Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Vorbegriffe. §. 1. Zweck der Erfindungspatente.
jeder Produzent das Aequivalent der von ihm mitgetheilten
Erfahrungen in den Erfahrungen seiner Concurrenten erhält,
so ist ein solcher Tauschverkehr auf dem allgemeinen Markte
der Industrie selbstredend nicht möglich. -- Der Erfinder kann
seine Waare ebensowenig als der Bäcker oder der Fleischer
anders als gegen einen in Gelde festgesetzten Preis verwer-
then und die Möglichkeit einer solchen Verwerthung und folg-
lich auch der Einführung der Erfindung in den allgemeinen
Verkehr hängt davon ab, dass die Erfindung verkäuflich ge-
macht wird, dass also ihre Ausbeutung innerhalb gewisser
Grenzen durch das Gesetz zu einem ausschliesslichen Rechte
erhoben wird, welches auf Andere übertragen und gegen Ent-
gelt veräussert werden kann. Diese Möglichkeit wird durch
die Erfindungspatente gewährt, unter welchem Namen das
nach den verschiedenen Gesetzgebungen verschieden begrenzte
und bedingte Recht des Erfinders zur ausschliesslichen vermö-
gensrechtlichen Nutzung seiner Erfindung verstanden zu wer-
den pflegt.

Die Nothwendigkeit eines Patentschutzes überhaupt ist im
Vorigen aus dem Zwecke abgeleitet, der Arbeit des Erfinders
ihren Preis und der Gesammtheit die Benutzung der Erfindung
zu sichern. Allein mit der Aufstellung dieses Postulates ist
die Begründung des Patentschutzes noch keinesweges gegeben.
Unmöglich können alle Erfindungen ein Monopol ihres Urhe-
bers sein und bleiben, so dass jeder das Recht zur Benutzung
derselben erst von dem Urheber erwerben müsste. Dieser
Grundsatz würde alle Gewerbefreiheit aufheben und die Ent-
wickelung der Industrie noch viel gewaltsamer aufhalten als
alle Kasteneinrichtungen und als der härteste Zunftzwang je
vermocht hat. Wenn noch heute alle Condensationsmaschinen
von der Firma Boulton & Watt oder alle Hochdruckmaschinen
von Hornblower bezogen werden müssten, so würde die Dampf-
maschinenfabrication heute weder über das Kapital noch über
die Technik gebieten, welche sie sich mit Hülfe der freien Con-
currenz dienstbar gemacht hat. Es ist ja auch nicht zu läug-
nen, dass das Prinzip der freien Concurrenz in seiner Bedeu-
tung für den menschlichen Fortschritt unendlich höher steht,
als der Schutz des Erfinders, dass also da, wo beide Prinzipien
sich berühren, das letztere weichen oder doch nur als die be-
schränkte Ausnahme gegenüber der allgemeinen Gewerbefrei-

I. Vorbegriffe. §. 1. Zweck der Erfindungspatente.
jeder Produzent das Aequivalent der von ihm mitgetheilten
Erfahrungen in den Erfahrungen seiner Concurrenten erhält,
so ist ein solcher Tauschverkehr auf dem allgemeinen Markte
der Industrie selbstredend nicht möglich. — Der Erfinder kann
seine Waare ebensowenig als der Bäcker oder der Fleischer
anders als gegen einen in Gelde festgesetzten Preis verwer-
then und die Möglichkeit einer solchen Verwerthung und folg-
lich auch der Einführung der Erfindung in den allgemeinen
Verkehr hängt davon ab, dass die Erfindung verkäuflich ge-
macht wird, dass also ihre Ausbeutung innerhalb gewisser
Grenzen durch das Gesetz zu einem ausschliesslichen Rechte
erhoben wird, welches auf Andere übertragen und gegen Ent-
gelt veräussert werden kann. Diese Möglichkeit wird durch
die Erfindungspatente gewährt, unter welchem Namen das
nach den verschiedenen Gesetzgebungen verschieden begrenzte
und bedingte Recht des Erfinders zur ausschliesslichen vermö-
gensrechtlichen Nutzung seiner Erfindung verstanden zu wer-
den pflegt.

