Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Ach sie sinkt mir, ich hab es gewagt!
Es zittert die Hand mir die Saiten herunter;
Schone, schone! Wie wehet dein heiliger Kranz,
Wie gehst du den Gang der Unsterblichen daher.
Ich seh ein sanftes Lächeln,
Das schnell das Herz mir entlastet;
Ich sing es mit dankendem Freuderuf dem Widerhall,
Daß dieses Lächeln mir ward!
Früh hab ich dir mich geweiht! Schon da mein Herz
Den ersten Schlag der Ehrbegierde schlug,
Erkohr ich, unter den Lanzen und Harnischen
Heinrich, deinen Befreyer, zu singen.
Allein ich sah die höhere Bahn,
Und, entflammt von mehr, denn nur Ehrbegier,
Zog ich weit sie vor. Sie führet hinauf
Zu dem Vaterlande des Menschengeschlechts!
Noch geh ich sie, und wenn ich auf ihr
Des Sterblichen Bürden erliege;
So wend ich mich seitwärts, und nehme des Bar-
den Leyer,

Und singe, o Vaterland, dich dir!
Du pflanzetest dem, der denket, und ihm, der handelt!
Weit schattet, und kühl dein Hain,
Steht, und spottet des Sturmes der Zeit,
Spottet der Büsch um sich her!

Wen

Ach ſie ſinkt mir, ich hab es gewagt!
Es zittert die Hand mir die Saiten herunter;
Schone, ſchone! Wie wehet dein heiliger Kranz,
Wie gehſt du den Gang der Unſterblichen daher.
Ich ſeh ein ſanftes Laͤcheln,
Das ſchnell das Herz mir entlaſtet;
Ich ſing es mit dankendem Freuderuf dem Widerhall,
Daß dieſes Laͤcheln mir ward!
Fruͤh hab ich dir mich geweiht! Schon da mein Herz
Den erſten Schlag der Ehrbegierde ſchlug,
Erkohr ich, unter den Lanzen und Harniſchen
Heinrich, deinen Befreyer, zu ſingen.
Allein ich ſah die hoͤhere Bahn,
Und, entflammt von mehr, denn nur Ehrbegier,
Zog ich weit ſie vor. Sie fuͤhret hinauf
Zu dem Vaterlande des Menſchengeſchlechts!
Noch geh ich ſie, und wenn ich auf ihr
Des Sterblichen Buͤrden erliege;
So wend ich mich ſeitwaͤrts, und nehme des Bar-
den Leyer,

Und ſinge, o Vaterland, dich dir!
Du pflanzeteſt dem, der denket, und ihm, der handelt!
Weit ſchattet, und kuͤhl dein Hain,
Steht, und ſpottet des Sturmes der Zeit,
Spottet der Buͤſch um ſich her!

Wen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg>
            <pb facs="#f0218" n="210"/>
            <lg n="384">
              <l><hi rendition="#in">A</hi>ch &#x017F;ie &#x017F;inkt mir, ich hab es gewagt!</l><lb/>
              <l>Es zittert die Hand mir die Saiten herunter;</l><lb/>
              <l>Schone, &#x017F;chone! Wie wehet dein heiliger Kranz,</l><lb/>
              <l>Wie geh&#x017F;t du den Gang der Un&#x017F;terblichen daher.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="385">
              <l><hi rendition="#in">I</hi>ch &#x017F;eh ein &#x017F;anftes La&#x0364;cheln,</l><lb/>
              <l>Das &#x017F;chnell das Herz mir entla&#x017F;tet;</l><lb/>
              <l>Ich &#x017F;ing es mit dankendem Freuderuf dem Widerhall,</l><lb/>
              <l>Daß die&#x017F;es La&#x0364;cheln mir ward!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="386">
              <l><hi rendition="#in">F</hi>ru&#x0364;h hab ich dir mich geweiht! Schon da mein Herz</l><lb/>
              <l>Den er&#x017F;ten Schlag der Ehrbegierde &#x017F;chlug,</l><lb/>
              <l>Erkohr ich, unter den Lanzen und Harni&#x017F;chen</l><lb/>
              <l>Heinrich, deinen Befreyer, zu &#x017F;ingen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="387">
              <l><hi rendition="#in">A</hi>llein ich &#x017F;ah die ho&#x0364;here Bahn,</l><lb/>
              <l>Und, entflammt von mehr, denn nur Ehrbegier,</l><lb/>
              <l>Zog ich weit &#x017F;ie vor. Sie fu&#x0364;hret hinauf</l><lb/>
              <l>Zu dem Vaterlande des Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechts!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="388">
              <l><hi rendition="#in">N</hi>och geh ich &#x017F;ie, und wenn ich auf ihr</l><lb/>
              <l>Des Sterblichen Bu&#x0364;rden erliege;</l><lb/>
              <l>So wend ich mich &#x017F;eitwa&#x0364;rts, und nehme des Bar-<lb/><hi rendition="#et">den Leyer,</hi></l><lb/>
              <l>Und &#x017F;inge, o Vaterland, dich dir!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="389">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>u pflanzete&#x017F;t dem, der denket, und ihm, der handelt!</l><lb/>
              <l>Weit &#x017F;chattet, und ku&#x0364;hl dein Hain,</l><lb/>
              <l>Steht, und &#x017F;pottet des Sturmes der Zeit,</l><lb/>
              <l>Spottet der Bu&#x0364;&#x017F;ch um &#x017F;ich her!</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Wen</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0218] Ach ſie ſinkt mir, ich hab es gewagt! Es zittert die Hand mir die Saiten herunter; Schone, ſchone! Wie wehet dein heiliger Kranz, Wie gehſt du den Gang der Unſterblichen daher. Ich ſeh ein ſanftes Laͤcheln, Das ſchnell das Herz mir entlaſtet; Ich ſing es mit dankendem Freuderuf dem Widerhall, Daß dieſes Laͤcheln mir ward! Fruͤh hab ich dir mich geweiht! Schon da mein Herz Den erſten Schlag der Ehrbegierde ſchlug, Erkohr ich, unter den Lanzen und Harniſchen Heinrich, deinen Befreyer, zu ſingen. Allein ich ſah die hoͤhere Bahn, Und, entflammt von mehr, denn nur Ehrbegier, Zog ich weit ſie vor. Sie fuͤhret hinauf Zu dem Vaterlande des Menſchengeſchlechts! Noch geh ich ſie, und wenn ich auf ihr Des Sterblichen Buͤrden erliege; So wend ich mich ſeitwaͤrts, und nehme des Bar- den Leyer, Und ſinge, o Vaterland, dich dir! Du pflanzeteſt dem, der denket, und ihm, der handelt! Weit ſchattet, und kuͤhl dein Hain, Steht, und ſpottet des Sturmes der Zeit, Spottet der Buͤſch um ſich her! Wen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771/218
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771/218>, abgerufen am 23.04.2024.