Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878.

Bild:
<< vorherige Seite

2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen.
keine bedeutende Breite und dicht dahinter folgt normales Ge¬
webe. Bei starker Vergrösserung stellt sich indessen heraus, dass
die Mikrokokken nicht ganz bis an die Kernschicht heranreichen.
Die Kerne sind an der dem Mikrokokkengebiet zugekehrten Seite
der Lymphzellenanhäufung im Zerfall begriffen. Zahllose immer
kleiner werdende Fragmente von ganz unregelmässigen Formen
bilden die obere Grenze des Kernwalles und sobald man im Prä¬
parat in diese Region kommt, kann man mit Sicherheit auf die
Nähe der Mikrokokken schliessen. Doch bleibt zwischen den
letzten Kernresten und den Mikrokokken fast immer noch ein nur
aus nekrotischem Gewebe bestehender ziemlich breiter Strich, in
dem weder Mikrokokken noch Kerne zu finden sind; selten ist
es, dass die Mikrokokkenketten noch in die zerfallende Kern¬
schichte hineinreichen.

Hiernach muss man sich das Verhalten der die Nekrose ver¬
anlassenden kettenförmigen Mikrokokken so vorstellen, dass sie,
durch die Impfung in lebende thierische Gewebe gebracht, sich
vermehren und bei ihrem Vegetationsprocess lösliche Substanzen
abscheiden, die durch Diffusion in die Umgebung gelangen. In
grösserer Concentration, also in der Nähe der Mikrokokken hat
dieses gelöste Product der Mikrokokken eine so deletäre Wirkung
auf alle Zellen, dass sie zu Grunde gehen und schliesslich völlig
verschwinden. Entfernter von den Mikrokokken wird die Lösung
verdünnter, wirkt weniger intensiv und ruft in einem gewissen
Abstand nur noch Entzündungsreiz und Anhäufung von Lymph¬
zellen hervor. So kommt es denn, dass die Mikrokokken sich
immer in nekrotischem Gewebe befinden und bei ihrer Ausbrei¬
tung einen Kernwall vor sich herschieben, der auf der ihnen zu¬
gewandten Seite fortwährend abschmilzt und auf der entgegenge¬
setzten Seite durch sich immer von Neuem anlegende Lymphzellen
ersetzt wird.

Diese Beobachtungen beziehen sich indessen auf Impfungen
mit Flüssigkeit, die Mikrokokken und Bacillen enthielt, und man
könnte annehmen, dass die Septicämiebacillen zur Entwicklung
der Mikrokokken die nothwendigen Vorgänger abgeben, diesen
also gewissermaassen den Weg bahnen mussten. Es wurde des¬
wegen in verschiedener Weise versucht, die beiden Parasiten von
einander zu trennen, indem das eine Mal mehr, das andere Mal
weniger Impfflüssigkeit, näher oder entfernter von der Impfstelle
genommen, auch die Applicationsstellen möglichst variirt wurden.

Koch, Wundinfectionskrankheiten. 4

2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen.
keine bedeutende Breite und dicht dahinter folgt normales Ge¬
webe. Bei starker Vergrösserung stellt sich indessen heraus, dass
die Mikrokokken nicht ganz bis an die Kernschicht heranreichen.
Die Kerne sind an der dem Mikrokokkengebiet zugekehrten Seite
der Lymphzellenanhäufung im Zerfall begriffen. Zahllose immer
kleiner werdende Fragmente von ganz unregelmässigen Formen
bilden die obere Grenze des Kernwalles und sobald man im Prä¬
parat in diese Region kommt, kann man mit Sicherheit auf die
Nähe der Mikrokokken schliessen. Doch bleibt zwischen den
letzten Kernresten und den Mikrokokken fast immer noch ein nur
aus nekrotischem Gewebe bestehender ziemlich breiter Strich, in
dem weder Mikrokokken noch Kerne zu finden sind; selten ist
es, dass die Mikrokokkenketten noch in die zerfallende Kern¬
schichte hineinreichen.

