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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

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Wer immer nach Witz hascht, wem man es
ansieht, daß er darauf studiert hat, die Ge¬
sellschaft zu unterhalten, der gefällt nur auf
kurze Zeit, und wird bey Wenigen Interesse
erwecken; Er wird nicht aufgesucht werden von
Denen, deren Herz sich nach bessern Umgange,
und deren Kopf sich nach socratischer Unterhal¬
tung sehnt.

Wer immer Spaß machen will, der er¬
schöpft sich nicht nur leicht und wird matt, son¬
dern hat auch die Unannehmlichkeit, daß, wenn
er einmal grade nicht aufgelegt ist, seinen Vor¬
rath von lustigen Kleinigkeiten zu öfnen, seine
Gefährten das sehr ungnädig aufnehmen. Bey
jeder Mahlzeit, zu welcher er gebeten wird,
bey jeder Aufmerksamkeit, die man ihm bewei¬
set, scheint die Bedingung schwer auf ihm zu
liegen, daß er diese Ehre durch seine Schwänke
zu verdienen suchen solle; und will er es ein¬
mal wagen, den Ton zu erheben und etwas
Ernsthaftes zu sagen; so lacht man ihm grade
in das Gesicht, ehe er mit seiner Rede halb zu
Ende ist. Wahrer Humor und ächter Witz las¬
sen sich nicht erzwingen, nicht erkünsteln, aber sie
würken, wie das Umschweben eines höhern

Ge¬

Wer immer nach Witz haſcht, wem man es
anſieht, daß er darauf ſtudiert hat, die Ge¬
ſellſchaft zu unterhalten, der gefaͤllt nur auf
kurze Zeit, und wird bey Wenigen Intereſſe
erwecken; Er wird nicht aufgeſucht werden von
Denen, deren Herz ſich nach beſſern Umgange,
und deren Kopf ſich nach ſocratiſcher Unterhal¬
tung ſehnt.

Wer immer Spaß machen will, der er¬
ſchoͤpft ſich nicht nur leicht und wird matt, ſon¬
dern hat auch die Unannehmlichkeit, daß, wenn
er einmal grade nicht aufgelegt iſt, ſeinen Vor¬
rath von luſtigen Kleinigkeiten zu oͤfnen, ſeine
Gefaͤhrten das ſehr ungnaͤdig aufnehmen. Bey
jeder Mahlzeit, zu welcher er gebeten wird,
bey jeder Aufmerkſamkeit, die man ihm bewei¬
ſet, ſcheint die Bedingung ſchwer auf ihm zu
liegen, daß er dieſe Ehre durch ſeine Schwaͤnke
zu verdienen ſuchen ſolle; und will er es ein¬
mal wagen, den Ton zu erheben und etwas
Ernſthaftes zu ſagen; ſo lacht man ihm grade
in das Geſicht, ehe er mit ſeiner Rede halb zu
Ende iſt. Wahrer Humor und aͤchter Witz laſ¬
ſen ſich nicht erzwingen, nicht erkuͤnſteln, aber ſie
wuͤrken, wie das Umſchweben eines hoͤhern

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[61/0091] Wer immer nach Witz haſcht, wem man es anſieht, daß er darauf ſtudiert hat, die Ge¬ ſellſchaft zu unterhalten, der gefaͤllt nur auf kurze Zeit, und wird bey Wenigen Intereſſe erwecken; Er wird nicht aufgeſucht werden von Denen, deren Herz ſich nach beſſern Umgange, und deren Kopf ſich nach ſocratiſcher Unterhal¬ tung ſehnt. Wer immer Spaß machen will, der er¬ ſchoͤpft ſich nicht nur leicht und wird matt, ſon¬ dern hat auch die Unannehmlichkeit, daß, wenn er einmal grade nicht aufgelegt iſt, ſeinen Vor¬ rath von luſtigen Kleinigkeiten zu oͤfnen, ſeine Gefaͤhrten das ſehr ungnaͤdig aufnehmen. Bey jeder Mahlzeit, zu welcher er gebeten wird, bey jeder Aufmerkſamkeit, die man ihm bewei¬ ſet, ſcheint die Bedingung ſchwer auf ihm zu liegen, daß er dieſe Ehre durch ſeine Schwaͤnke zu verdienen ſuchen ſolle; und will er es ein¬ mal wagen, den Ton zu erheben und etwas Ernſthaftes zu ſagen; ſo lacht man ihm grade in das Geſicht, ehe er mit ſeiner Rede halb zu Ende iſt. Wahrer Humor und aͤchter Witz laſ¬ ſen ſich nicht erzwingen, nicht erkuͤnſteln, aber ſie wuͤrken, wie das Umſchweben eines hoͤhern Ge¬

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/91>, abgerufen am 29.03.2024.