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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

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stände zu ertragen, und wenn man ein Gut be¬
sitzt, sich mit dem Gedanken gemein machen,
daß man dies Gut auch verliehren könne. Ein
weiser Mann bauet nicht seine ganze Existenz
auf das Daseyn eines andern Wesens.

14.

Bleibe aber immer, auch in der Entfer¬
nung, ein warmer Freund Deiner Freunde!
sonst scheint es, als habest Du aus Eigennutz,
um den Genuß ihrer Unterhaltung zu schmek¬
ken, Dich an sie geschlossen. Sey nicht so nach¬
lässig im Briefwechsel mit ihnen, als wohl
manche Menschen es sind! Wie leicht ist nicht
ein Zettelchen beschrieben! Wer hat so viel Ge¬
schäfte, daß ihm nicht täglich wenigstens eine
Viertelstunde frey bleibe? Wie erfreulich für ei¬
nenentfernten Freund, und wie wohlthuend für
uns selbst können aber nicht oft ein Paar zärtli¬
che, tröstliche Zeilen seyn! Ich lasse auch die Ent¬
schuldigung nicht gelten, daß man zuweilen lange
Zeit hindurch gar nicht gestimmt sey, seine
Gedanken in Ordnung auf das Papier zu brin¬
gen. Briefe an den Vertraueten unsers Her¬
zens sind keine rednerische Ausarbeitungen, je¬
des Wort wird ihm willkommen seyn, das Ab¬

druck

ſtaͤnde zu ertragen, und wenn man ein Gut be¬
ſitzt, ſich mit dem Gedanken gemein machen,
daß man dies Gut auch verliehren koͤnne. Ein
weiſer Mann bauet nicht ſeine ganze Exiſtenz
auf das Daſeyn eines andern Weſens.

14.

Bleibe aber immer, auch in der Entfer¬
nung, ein warmer Freund Deiner Freunde!
ſonſt ſcheint es, als habeſt Du aus Eigennutz,
um den Genuß ihrer Unterhaltung zu ſchmek¬
ken, Dich an ſie geſchloſſen. Sey nicht ſo nach¬
laͤſſig im Briefwechſel mit ihnen, als wohl
manche Menſchen es ſind! Wie leicht iſt nicht
ein Zettelchen beſchrieben! Wer hat ſo viel Ge¬
ſchaͤfte, daß ihm nicht taͤglich wenigſtens eine
Viertelſtunde frey bleibe? Wie erfreulich fuͤr ei¬
nenentfernten Freund, und wie wohlthuend fuͤr
uns ſelbſt koͤnnen aber nicht oft ein Paar zaͤrtli¬
che, troͤſtliche Zeilen ſeyn! Ich laſſe auch die Ent¬
ſchuldigung nicht gelten, daß man zuweilen lange
Zeit hindurch gar nicht geſtimmt ſey, ſeine
Gedanken in Ordnung auf das Papier zu brin¬
gen. Briefe an den Vertraueten unſers Her¬
zens ſind keine redneriſche Ausarbeitungen, je¬
des Wort wird ihm willkommen ſeyn, das Ab¬

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[253/0283] ſtaͤnde zu ertragen, und wenn man ein Gut be¬ ſitzt, ſich mit dem Gedanken gemein machen, daß man dies Gut auch verliehren koͤnne. Ein weiſer Mann bauet nicht ſeine ganze Exiſtenz auf das Daſeyn eines andern Weſens. 14. Bleibe aber immer, auch in der Entfer¬ nung, ein warmer Freund Deiner Freunde! ſonſt ſcheint es, als habeſt Du aus Eigennutz, um den Genuß ihrer Unterhaltung zu ſchmek¬ ken, Dich an ſie geſchloſſen. Sey nicht ſo nach¬ laͤſſig im Briefwechſel mit ihnen, als wohl manche Menſchen es ſind! Wie leicht iſt nicht ein Zettelchen beſchrieben! Wer hat ſo viel Ge¬ ſchaͤfte, daß ihm nicht taͤglich wenigſtens eine Viertelſtunde frey bleibe? Wie erfreulich fuͤr ei¬ nenentfernten Freund, und wie wohlthuend fuͤr uns ſelbſt koͤnnen aber nicht oft ein Paar zaͤrtli¬ che, troͤſtliche Zeilen ſeyn! Ich laſſe auch die Ent¬ ſchuldigung nicht gelten, daß man zuweilen lange Zeit hindurch gar nicht geſtimmt ſey, ſeine Gedanken in Ordnung auf das Papier zu brin¬ gen. Briefe an den Vertraueten unſers Her¬ zens ſind keine redneriſche Ausarbeitungen, je¬ des Wort wird ihm willkommen ſeyn, das Ab¬ druck

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/283>, abgerufen am 18.04.2024.