Hiernach muss man sich das Verhalten der die Nekrose ver¬
anlassenden kettenförmigen Mikrokokken so vorstellen, dass sie,
durch die Impfung in lebende thierische Gewebe gebracht, sich
vermehren und bei ihrem Vegetationsprocess lösliche Substanzen
abscheiden, die durch Diffusion in die Umgebung gelangen. In
grösserer Concentration, also in der Nähe der Mikrokokken hat
dieses gelöste Product der Mikrokokken eine so deletäre Wirkung
auf alle Zellen, dass sie zu Grunde gehen und schliesslich völlig
verschwinden. Entfernter von den Mikrokokken wird die Lösung
verdünnter, wirkt weniger intensiv und ruft in einem gewissen
Abstand nur noch Entzündungsreiz und Anhäufung von Lymph¬
zellen hervor. So kommt es denn, dass die Mikrokokken sich
immer in nekrotischem Gewebe befinden und bei ihrer Ausbrei¬
tung einen Kernwall vor sich herschieben, der auf der ihnen zu¬
gewandten Seite fortwährend abschmilzt und auf der entgegenge¬
setzten Seite durch sich immer von Neuem anlegende Lymphzellen
ersetzt wird.

Diese Beobachtungen beziehen sich indessen auf Impfungen
mit Flüssigkeit, die Mikrokokken und Bacillen enthielt, und man
könnte annehmen, dass die Septicämiebacillen zur Entwicklung
der Mikrokokken die nothwendigen Vorgänger abgeben, diesen
also gewissermaassen den Weg bahnen mussten. Es wurde des¬
wegen in verschiedener Weise versucht, die beiden Parasiten von
einander zu trennen, indem das eine Mal mehr, das andere Mal
weniger Impfflüssigkeit, näher oder entfernter von der Impfstelle
genommen, auch die Applicationsstellen möglichst variirt wurden.