Die Nothwendigkeit eines Patentschutzes überhaupt ist im
Vorigen aus dem Zwecke abgeleitet, der Arbeit des Erfinders
ihren Preis und der Gesammtheit die Benutzung der Erfindung
zu sichern. Allein mit der Aufstellung dieses Postulates ist
die Begründung des Patentschutzes noch keinesweges gegeben.
Unmöglich können alle Erfindungen ein Monopol ihres Urhe-
bers sein und bleiben, so dass jeder das Recht zur Benutzung
derselben erst von dem Urheber erwerben müsste. Dieser
Grundsatz würde alle Gewerbefreiheit aufheben und die Ent-
wickelung der Industrie noch viel gewaltsamer aufhalten als
alle Kasteneinrichtungen und als der härteste Zunftzwang je
vermocht hat. Wenn noch heute alle Condensationsmaschinen
von der Firma Boulton & Watt oder alle Hochdruckmaschinen
von Hornblower bezogen werden müssten, so würde die Dampf-
maschinenfabrication heute weder über das Kapital noch über
die Technik gebieten, welche sie sich mit Hülfe der freien Con-
currenz dienstbar gemacht hat. Es ist ja auch nicht zu läug-
nen, dass das Prinzip der freien Concurrenz in seiner Bedeu-
tung für den menschlichen Fortschritt unendlich höher steht,
als der Schutz des Erfinders, dass also da, wo beide Prinzipien
sich berühren, das letztere weichen oder doch nur als die be-
schränkte Ausnahme gegenüber der allgemeinen Gewerbefrei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0033" n="6"/><fw place="top" type="header">I. Vorbegriffe. §. 1. Zweck der Erfindungspatente.</fw><lb/>
jeder Produzent das Aequivalent der von ihm mitgetheilten<lb/>
Erfahrungen in den Erfahrungen seiner Concurrenten erhält,<lb/>
so ist ein solcher Tauschverkehr auf dem allgemeinen Markte<lb/>
der Industrie selbstredend nicht möglich. &#x2014; Der Erfinder kann<lb/>
seine Waare ebensowenig als der Bäcker oder der Fleischer<lb/>
anders als gegen einen in Gelde festgesetzten Preis verwer-<lb/>
then und die Möglichkeit einer solchen Verwerthung und folg-<lb/>
lich auch der Einführung der Erfindung in den allgemeinen<lb/>
Verkehr hängt davon ab, dass die Erfindung verkäuflich ge-<lb/>
macht wird, dass also ihre Ausbeutung innerhalb gewisser<lb/>
Grenzen durch das Gesetz zu einem ausschliesslichen Rechte<lb/>
erhoben wird, welches auf Andere übertragen und gegen Ent-<lb/>
gelt veräussert werden kann. Diese Möglichkeit wird durch<lb/>
die Erfindungspatente gewährt, unter welchem Namen das<lb/>
nach den verschiedenen Gesetzgebungen verschieden begrenzte<lb/>
und bedingte Recht des Erfinders zur ausschliesslichen vermö-<lb/>
gensrechtlichen Nutzung seiner Erfindung verstanden zu wer-<lb/>
den pflegt.</p><lb/>
            <p>Die Nothwendigkeit eines Patentschutzes überhaupt ist im<lb/>
Vorigen aus dem Zwecke abgeleitet, der Arbeit des Erfinders<lb/>
ihren Preis und der Gesammtheit die Benutzung der Erfindung<lb/>
zu sichern. Allein mit der Aufstellung dieses Postulates ist<lb/>
die Begründung des Patentschutzes noch keinesweges gegeben.<lb/>
Unmöglich können alle Erfindungen ein Monopol ihres Urhe-<lb/>
bers sein und bleiben, so dass jeder das Recht zur Benutzung<lb/>
derselben erst von dem Urheber erwerben müsste. Dieser<lb/>
Grundsatz würde alle Gewerbefreiheit aufheben und die Ent-<lb/>
wickelung der Industrie noch viel gewaltsamer aufhalten als<lb/>
alle Kasteneinrichtungen und als der härteste Zunftzwang je<lb/>
