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Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878.

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EINLEITUNG.

Als Wundinfectionskrankheiten bezeichnet man heutzutage eine
Gruppe von Krankheiten die man früher perniciöses Wundfieber,
purulente Infection, putride Infection, Septicämie, Pyämie nannte
oder auch, als sich die Ansicht geltend machte, dass verschiedene
ähnliche Krankheiten hierhin gehören, unter dem Ausdruck py¬
ämische oder septicämische Processe zusammenfasste.

Streng genommen müsste man dazu alle diejenigen Krank¬
heiten rechnen, welche eine Folge von Verwundungen, selbst der
kleinsten, z. B. Stichen einer Impfnadel sind und deren An¬
steckungsfähigkeit durch klinische Beobachtung oder durch das
Experiment mit Sicherheit erwiesen ist. Beispielsweise würden
also die geimpften Kuhpocken, Milzbrand, Rotz, die Hundswuth,
selbst die Syphilis zu den Wundinfectionskrankheiten gezählt wer¬
den müssen. So weit dehnt man diese Bezeichnung jedoch nicht
aus und lässt sie gewöhnlich nur für die den Chirurgen speciell
interessirenden Krankheitsprocesse, welche Verletzungen und Ope¬
rationswunden zu compliciren pflegen, also für Septicämie, Pyämie,
progressive Eiterung oder Phlegmone und Erysipelas gelten. In
neuerer Zeit ist man immer mehr zu der Ueberzeugung gekom¬
men, dass auch das Puerperalfieber als eine von der Placentar¬
wundstelle oder von Verletzungen der Geburtswege ausgehende
infectiöse Wundkrankheit anzusehen ist. Ferner wird von den
meisten Autoren die Diphtheritis, weil sie sich gelegentlich zu
Verletzungen gesellt und ihre Uebertragbarkeit durch Impfungen
vielfach erwiesen ist, hierher gerechnet.

Bei den Erörterungen, welche ich dem experimentellen Theil
dieser Arbeit vorauszuschicken habe, werde ich mich gleichfalls
auf die zuletzt genannten Krankheitsprocesse beschränken, im
zweiten Abschnitte dagegen insofern von der üblichen Abgrenzung

EINLEITUNG.

Als Wundinfectionskrankheiten bezeichnet man heutzutage eine
Gruppe von Krankheiten die man früher perniciöses Wundfieber,
purulente Infection, putride Infection, Septicämie, Pyämie nannte
oder auch, als sich die Ansicht geltend machte, dass verschiedene
ähnliche Krankheiten hierhin gehören, unter dem Ausdruck py¬
ämische oder septicämische Processe zusammenfasste.

Streng genommen müsste man dazu alle diejenigen Krank¬
heiten rechnen, welche eine Folge von Verwundungen, selbst der
kleinsten, z. B. Stichen einer Impfnadel sind und deren An¬
steckungsfähigkeit durch klinische Beobachtung oder durch das
Experiment mit Sicherheit erwiesen ist. Beispielsweise würden
also die geimpften Kuhpocken, Milzbrand, Rotz, die Hundswuth,
selbst die Syphilis zu den Wundinfectionskrankheiten gezählt wer¬
den müssen. So weit dehnt man diese Bezeichnung jedoch nicht
aus und lässt sie gewöhnlich nur für die den Chirurgen speciell
interessirenden Krankheitsprocesse, welche Verletzungen und Ope¬
rationswunden zu compliciren pflegen, also für Septicämie, Pyämie,
progressive Eiterung oder Phlegmone und Erysipelas gelten. In
neuerer Zeit ist man immer mehr zu der Ueberzeugung gekom¬
men, dass auch das Puerperalfieber als eine von der Placentar¬
wundstelle oder von Verletzungen der Geburtswege ausgehende
infectiöse Wundkrankheit anzusehen ist. Ferner wird von den
meisten Autoren die Diphtheritis, weil sie sich gelegentlich zu
Verletzungen gesellt und ihre Uebertragbarkeit durch Impfungen
vielfach erwiesen ist, hierher gerechnet.

Bei den Erörterungen, welche ich dem experimentellen Theil
dieser Arbeit vorauszuschicken habe, werde ich mich gleichfalls
auf die zuletzt genannten Krankheitsprocesse beschränken, im
zweiten Abschnitte dagegen insofern von der üblichen Abgrenzung

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[[5]/0015] EINLEITUNG. Als Wundinfectionskrankheiten bezeichnet man heutzutage eine Gruppe von Krankheiten die man früher perniciöses Wundfieber, purulente Infection, putride Infection, Septicämie, Pyämie nannte oder auch, als sich die Ansicht geltend machte, dass verschiedene ähnliche Krankheiten hierhin gehören, unter dem Ausdruck py¬ ämische oder septicämische Processe zusammenfasste. Streng genommen müsste man dazu alle diejenigen Krank¬ heiten rechnen, welche eine Folge von Verwundungen, selbst der kleinsten, z. B. Stichen einer Impfnadel sind und deren An¬ steckungsfähigkeit durch klinische Beobachtung oder durch das Experiment mit Sicherheit erwiesen ist. Beispielsweise würden also die geimpften Kuhpocken, Milzbrand, Rotz, die Hundswuth, selbst die Syphilis zu den Wundinfectionskrankheiten gezählt wer¬ den müssen. So weit dehnt man diese Bezeichnung jedoch nicht aus und lässt sie gewöhnlich nur für die den Chirurgen speciell interessirenden Krankheitsprocesse, welche Verletzungen und Ope¬ rationswunden zu compliciren pflegen, also für Septicämie, Pyämie, progressive Eiterung oder Phlegmone und Erysipelas gelten. In neuerer Zeit ist man immer mehr zu der Ueberzeugung gekom¬ men, dass auch das Puerperalfieber als eine von der Placentar¬ wundstelle oder von Verletzungen der Geburtswege ausgehende infectiöse Wundkrankheit anzusehen ist. Ferner wird von den meisten Autoren die Diphtheritis, weil sie sich gelegentlich zu Verletzungen gesellt und ihre Uebertragbarkeit durch Impfungen vielfach erwiesen ist, hierher gerechnet. Bei den Erörterungen, welche ich dem experimentellen Theil dieser Arbeit vorauszuschicken habe, werde ich mich gleichfalls auf die zuletzt genannten Krankheitsprocesse beschränken, im zweiten Abschnitte dagegen insofern von der üblichen Abgrenzung

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Zitationshilfe: Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/15>, abgerufen am 29.03.2024.