Koch, Wundinfectionskrankheiten. 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0059" n="49"/><fw place="top" type="header">2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen.<lb/></fw> keine bedeutende Breite und dicht dahinter folgt normales Ge¬<lb/>
webe. Bei starker Vergrösserung stellt sich indessen heraus, dass<lb/>
die Mikrokokken nicht ganz bis an die Kernschicht heranreichen.<lb/>
Die Kerne sind an der dem Mikrokokkengebiet zugekehrten Seite<lb/>
der Lymphzellenanhäufung im Zerfall begriffen. Zahllose immer<lb/>
kleiner werdende Fragmente von ganz unregelmässigen Formen<lb/>
bilden die obere Grenze des Kernwalles und sobald man im Prä¬<lb/>
parat in diese Region kommt, kann man mit Sicherheit auf die<lb/>
Nähe der Mikrokokken schliessen. Doch bleibt zwischen den<lb/>
letzten Kernresten und den Mikrokokken fast immer noch ein nur<lb/>
aus nekrotischem Gewebe bestehender ziemlich breiter Strich, in<lb/>
dem weder Mikrokokken noch Kerne zu finden sind; selten ist<lb/>
es, dass die Mikrokokkenketten noch in die zerfallende Kern¬<lb/>
schichte hineinreichen.</p><lb/>
          <p>Hiernach muss man sich das Verhalten der die Nekrose ver¬<lb/>
anlassenden kettenförmigen Mikrokokken so vorstellen, dass sie,<lb/>
durch die Impfung in lebende thierische Gewebe gebracht, sich<lb/>
vermehren und bei ihrem Vegetationsprocess lösliche Substanzen<lb/>
abscheiden, die durch Diffusion in die Umgebung gelangen. In<lb/>
grösserer Concentration, also in der Nähe der Mikrokokken hat<lb/>
dieses gelöste Product der Mikrokokken eine so deletäre Wirkung<lb/>
auf alle Zellen, dass sie zu Grunde gehen und schliesslich völlig<lb/>
verschwinden. Entfernter von den Mikrokokken wird die Lösung<lb/>
verdünnter, wirkt weniger intensiv und ruft in einem gewissen<lb/>
Abstand nur noch Entzündungsreiz und Anhäufung von Lymph¬<lb/>
zellen hervor. So kommt es denn, dass die Mikrokokken sich<lb/>
immer in nekrotischem Gewebe befinden und bei ihrer Ausbrei¬<lb/>
tung einen Kernwall vor sich herschieben, der auf der ihnen zu¬<lb/>
gewandten Seite fortwährend abschmilzt und auf der entgegenge¬<lb/>
setzten Seite durch sich immer von Neuem anlegende Lymphzellen<lb/>
ersetzt wird.</p><lb/>
          <p>Diese Beobachtungen beziehen sich indessen auf Impfungen<lb/>
mit Flüssigkeit, die Mikrokokken und Bacillen enthielt, und man<lb/>
könnte annehmen, dass die Septicämiebacillen zur Entwicklung<lb/>
der Mikrokokken die nothwendigen Vorgänger abgeben, diesen<lb/>
also gewissermaassen den Weg bahnen mussten. Es wurde des¬<lb/>
wegen in verschiedener Weise versucht, die beiden Parasiten von<lb/>
einander zu trennen, indem das eine Mal mehr, das andere Mal<lb/>
weniger Impfflüssigkeit, näher oder entfernter von der Impfstelle<lb/>
genommen, auch die Applicationsstellen möglichst variirt wurden.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Koch</hi>, Wundinfectionskrankheiten. 4<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0059] 2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen. keine bedeutende Breite und dicht dahinter folgt normales Ge¬ webe. Bei starker Vergrösserung stellt sich indessen heraus, dass die Mikrokokken nicht ganz bis an die Kernschicht heranreichen. Die Kerne sind an der dem Mikrokokkengebiet zugekehrten Seite der Lymphzellenanhäufung im Zerfall begriffen. Zahllose immer kleiner werdende Fragmente von ganz unregelmässigen Formen bilden die obere Grenze des Kernwalles und sobald man im Prä¬ parat in diese Region kommt, kann man mit Sicherheit auf die Nähe der Mikrokokken schliessen. Doch bleibt zwischen den letzten Kernresten und den Mikrokokken fast immer noch ein nur aus nekrotischem Gewebe bestehender ziemlich breiter Strich, in dem weder Mikrokokken noch Kerne zu finden sind; selten ist es, dass die Mikrokokkenketten noch in die zerfallende Kern¬ schichte hineinreichen. Hiernach muss man sich das Verhalten der die Nekrose ver¬ anlassenden kettenförmigen Mikrokokken so vorstellen, dass sie, durch die Impfung in lebende thierische Gewebe gebracht, sich vermehren und bei ihrem Vegetationsprocess lösliche Substanzen abscheiden, die durch Diffusion in die Umgebung gelangen. In grösserer Concentration, also in der Nähe der Mikrokokken hat dieses gelöste Product der Mikrokokken eine so deletäre Wirkung auf alle Zellen, dass sie zu Grunde gehen und schliesslich völlig verschwinden. Entfernter von den Mikrokokken wird die Lösung verdünnter, wirkt weniger intensiv und ruft in einem gewissen Abstand nur noch Entzündungsreiz und Anhäufung von Lymph¬ zellen hervor. So kommt es denn, dass die Mikrokokken sich immer in nekrotischem Gewebe befinden und bei ihrer Ausbrei¬ tung einen Kernwall vor sich herschieben, der auf der ihnen zu¬ gewandten Seite fortwährend abschmilzt und auf der entgegenge¬ setzten Seite durch sich immer von Neuem anlegende Lymphzellen ersetzt wird. Diese Beobachtungen beziehen sich indessen auf Impfungen mit Flüssigkeit, die Mikrokokken und Bacillen enthielt, und man könnte annehmen, dass die Septicämiebacillen zur Entwicklung der Mikrokokken die nothwendigen Vorgänger abgeben, diesen also gewissermaassen den Weg bahnen mussten. Es wurde des¬ wegen in verschiedener Weise versucht, die beiden Parasiten von einander zu trennen, indem das eine Mal mehr, das andere Mal weniger Impfflüssigkeit, näher oder entfernter von der Impfstelle genommen, auch die Applicationsstellen möglichst variirt wurden. Koch, Wundinfectionskrankheiten. 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/59
Zitationshilfe: Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/59>, abgerufen am 25.04.2024.