tet das die übrigbleibenden Gefährten um desto fester an einander. -- Ganz anders sieht es aus in reifern Jahren. Von Menschen und Schicksalen vielfältig getäuscht, werden wir verschlossener, trauen nicht so leicht; das Herz steht unter der Vormundschaft der Vernunft, die genauer abwägt und sich selbst Rath zu schaf¬ fen sucht, bevor sie sich Andern anvertrauet. Man fordert mehr, ist eckler in der Wahl, nicht mehr so lüstern nach neuen Bekanntschaften, wird nicht so lebhaft betroffen von glänzenden Aussenseiten; Man hat ächtere Begriffe von Vollkommenheit, von dauerhaften Bündnissen, vom Nutzen und Schaden einer gänzlichen Hin¬ gebung; der Character ist fester; die Grund¬ sätze sind auf Systeme zurückgeführt, in wel¬ chen die Gesinnungen und Theorien eines uns fremden Menschen selten passen; folglich wird es schwerer, eine dauerhafte Harmonie zu Stande zu bringen, und endlich sind wir in so manche Geschäfte und Verbindungen ver¬ flochten, daß wir kaum Muße, und wenig¬ stens selten Drang haben, neue zu schliessen. Also vernachlässige man seine Jugendfreunde nicht, und wenn auch Schicksale, Reisen und
an¬
tet das die uͤbrigbleibenden Gefaͤhrten um deſto feſter an einander. — Ganz anders ſieht es aus in reifern Jahren. Von Menſchen und Schickſalen vielfaͤltig getaͤuſcht, werden wir verſchloſſener, trauen nicht ſo leicht; das Herz ſteht unter der Vormundſchaft der Vernunft, die genauer abwaͤgt und ſich ſelbſt Rath zu ſchaf¬ fen ſucht, bevor ſie ſich Andern anvertrauet. Man fordert mehr, iſt eckler in der Wahl, nicht mehr ſo luͤſtern nach neuen Bekanntſchaften, wird nicht ſo lebhaft betroffen von glaͤnzenden Auſſenſeiten; Man hat aͤchtere Begriffe von Vollkommenheit, von dauerhaften Buͤndniſſen, vom Nutzen und Schaden einer gaͤnzlichen Hin¬ gebung; der Character iſt feſter; die Grund¬ ſaͤtze ſind auf Syſteme zuruͤckgefuͤhrt, in wel¬ chen die Geſinnungen und Theorien eines uns fremden Menſchen ſelten paſſen; folglich wird es ſchwerer, eine dauerhafte Harmonie zu Stande zu bringen, und endlich ſind wir in ſo manche Geſchaͤfte und Verbindungen ver¬ flochten, daß wir kaum Muße, und wenig¬ ſtens ſelten Drang haben, neue zu ſchlieſſen. Alſo vernachlaͤſſige man ſeine Jugendfreunde nicht, und wenn auch Schickſale, Reiſen und
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tet das die uͤbrigbleibenden Gefaͤhrten um deſto
feſter an einander. — Ganz anders ſieht es
aus in reifern Jahren. Von Menſchen und
Schickſalen vielfaͤltig getaͤuſcht, werden wir
verſchloſſener, trauen nicht ſo leicht; das Herz
ſteht unter der Vormundſchaft der Vernunft,
die genauer abwaͤgt und ſich ſelbſt Rath zu ſchaf¬
fen ſucht, bevor ſie ſich Andern anvertrauet.
Man fordert mehr, iſt eckler in der Wahl, nicht
mehr ſo luͤſtern nach neuen Bekanntſchaften,
wird nicht ſo lebhaft betroffen von glaͤnzenden
Auſſenſeiten; Man hat aͤchtere Begriffe von
Vollkommenheit, von dauerhaften Buͤndniſſen,
vom Nutzen und Schaden einer gaͤnzlichen Hin¬
gebung; der Character iſt feſter; die Grund¬
ſaͤtze ſind auf Syſteme zuruͤckgefuͤhrt, in wel¬
chen die Geſinnungen und Theorien eines uns
fremden Menſchen ſelten paſſen; folglich wird
es ſchwerer, eine dauerhafte Harmonie zu
Stande zu bringen, und endlich ſind wir in
ſo manche Geſchaͤfte und Verbindungen ver¬
flochten, daß wir kaum Muße, und wenig¬
ſtens ſelten Drang haben, neue zu ſchlieſſen.
Alſo vernachlaͤſſige man ſeine Jugendfreunde
nicht, und wenn auch Schickſale, Reiſen und
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/260>, abgerufen am 28.03.2024.
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