur! Darum liebe mich, Cidli, Denn ich lernte die Liebe dir! Dich zu finden, ach dich, lernt’ ich die Liebe, ſie, Die mein ſteigendes Herz himmliſch erweiterte, Nun in ſuͤßeren Traͤumen Mich in Edens Gefilde traͤgt! Die G 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771/111
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771/111>, abgerufen am 25.04.2024.