Interesse soll Der wohl an dem Ganzen nehmen, da Eigenthum, Moralität, und alles, was den Menschen auf dieser Erde irgend theuer seyn kann, doch am Ende auf Erhaltung jener Fa¬ milien- und Vaterlands-Bande beruht?
Daß aber diese Bande täglich lockrer wer¬ den, beweiset nichts, als daß wir uns täglich weiter von der edlen Ordnung der Natur und deren Gesetzen entfernen; und wenn ein schie¬ fer Kopf, den sein Vaterland als ein unbrauch¬ bares Mitglied ausstößt, weil er sich den Ge¬ setzen nicht unterwerfen will, unzufrieden mit dem Zwange, den ihm Sittlichkeit und Poli¬ cey auflegen, behauptet, es sey des Philoso¬ phen würdig, alle engern Verbindungen aufzu¬ lösen, und kein anders Band anzuerkennen, als das allgemeine Bruderband unter allen Erdbewohnern; so überzeugt uns das von nichts weiter, als daß kein Satz so närrisch ist, der nicht in unsern Tagen in irgend einem phi¬ losophischen Systeme als Grundpfeiler aufge¬ stellt würde -- Glückliches achtzehntes Jahr¬ hundert, in welchem man so große Entdeckun¬ gen macht, als zum Beyspiel: daß man, um
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G 4
Intereſſe ſoll Der wohl an dem Ganzen nehmen, da Eigenthum, Moralitaͤt, und alles, was den Menſchen auf dieſer Erde irgend theuer ſeyn kann, doch am Ende auf Erhaltung jener Fa¬ milien- und Vaterlands-Bande beruht?
Daß aber dieſe Bande taͤglich lockrer wer¬ den, beweiſet nichts, als daß wir uns taͤglich weiter von der edlen Ordnung der Natur und deren Geſetzen entfernen; und wenn ein ſchie¬ fer Kopf, den ſein Vaterland als ein unbrauch¬ bares Mitglied ausſtoͤßt, weil er ſich den Ge¬ ſetzen nicht unterwerfen will, unzufrieden mit dem Zwange, den ihm Sittlichkeit und Poli¬ cey auflegen, behauptet, es ſey des Philoſo¬ phen wuͤrdig, alle engern Verbindungen aufzu¬ loͤſen, und kein anders Band anzuerkennen, als das allgemeine Bruderband unter allen Erdbewohnern; ſo uͤberzeugt uns das von nichts weiter, als daß kein Satz ſo naͤrriſch iſt, der nicht in unſern Tagen in irgend einem phi¬ loſophiſchen Systeme als Grundpfeiler aufge¬ ſtellt wuͤrde — Gluͤckliches achtzehntes Jahr¬ hundert, in welchem man ſo große Entdeckun¬ gen macht, als zum Beyſpiel: daß man, um
Leſen
G 4
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Intereſſe ſoll Der wohl an dem Ganzen nehmen,
da Eigenthum, Moralitaͤt, und alles, was den
Menſchen auf dieſer Erde irgend theuer ſeyn
kann, doch am Ende auf Erhaltung jener Fa¬
milien- und Vaterlands-Bande beruht?
Daß aber dieſe Bande taͤglich lockrer wer¬
den, beweiſet nichts, als daß wir uns taͤglich
weiter von der edlen Ordnung der Natur und
deren Geſetzen entfernen; und wenn ein ſchie¬
fer Kopf, den ſein Vaterland als ein unbrauch¬
bares Mitglied ausſtoͤßt, weil er ſich den Ge¬
ſetzen nicht unterwerfen will, unzufrieden mit
dem Zwange, den ihm Sittlichkeit und Poli¬
cey auflegen, behauptet, es ſey des Philoſo¬
phen wuͤrdig, alle engern Verbindungen aufzu¬
loͤſen, und kein anders Band anzuerkennen,
als das allgemeine Bruderband unter allen
Erdbewohnern; ſo uͤberzeugt uns das von
nichts weiter, als daß kein Satz ſo naͤrriſch iſt,
der nicht in unſern Tagen in irgend einem phi¬
loſophiſchen Systeme als Grundpfeiler aufge¬
ſtellt wuͤrde — Gluͤckliches achtzehntes Jahr¬
hundert, in welchem man ſo große Entdeckun¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/133>, abgerufen am 29.03.2024.
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