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Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878.

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Einleitung.
der Wundinfectionskrankheiten abweichen, dass ich auch den Milz¬
brand wegen seiner vielfachen Beziehungen zu der experimentell
bei Thieren erzeugten Septicämie berücksichtigen werde.

Die Ausdrücke Pyämie sowohl als auch Septicämie werden
vielfach in verschiedenem Sinne gebraucht und es ist deswegen
nothwendig, dasjenige, was ich mit diesen allgemein gebräuch¬
lichen Namen bezeichnen werde, zu präcisiren.

Lange Zeit unterschied man die Pyämie von der Septicämie
dadurch, dass bei der ersteren Metastasen vorkommen und bei
der letzteren fehlen. Als man aber darauf aufmerksam wurde,
dass auch in solchen Fällen, die man früher als zur Septicämie
gehörig bezeichnet hatte, vereinzelte mikroskopische Metastasen
nicht selten gefunden werden und deswegen eine sichere Unter¬
scheidung der beiden Processe nicht möglich ist, haben einige
Autoren es vorgezogen, die durch Aufnahme des gelösten putriden
Giftes veranlasste Krankheit Septicämie, alle übrigen, namentlich
die mit der Entwicklung von Mikroorganismen verbundenen Krank¬
heitsprocesse pyämische Processe zu nennen.

In diesem Sinne unterscheidet beispielsweise Birch-Hirsch¬
feld
1) Pyämie und Septicämie. Er versteht unter Septicämie
eine Krankheit hervorgerufen durch Blutveränderungen, die eine
Folge der Aufnahme von Fäulnissproducten sind. Die Pyämie
charakterisirt er dagegen "als eine wahrscheinlich durch specifische
Organismen hervorgerufene und von der fauligen Infection unter¬
schiedene Allgemeininfection, welche von Wundflächen oder den
Herden primärer eiteriger Entzündung ausgeht." Auch Cohn¬
heim
2) identificirt die Septicämie mit der putriden Intoxication
und leitet sie von dem Hineingelangen eines gelösten exquisit
putriden Giftes in die Säftemasse des Körpers ab. Davaine da¬
gegen, dessen Arbeiten ich später mehrfach zu erwähnen habe,
hält sich an die ältere Unterscheidung von Pyämie und Septi¬
cämie und rechnet zu letzterer alle die Fälle, bei denen die
Leichenuntersuchung keine Metastasen nachweist, obwohl er die
Mitwirkung specifischer Organismen auch für diese Fälle für er¬
wiesen hält.

Die Namen Pyämie und Septicämie entsprechen beide nicht
mehr dem, was man ursprünglich damit bezeichnet hat; denn die

1) Lehrbuch der pathologischen Anatomie. Leipzig, Vogel, 1876. p. 1224.
2) Vorlesungen über allgemeine Pathologie. Berlin 1877. S. 469.

Einleitung.
der Wundinfectionskrankheiten abweichen, dass ich auch den Milz¬
brand wegen seiner vielfachen Beziehungen zu der experimentell
bei Thieren erzeugten Septicämie berücksichtigen werde.

Die Ausdrücke Pyämie sowohl als auch Septicämie werden
vielfach in verschiedenem Sinne gebraucht und es ist deswegen
nothwendig, dasjenige, was ich mit diesen allgemein gebräuch¬
lichen Namen bezeichnen werde, zu präcisiren.

Lange Zeit unterschied man die Pyämie von der Septicämie
dadurch, dass bei der ersteren Metastasen vorkommen und bei
der letzteren fehlen. Als man aber darauf aufmerksam wurde,
dass auch in solchen Fällen, die man früher als zur Septicämie
gehörig bezeichnet hatte, vereinzelte mikroskopische Metastasen
nicht selten gefunden werden und deswegen eine sichere Unter¬
scheidung der beiden Processe nicht möglich ist, haben einige
Autoren es vorgezogen, die durch Aufnahme des gelösten putriden
Giftes veranlasste Krankheit Septicämie, alle übrigen, namentlich
die mit der Entwicklung von Mikroorganismen verbundenen Krank¬
heitsprocesse pyämische Processe zu nennen.

