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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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Einleitung.
und den Zweck der Erfindungspatente berührenden Fragen ein-
zugehen.

Dass Erfindungen überhaupt befördert werden sollen, wird
von Niemand in Abrede gestellt. Ebensowenig wird bestritten,
dass der mächtigste Antrieb zur Erfindung und Verbesserung
in den aus ihrer Ausführung gehofften Früchten besteht. Es
ist richtig, dass diese Früchte unsichere sind, dass sie auch im
günstigen Falle so spät reifen, dass zuweilen trotz des Patent-
schutzes der Erfinder selbst ihrer nicht mehr geniesst und nicht
sich selbst, sondern nur die Mitwelt und die Nachwelt durch seine
Erfindung bereichert. Allein man wird zugeben, dass jeder mit
der Rechtsordnung und mit der Gewerbefreiheit verträgliche
Schutz, welcher dem Erfinder den eigenen Genuss der Vortheile
seiner Erfindung sichert, den Antrieb zu den Erfindungen ver-
stärkt und dadurch für die Gesammtheit fruchtbar werden
kann. Weite Landstrecken werden in dem freien Amerika,
welches dem Ansiedler das Eigenthum des urbar gemachten
Bodens sichert, in kürzester Frist besiedelt, während ebenso
fruchtbare Landstriche in den despotischen Staaten des Orientes
durch Jahrhunderte unbebaut bleiben. So ist auch dasjenige
Zeitalter und dasjenige Land an Erfindungen das ärmste, in
welchem der Erfinder nicht hoffen darf, die Früchte seiner Er-
findung für sich selbst zu ziehen. Dies gilt nicht bloss für solche
staatliche Zustände, in welchen der Arbeiter überhaupt nicht
der freie Herr seiner Thätigkeit ist, nicht bloss für den Ver-
gleich der Sclavenstaaten oder des Zeitalters der Zünftigkeit
und der Hörigkeit mit den auf Freiheit der Arbeit und des
Gewerbes begründeten Zuständen. Auch unter den freien Län-
dern ragen unbestritten diejenigen, welche seit Jahrhunderten
sich eines ausgebildeten Schutzes der Erfindungen erfreuen,
durch bemerkenswerthe Fortschritte in der Gewerbthätigkeit
hervor; und dies gilt ausser von England auch von den Ver-
einigten Staaten von Nordamerika, die bei ihrer dünnen Be-
völkerung und ihrem noch zum grössten Theile unangebauten
Boden vorwiegend auf die Rohproduction angewiesen sind und
dennoch in der eigentlichen Technik vielleicht die grössten
Fortschritte unter allen Ländern aufzuweisen haben.

Dabei liegt die Auffassung fern, als ob durch die blosse
Einführung eines gut geregelten Patentschutzes ein industrie-
armes Land zu einem gewerbreichen umgeschaffen, oder ein

Einleitung.
und den Zweck der Erfindungspatente berührenden Fragen ein-
zugehen.

Dass Erfindungen überhaupt befördert werden sollen, wird
von Niemand in Abrede gestellt. Ebensowenig wird bestritten,
dass der mächtigste Antrieb zur Erfindung und Verbesserung
in den aus ihrer Ausführung gehofften Früchten besteht. Es
ist richtig, dass diese Früchte unsichere sind, dass sie auch im
günstigen Falle so spät reifen, dass zuweilen trotz des Patent-
schutzes der Erfinder selbst ihrer nicht mehr geniesst und nicht
sich selbst, sondern nur die Mitwelt und die Nachwelt durch seine
Erfindung bereichert. Allein man wird zugeben, dass jeder mit
der Rechtsordnung und mit der Gewerbefreiheit verträgliche
Schutz, welcher dem Erfinder den eigenen Genuss der Vortheile
seiner Erfindung sichert, den Antrieb zu den Erfindungen ver-
stärkt und dadurch für die Gesammtheit fruchtbar werden
kann. Weite Landstrecken werden in dem freien Amerika,
welches dem Ansiedler das Eigenthum des urbar gemachten
Bodens sichert, in kürzester Frist besiedelt, während ebenso
fruchtbare Landstriche in den despotischen Staaten des Orientes
durch Jahrhunderte unbebaut bleiben. So ist auch dasjenige
Zeitalter und dasjenige Land an Erfindungen das ärmste, in
welchem der Erfinder nicht hoffen darf, die Früchte seiner Er-
findung für sich selbst zu ziehen. Dies gilt nicht bloss für solche
staatliche Zustände, in welchen der Arbeiter überhaupt nicht
der freie Herr seiner Thätigkeit ist, nicht bloss für den Ver-
gleich der Sclavenstaaten oder des Zeitalters der Zünftigkeit
und der Hörigkeit mit den auf Freiheit der Arbeit und des
Gewerbes begründeten Zuständen. Auch unter den freien Län-
dern ragen unbestritten diejenigen, welche seit Jahrhunderten
sich eines ausgebildeten Schutzes der Erfindungen erfreuen,
durch bemerkenswerthe Fortschritte in der Gewerbthätigkeit
hervor; und dies gilt ausser von England auch von den Ver-
einigten Staaten von Nordamerika, die bei ihrer dünnen Be-
völkerung und ihrem noch zum grössten Theile unangebauten
Boden vorwiegend auf die Rohproduction angewiesen sind und
dennoch in der eigentlichen Technik vielleicht die grössten
Fortschritte unter allen Ländern aufzuweisen haben.

