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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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I. Einleitung. §. 5. Angriffe auf das geistige Eigenthum.
die, dass dieselben Angriffe, welche gegen das literarische Ei-
genthum ohne Erfolg gerichtet werden, sich ebenfalls als un-
haltbar erweisen müssen, soweit sie gegen den Rechtsschutz
der Erfindungen, gegen das geistige Eigenthum in irgend wel-
cher Art gerichtet werden. Und von diesem Gesichtspunkte
betrachtet haben die Ausführungen Carey's neben dem Ver-
dienste einer blendenden advocatorischen Beredsamkeit auch
einen relativen materiellen Werth. Der Kern seiner Argu-
mentation lässt sich in den folgenden Sätzen wiedergeben:1)

"Die Thatsachen oder Gedanken, welche ein Buch enthält,
bilden den Körper. Die Sprache, in welcher dieselben dem Leser
mitgetheilt werden, bildet sozusagen die Bekleidung des Körpers.
Für die erstere wird aber kein Verlagsrecht gewährt. -- Coper-
nikus widmete sein Leben dem Studium zahlreicher Thatsachen,
mittelst welcher er zuletzt in den Stand gesetzt wurde, der Welt
Kenntniss von der grossen Thatsache zu geben, dass sich die Erde
um die Sonne bewegt. Allein von dem Augenblicke der Veröffent-
lichung dieser Thatsache an hatte er nicht mehr Eigenthumsrecht
daran, als die heftigsten seiner Gegner. -- Newton verwendete
viele Jahre seines Lebens auf die Abfassung seiner Principia und
doch hatte er kein Verlagsrecht für dieselben, ausgenommen für
die blosse Bekleidung, in welcher seine Gedanken der Welt vorge-
legt wurden. Der Körper war Gemeingut. Ebenso verhielt es sich
mit Bacon und Locke, mit Leibnitz und Descartes, mit Franklin,
Priestley und Davy, mit Quesnay, Turgot und Adam Smith, mit
Lamarck und Cuvier und mit allen übrigen Männern, welche dazu
beigetragen haben, die Wissenschaft auf die Höhe zu bringen, auf
der sie jetzt angelangt ist. Sie hatten kein Eigenthumsrecht auf
ihre Ideen. Wenn sie arbeiteten, so geschah es aus Wissensdrang.
Sie konnten keine pecuniäre Belohnung erwarten und hatten nicht
einmal auf Nachruhm begründete Aussicht. -- Owen hätte glück-
lich im Genusse eines beträchtlichen Vermögens leben können, wenn
er sich nicht neue Ansichten über die Gesellschaft gebildet und
das Bestreben, seine Ideen auch practisch durchzuführen, ihm sein
ganzes Vermögen gekostet hätte. -- Ebensowenig würden ihm jetzt
seine Bücher einen Schilling eintragen, weil spätere Schriftsteller
dieselben der Welt in anderem und anziehenderem Gewande vor-
legen. Dasselbe gilt von den Büchern aller der Männer, die ich

1) Dührings Uebersetzung S. 7 ff.

I. Einleitung. §. 5. Angriffe auf das geistige Eigenthum.
die, dass dieselben Angriffe, welche gegen das literarische Ei-
genthum ohne Erfolg gerichtet werden, sich ebenfalls als un-
haltbar erweisen müssen, soweit sie gegen den Rechtsschutz
der Erfindungen, gegen das geistige Eigenthum in irgend wel-
cher Art gerichtet werden. Und von diesem Gesichtspunkte
betrachtet haben die Ausführungen Carey’s neben dem Ver-
dienste einer blendenden advocatorischen Beredsamkeit auch
einen relativen materiellen Werth. Der Kern seiner Argu-
mentation lässt sich in den folgenden Sätzen wiedergeben:1)