In diesem Sinne unterscheidet beispielsweise Birch-Hirsch¬
feld
1) Pyämie und Septicämie. Er versteht unter Septicämie
eine Krankheit hervorgerufen durch Blutveränderungen, die eine
Folge der Aufnahme von Fäulnissproducten sind. Die Pyämie
charakterisirt er dagegen „als eine wahrscheinlich durch specifische
Organismen hervorgerufene und von der fauligen Infection unter¬
schiedene Allgemeininfection, welche von Wundflächen oder den
Herden primärer eiteriger Entzündung ausgeht.“ Auch Cohn¬
heim
2) identificirt die Septicämie mit der putriden Intoxication
und leitet sie von dem Hineingelangen eines gelösten exquisit
putriden Giftes in die Säftemasse des Körpers ab. Davaine da¬
gegen, dessen Arbeiten ich später mehrfach zu erwähnen habe,
hält sich an die ältere Unterscheidung von Pyämie und Septi¬
cämie und rechnet zu letzterer alle die Fälle, bei denen die
Leichenuntersuchung keine Metastasen nachweist, obwohl er die
Mitwirkung specifischer Organismen auch für diese Fälle für er¬
wiesen hält.

Die Namen Pyämie und Septicämie entsprechen beide nicht
mehr dem, was man ursprünglich damit bezeichnet hat; denn die

1) Lehrbuch der pathologischen Anatomie. Leipzig, Vogel, 1876. p. 1224.
2) Vorlesungen über allgemeine Pathologie. Berlin 1877. S. 469.
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[6/0016] Einleitung. der Wundinfectionskrankheiten abweichen, dass ich auch den Milz¬ brand wegen seiner vielfachen Beziehungen zu der experimentell bei Thieren erzeugten Septicämie berücksichtigen werde. Die Ausdrücke Pyämie sowohl als auch Septicämie werden vielfach in verschiedenem Sinne gebraucht und es ist deswegen nothwendig, dasjenige, was ich mit diesen allgemein gebräuch¬ lichen Namen bezeichnen werde, zu präcisiren. Lange Zeit unterschied man die Pyämie von der Septicämie dadurch, dass bei der ersteren Metastasen vorkommen und bei der letzteren fehlen. Als man aber darauf aufmerksam wurde, dass auch in solchen Fällen, die man früher als zur Septicämie gehörig bezeichnet hatte, vereinzelte mikroskopische Metastasen nicht selten gefunden werden und deswegen eine sichere Unter¬ scheidung der beiden Processe nicht möglich ist, haben einige Autoren es vorgezogen, die durch Aufnahme des gelösten putriden Giftes veranlasste Krankheit Septicämie, alle übrigen, namentlich die mit der Entwicklung von Mikroorganismen verbundenen Krank¬ heitsprocesse pyämische Processe zu nennen. In diesem Sinne unterscheidet beispielsweise Birch-Hirsch¬ feld 1) Pyämie und Septicämie. Er versteht unter Septicämie eine Krankheit hervorgerufen durch Blutveränderungen, die eine Folge der Aufnahme von Fäulnissproducten sind. Die Pyämie charakterisirt er dagegen „als eine wahrscheinlich durch specifische Organismen hervorgerufene und von der fauligen Infection unter¬ schiedene Allgemeininfection, welche von Wundflächen oder den Herden primärer eiteriger Entzündung ausgeht.“ Auch Cohn¬ heim 2) identificirt die Septicämie mit der putriden Intoxication und leitet sie von dem Hineingelangen eines gelösten exquisit putriden Giftes in die Säftemasse des Körpers ab. Davaine da¬ gegen, dessen Arbeiten ich später mehrfach zu erwähnen habe, hält sich an die ältere Unterscheidung von Pyämie und Septi¬ cämie und rechnet zu letzterer alle die Fälle, bei denen die Leichenuntersuchung keine Metastasen nachweist, obwohl er die Mitwirkung specifischer Organismen auch für diese Fälle für er¬ wiesen hält. Die Namen Pyämie und Septicämie entsprechen beide nicht mehr dem, was man ursprünglich damit bezeichnet hat; denn die 1) Lehrbuch der pathologischen Anatomie. Leipzig, Vogel, 1876. p. 1224. 2) Vorlesungen über allgemeine Pathologie. Berlin 1877. S. 469.

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Zitationshilfe: Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/16>, abgerufen am 28.03.2024.