Dabei liegt die Auffassung fern, als ob durch die blosse
Einführung eines gut geregelten Patentschutzes ein industrie-
armes Land zu einem gewerbreichen umgeschaffen, oder ein

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[XVII/0020] Einleitung. und den Zweck der Erfindungspatente berührenden Fragen ein- zugehen. Dass Erfindungen überhaupt befördert werden sollen, wird von Niemand in Abrede gestellt. Ebensowenig wird bestritten, dass der mächtigste Antrieb zur Erfindung und Verbesserung in den aus ihrer Ausführung gehofften Früchten besteht. Es ist richtig, dass diese Früchte unsichere sind, dass sie auch im günstigen Falle so spät reifen, dass zuweilen trotz des Patent- schutzes der Erfinder selbst ihrer nicht mehr geniesst und nicht sich selbst, sondern nur die Mitwelt und die Nachwelt durch seine Erfindung bereichert. Allein man wird zugeben, dass jeder mit der Rechtsordnung und mit der Gewerbefreiheit verträgliche Schutz, welcher dem Erfinder den eigenen Genuss der Vortheile seiner Erfindung sichert, den Antrieb zu den Erfindungen ver- stärkt und dadurch für die Gesammtheit fruchtbar werden kann. Weite Landstrecken werden in dem freien Amerika, welches dem Ansiedler das Eigenthum des urbar gemachten Bodens sichert, in kürzester Frist besiedelt, während ebenso fruchtbare Landstriche in den despotischen Staaten des Orientes durch Jahrhunderte unbebaut bleiben. So ist auch dasjenige Zeitalter und dasjenige Land an Erfindungen das ärmste, in welchem der Erfinder nicht hoffen darf, die Früchte seiner Er- findung für sich selbst zu ziehen. Dies gilt nicht bloss für solche staatliche Zustände, in welchen der Arbeiter überhaupt nicht der freie Herr seiner Thätigkeit ist, nicht bloss für den Ver- gleich der Sclavenstaaten oder des Zeitalters der Zünftigkeit und der Hörigkeit mit den auf Freiheit der Arbeit und des Gewerbes begründeten Zuständen. Auch unter den freien Län- dern ragen unbestritten diejenigen, welche seit Jahrhunderten sich eines ausgebildeten Schutzes der Erfindungen erfreuen, durch bemerkenswerthe Fortschritte in der Gewerbthätigkeit hervor; und dies gilt ausser von England auch von den Ver- einigten Staaten von Nordamerika, die bei ihrer dünnen Be- völkerung und ihrem noch zum grössten Theile unangebauten Boden vorwiegend auf die Rohproduction angewiesen sind und dennoch in der eigentlichen Technik vielleicht die grössten Fortschritte unter allen Ländern aufzuweisen haben. Dabei liegt die Auffassung fern, als ob durch die blosse Einführung eines gut geregelten Patentschutzes ein industrie- armes Land zu einem gewerbreichen umgeschaffen, oder ein

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. XVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/20>, abgerufen am 18.04.2024.