„Die Thatsachen oder Gedanken, welche ein Buch enthält,
bilden den Körper. Die Sprache, in welcher dieselben dem Leser
mitgetheilt werden, bildet sozusagen die Bekleidung des Körpers.
Für die erstere wird aber kein Verlagsrecht gewährt. — Coper-
nikus widmete sein Leben dem Studium zahlreicher Thatsachen,
mittelst welcher er zuletzt in den Stand gesetzt wurde, der Welt
Kenntniss von der grossen Thatsache zu geben, dass sich die Erde
um die Sonne bewegt. Allein von dem Augenblicke der Veröffent-
lichung dieser Thatsache an hatte er nicht mehr Eigenthumsrecht
daran, als die heftigsten seiner Gegner. — Newton verwendete
viele Jahre seines Lebens auf die Abfassung seiner Principia und
doch hatte er kein Verlagsrecht für dieselben, ausgenommen für
die blosse Bekleidung, in welcher seine Gedanken der Welt vorge-
legt wurden. Der Körper war Gemeingut. Ebenso verhielt es sich
mit Bacon und Locke, mit Leibnitz und Descartes, mit Franklin,
Priestley und Davy, mit Quesnay, Turgot und Adam Smith, mit
Lamarck und Cuvier und mit allen übrigen Männern, welche dazu
beigetragen haben, die Wissenschaft auf die Höhe zu bringen, auf
der sie jetzt angelangt ist. Sie hatten kein Eigenthumsrecht auf
ihre Ideen. Wenn sie arbeiteten, so geschah es aus Wissensdrang.
Sie konnten keine pecuniäre Belohnung erwarten und hatten nicht
einmal auf Nachruhm begründete Aussicht. — Owen hätte glück-
lich im Genusse eines beträchtlichen Vermögens leben können, wenn
er sich nicht neue Ansichten über die Gesellschaft gebildet und
das Bestreben, seine Ideen auch practisch durchzuführen, ihm sein
ganzes Vermögen gekostet hätte. — Ebensowenig würden ihm jetzt
seine Bücher einen Schilling eintragen, weil spätere Schriftsteller
dieselben der Welt in anderem und anziehenderem Gewande vor-
legen. Dasselbe gilt von den Büchern aller der Männer, die ich

1) Dührings Uebersetzung S. 7 ff.
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[26/0042] I. Einleitung. §. 5. Angriffe auf das geistige Eigenthum. die, dass dieselben Angriffe, welche gegen das literarische Ei- genthum ohne Erfolg gerichtet werden, sich ebenfalls als un- haltbar erweisen müssen, soweit sie gegen den Rechtsschutz der Erfindungen, gegen das geistige Eigenthum in irgend wel- cher Art gerichtet werden. Und von diesem Gesichtspunkte betrachtet haben die Ausführungen Carey’s neben dem Ver- dienste einer blendenden advocatorischen Beredsamkeit auch einen relativen materiellen Werth. Der Kern seiner Argu- mentation lässt sich in den folgenden Sätzen wiedergeben: 1) „Die Thatsachen oder Gedanken, welche ein Buch enthält, bilden den Körper. Die Sprache, in welcher dieselben dem Leser mitgetheilt werden, bildet sozusagen die Bekleidung des Körpers. Für die erstere wird aber kein Verlagsrecht gewährt. — Coper- nikus widmete sein Leben dem Studium zahlreicher Thatsachen, mittelst welcher er zuletzt in den Stand gesetzt wurde, der Welt Kenntniss von der grossen Thatsache zu geben, dass sich die Erde um die Sonne bewegt. Allein von dem Augenblicke der Veröffent- lichung dieser Thatsache an hatte er nicht mehr Eigenthumsrecht daran, als die heftigsten seiner Gegner. — Newton verwendete viele Jahre seines Lebens auf die Abfassung seiner Principia und doch hatte er kein Verlagsrecht für dieselben, ausgenommen für die blosse Bekleidung, in welcher seine Gedanken der Welt vorge- legt wurden. Der Körper war Gemeingut. Ebenso verhielt es sich mit Bacon und Locke, mit Leibnitz und Descartes, mit Franklin, Priestley und Davy, mit Quesnay, Turgot und Adam Smith, mit Lamarck und Cuvier und mit allen übrigen Männern, welche dazu beigetragen haben, die Wissenschaft auf die Höhe zu bringen, auf der sie jetzt angelangt ist. Sie hatten kein Eigenthumsrecht auf ihre Ideen. Wenn sie arbeiteten, so geschah es aus Wissensdrang. Sie konnten keine pecuniäre Belohnung erwarten und hatten nicht einmal auf Nachruhm begründete Aussicht. — Owen hätte glück- lich im Genusse eines beträchtlichen Vermögens leben können, wenn er sich nicht neue Ansichten über die Gesellschaft gebildet und das Bestreben, seine Ideen auch practisch durchzuführen, ihm sein ganzes Vermögen gekostet hätte. — Ebensowenig würden ihm jetzt seine Bücher einen Schilling eintragen, weil spätere Schriftsteller dieselben der Welt in anderem und anziehenderem Gewande vor- legen. Dasselbe gilt von den Büchern aller der Männer, die ich 1) Dührings Uebersetzung S. 7 ff.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/42>, abgerufen am 28.03.2024.