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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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dung sie nicht geniessen können, und sich in sein
Elend zurükziehen müssen. Die schönsten Gü-
ter dieses Lebens, Güter,
welche die drükken-
de Lasten unserer Menschheit erleichtern, die den
sinkenden Bau unsers schwachen Körpers unter-
stüzzen, sind ihm verborgen. Alle Freuden der
Natur -- Freuden, die Lebensgenuß und Fülle
auf uns herabströmen, sind für ihn tod. Er sieht
die Freude in allen Geschöpfen lächeln, vom Tag-
löhner, der sich vom Aufgang bis zum Nieder-
gang der Sonne abmüdet, bis zur kleinsten Rau-
pe, die sich zum bunten Schmetterlinge verwan-
delt, alles empfindet die Würde, daß es da ist,
nur er nicht; denn sein Auge umzieht ein düstrer
Flor -- alles trägt die Farbe der Traurigkeit für
ihn, Jammer und Elend begleiten ihn, und
wandeln mit ihm in Gefilde, wo die einsame
Distel ihr mageres Haupt senkt, und kein Vogel
der Liebe schwirret, wo die Eule flattert, und der
Uhu heulet. Sein Name ist gebrandmarket,
ein Spott des niedrigen Pöbels, ausgetilgt
aus dem Buch der Rechtschaffenheit; keiner
wagt sich ihm zu nahen, der Pöbel fürchtet
sogar durch sein blosses Berühren, einen Teil
seiner Schande auf sich zu laden. Eingeschlos-

dung ſie nicht genieſſen koͤnnen, und ſich in ſein
Elend zuruͤkziehen muͤſſen. Die ſchoͤnſten Guͤ-
ter dieſes Lebens, Guͤter,
welche die druͤkken-
de Laſten unſerer Menſchheit erleichtern, die den
ſinkenden Bau unſers ſchwachen Koͤrpers unter-
ſtuͤzzen, ſind ihm verborgen. Alle Freuden der
Natur — Freuden, die Lebensgenuß und Fuͤlle
auf uns herabſtroͤmen, ſind fuͤr ihn tod. Er ſieht
die Freude in allen Geſchoͤpfen laͤcheln, vom Tag-
loͤhner, der ſich vom Aufgang bis zum Nieder-
gang der Sonne abmuͤdet, bis zur kleinſten Rau-
pe, die ſich zum bunten Schmetterlinge verwan-
delt, alles empfindet die Wuͤrde, daß es da iſt,
nur er nicht; denn ſein Auge umzieht ein duͤſtrer
Flor — alles traͤgt die Farbe der Traurigkeit fuͤr
ihn, Jammer und Elend begleiten ihn, und
wandeln mit ihm in Gefilde, wo die einſame
Diſtel ihr mageres Haupt ſenkt, und kein Vogel
der Liebe ſchwirret, wo die Eule flattert, und der
Uhu heulet. Sein Name iſt gebrandmarket,
ein Spott des niedrigen Poͤbels, ausgetilgt
aus dem Buch der Rechtſchaffenheit; keiner
wagt ſich ihm zu nahen, der Poͤbel fuͤrchtet
ſogar durch ſein bloſſes Beruͤhren, einen Teil
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[127/0135] dung ſie nicht genieſſen koͤnnen, und ſich in ſein Elend zuruͤkziehen muͤſſen. Die ſchoͤnſten Guͤ- ter dieſes Lebens, Guͤter, welche die druͤkken- de Laſten unſerer Menſchheit erleichtern, die den ſinkenden Bau unſers ſchwachen Koͤrpers unter- ſtuͤzzen, ſind ihm verborgen. Alle Freuden der Natur — Freuden, die Lebensgenuß und Fuͤlle auf uns herabſtroͤmen, ſind fuͤr ihn tod. Er ſieht die Freude in allen Geſchoͤpfen laͤcheln, vom Tag- loͤhner, der ſich vom Aufgang bis zum Nieder- gang der Sonne abmuͤdet, bis zur kleinſten Rau- pe, die ſich zum bunten Schmetterlinge verwan- delt, alles empfindet die Wuͤrde, daß es da iſt, nur er nicht; denn ſein Auge umzieht ein duͤſtrer Flor — alles traͤgt die Farbe der Traurigkeit fuͤr ihn, Jammer und Elend begleiten ihn, und wandeln mit ihm in Gefilde, wo die einſame Diſtel ihr mageres Haupt ſenkt, und kein Vogel der Liebe ſchwirret, wo die Eule flattert, und der Uhu heulet. Sein Name iſt gebrandmarket, ein Spott des niedrigen Poͤbels, ausgetilgt aus dem Buch der Rechtſchaffenheit; keiner wagt ſich ihm zu nahen, der Poͤbel fuͤrchtet ſogar durch ſein bloſſes Beruͤhren, einen Teil ſeiner Schande auf ſich zu laden. Eingeſchloſ-

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/135>, abgerufen am 29.03.2024.