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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

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diesem Endzwecke wähle man die nemlichen
Mittel, die ich bey jener Gelegenheit vorge¬
schlagen habe! Man sehe sich nicht so übermäs¬
sig oft, daß die Gesellschaft unsers Freundes
aufhört Wohlthat, daß sie anfängt etwas All¬
tägliches für uns zu werden, daß wir zu ge¬
naue Bekanntschaft mit den kleinen Fehlern
des Freundes machen, deren jeder Mensch mehr
oder weniger hat, die auch nicht so sehr auf¬
fallen, wenn man nicht immer mit einander
lebt, die aber bey manchen Stimmungen und
Launen auf die Länge von nachtheiliger Wür¬
kung seyn können! Diese Vorsicht ist noch nö¬
thiger in der Freundschaft, als in der Ehe, da
in jener nicht, wie in dieser, andre Rücksichten
und der Gedanke, daß, man nun einmal auf
die ganze Lebenszeit mit einander zu Freude
und Leid, zu gemeinschaftlicher Ertragung,
und um Ein Leib und Eine Seele zu seyn, ver¬
eint ist; da, sage ich, dieser Gedanke und man¬
ches andre Band der Liebe, in der Freundschaft
wegfällt, folglich die Beständigkeit derselben
von feiner Schonung abhängt. Es ist wahr,
daß jene unangenehmen Eindrücke bey edeln
und verständigen Menschen nicht von Dauer

sind,

dieſem Endzwecke waͤhle man die nemlichen
Mittel, die ich bey jener Gelegenheit vorge¬
ſchlagen habe! Man ſehe ſich nicht ſo uͤbermaͤs¬
ſig oft, daß die Geſellſchaft unſers Freundes
aufhoͤrt Wohlthat, daß ſie anfaͤngt etwas All¬
taͤgliches fuͤr uns zu werden, daß wir zu ge¬
naue Bekanntſchaft mit den kleinen Fehlern
des Freundes machen, deren jeder Menſch mehr
oder weniger hat, die auch nicht ſo ſehr auf¬
fallen, wenn man nicht immer mit einander
lebt, die aber bey manchen Stimmungen und
Launen auf die Laͤnge von nachtheiliger Wuͤr¬
kung ſeyn koͤnnen! Dieſe Vorſicht iſt noch noͤ¬
thiger in der Freundſchaft, als in der Ehe, da
in jener nicht, wie in dieſer, andre Ruͤckſichten
und der Gedanke, daß, man nun einmal auf
die ganze Lebenszeit mit einander zu Freude
und Leid, zu gemeinſchaftlicher Ertragung,
und um Ein Leib und Eine Seele zu ſeyn, ver¬
eint iſt; da, ſage ich, dieſer Gedanke und man¬
ches andre Band der Liebe, in der Freundſchaft
wegfaͤllt, folglich die Beſtaͤndigkeit derſelben
von feiner Schonung abhaͤngt. Es iſt wahr,
daß jene unangenehmen Eindruͤcke bey edeln
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[251/0281] dieſem Endzwecke waͤhle man die nemlichen Mittel, die ich bey jener Gelegenheit vorge¬ ſchlagen habe! Man ſehe ſich nicht ſo uͤbermaͤs¬ ſig oft, daß die Geſellſchaft unſers Freundes aufhoͤrt Wohlthat, daß ſie anfaͤngt etwas All¬ taͤgliches fuͤr uns zu werden, daß wir zu ge¬ naue Bekanntſchaft mit den kleinen Fehlern des Freundes machen, deren jeder Menſch mehr oder weniger hat, die auch nicht ſo ſehr auf¬ fallen, wenn man nicht immer mit einander lebt, die aber bey manchen Stimmungen und Launen auf die Laͤnge von nachtheiliger Wuͤr¬ kung ſeyn koͤnnen! Dieſe Vorſicht iſt noch noͤ¬ thiger in der Freundſchaft, als in der Ehe, da in jener nicht, wie in dieſer, andre Ruͤckſichten und der Gedanke, daß, man nun einmal auf die ganze Lebenszeit mit einander zu Freude und Leid, zu gemeinſchaftlicher Ertragung, und um Ein Leib und Eine Seele zu ſeyn, ver¬ eint iſt; da, ſage ich, dieſer Gedanke und man¬ ches andre Band der Liebe, in der Freundſchaft wegfaͤllt, folglich die Beſtaͤndigkeit derſelben von feiner Schonung abhaͤngt. Es iſt wahr, daß jene unangenehmen Eindruͤcke bey edeln und verſtaͤndigen Menſchen nicht von Dauer ſind,

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/281>, abgerufen am 25.04.2024.