vermocht hat. Wenn noch heute alle Condensationsmaschinen<lb/>
von der Firma Boulton &amp; Watt oder alle Hochdruckmaschinen<lb/>
von Hornblower bezogen werden müssten, so würde die Dampf-<lb/>
maschinenfabrication heute weder über das Kapital noch über<lb/>
die Technik gebieten, welche sie sich mit Hülfe der freien Con-<lb/>
currenz dienstbar gemacht hat. Es ist ja auch nicht zu läug-<lb/>
nen, dass das Prinzip der freien Concurrenz in seiner Bedeu-<lb/>
tung für den menschlichen Fortschritt unendlich höher steht,<lb/>
als der Schutz des Erfinders, dass also da, wo beide Prinzipien<lb/>
sich berühren, das letztere weichen oder doch nur als die be-<lb/>
schränkte Ausnahme gegenüber der allgemeinen Gewerbefrei-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0033] I. Vorbegriffe. §. 1. Zweck der Erfindungspatente. jeder Produzent das Aequivalent der von ihm mitgetheilten Erfahrungen in den Erfahrungen seiner Concurrenten erhält, so ist ein solcher Tauschverkehr auf dem allgemeinen Markte der Industrie selbstredend nicht möglich. — Der Erfinder kann seine Waare ebensowenig als der Bäcker oder der Fleischer anders als gegen einen in Gelde festgesetzten Preis verwer- then und die Möglichkeit einer solchen Verwerthung und folg- lich auch der Einführung der Erfindung in den allgemeinen Verkehr hängt davon ab, dass die Erfindung verkäuflich ge- macht wird, dass also ihre Ausbeutung innerhalb gewisser Grenzen durch das Gesetz zu einem ausschliesslichen Rechte erhoben wird, welches auf Andere übertragen und gegen Ent- gelt veräussert werden kann. Diese Möglichkeit wird durch die Erfindungspatente gewährt, unter welchem Namen das nach den verschiedenen Gesetzgebungen verschieden begrenzte und bedingte Recht des Erfinders zur ausschliesslichen vermö- gensrechtlichen Nutzung seiner Erfindung verstanden zu wer- den pflegt. Die Nothwendigkeit eines Patentschutzes überhaupt ist im Vorigen aus dem Zwecke abgeleitet, der Arbeit des Erfinders ihren Preis und der Gesammtheit die Benutzung der Erfindung zu sichern. Allein mit der Aufstellung dieses Postulates ist die Begründung des Patentschutzes noch keinesweges gegeben. Unmöglich können alle Erfindungen ein Monopol ihres Urhe- bers sein und bleiben, so dass jeder das Recht zur Benutzung derselben erst von dem Urheber erwerben müsste. Dieser Grundsatz würde alle Gewerbefreiheit aufheben und die Ent- wickelung der Industrie noch viel gewaltsamer aufhalten als alle Kasteneinrichtungen und als der härteste Zunftzwang je vermocht hat. Wenn noch heute alle Condensationsmaschinen von der Firma Boulton & Watt oder alle Hochdruckmaschinen von Hornblower bezogen werden müssten, so würde die Dampf- maschinenfabrication heute weder über das Kapital noch über die Technik gebieten, welche sie sich mit Hülfe der freien Con- currenz dienstbar gemacht hat. Es ist ja auch nicht zu läug- nen, dass das Prinzip der freien Concurrenz in seiner Bedeu- tung für den menschlichen Fortschritt unendlich höher steht, als der Schutz des Erfinders, dass also da, wo beide Prinzipien sich berühren, das letztere weichen oder doch nur als die be- schränkte Ausnahme gegenüber der allgemeinen Gewerbefrei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/33
Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/33>, abgerufen am 28.03.2024.