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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Erste Bildung der Gefässe.
dieser erst nachträglich eine Höhlung sich bildet. In dieser Höhlung
bemerkt man Flüssigkeit und einzelne Zellen, welche als abgelöste
Wandzellen betrachtet werden können und als Blutkörperchen zu
bezeichnen sind. Die Wandung des Herzens beginnt merkwürdiger
Weise ihre Zusammenziehungen zu einer Zeit, wo sie noch ganz aus
Zellen besteht, wenigstens ist beim Hühnchen am zweiten Tage, an dem
die Pulsation beginnt, von Muskelfasern Nichts zu sehen, auch sind
sicherlich keine solchen in irgend wie entwickelterem Zustande vor-
handen. Wir hätten daher hier einfache Zellen als Ursachen der Con-
traction anzusehen, etwa wie bei den einfachsten Thieren (Hydra
z. B.), wobei es jedoch unentschieden bleibt, ob alle Zellen des ur-
sprünglichen Herzschlauches contractil sind, oder nur gewisse der-
selben. Die Bildung der Höhlung im Innern kommt während der
Abschnürung des Herzens von der Darmfaserwand zu Stande und
zwar wahrscheinlich durch Ausscheidung von Flüssigkeit im Innern.
Hierdurch wird auch der centrale Theil der Zellen der Herzanlage
gelockert und von den äusseren Zellen gelöst und diese Zellen rollen
dann als erste Blutzellen in der ausgeschiedenen Flüssigkeit umher.
Die Pulsation beginnt schon am geschlossenen Herzen, bevor dieses
noch mit den Gefässen communicirt, die Schläge folgen sich lang-
sam, in langen Intervallen, in der Richtung vom Venenende nach
dem Arterienende zu, also von hinten nach vorn. Nachdem am zwei-
ten Tage beim Hühnchen das Herz mit der Höhlung der Gefässe in
Verbindung getreten ist, die Blutbehälter überhaupt weiter ausge-
bildet sind, beginnt ein regelrechter Kreislauf und die Pulsationen
vermehren sich bis auf 40 in der Minute.

Das Herz ändert nach seiner Abschnürung auch seine Gestalt
und Lage. Zuerst krümmt es sich der Länge nach und dreht sich
hierbei etwas nach rechts, so dass die frühere vordere Wand nach
rechts, die frühere hintere Wand nach links sich wendet. Da wo
die Aorten entspringen, tritt eine Anschwellung, der Bulbus Aor-Bulbus aortae.
tae auf, und an der Einmündungsstelle der Venen bilden sich zwei
Ausbuchtungen, die Anlagen der Vorkammern und Herzohren.Vorkammern.
Zugleich krümmt sich das Herz S förmig zusammen und wird nach
und nach diese Biegung immer bedeutender, so dass der arterielle
Theil ganz nach rechts, vorn und oben, der venöse Theil ganz nach
links, hinten und unten zu liegen kommt. An dem so beschaffenen
Herzen unterscheidet man jetzt drei durch leichte Einschnürungen
von einander geschiedene Abtheilungen, die Vorkammern, die Kam-

Erste Bildung der Gefässe.
dieser erst nachträglich eine Höhlung sich bildet. In dieser Höhlung
bemerkt man Flüssigkeit und einzelne Zellen, welche als abgelöste
Wandzellen betrachtet werden können und als Blutkörperchen zu
bezeichnen sind. Die Wandung des Herzens beginnt merkwürdiger
Weise ihre Zusammenziehungen zu einer Zeit, wo sie noch ganz aus
Zellen besteht, wenigstens ist beim Hühnchen am zweiten Tage, an dem
die Pulsation beginnt, von Muskelfasern Nichts zu sehen, auch sind
sicherlich keine solchen in irgend wie entwickelterem Zustande vor-
handen. Wir hätten daher hier einfache Zellen als Ursachen der Con-
traction anzusehen, etwa wie bei den einfachsten Thieren (Hydra
z. B.), wobei es jedoch unentschieden bleibt, ob alle Zellen des ur-
sprünglichen Herzschlauches contractil sind, oder nur gewisse der-
selben. Die Bildung der Höhlung im Innern kommt während der
Abschnürung des Herzens von der Darmfaserwand zu Stande und
zwar wahrscheinlich durch Ausscheidung von Flüssigkeit im Innern.
Hierdurch wird auch der centrale Theil der Zellen der Herzanlage
gelockert und von den äusseren Zellen gelöst und diese Zellen rollen
dann als erste Blutzellen in der ausgeschiedenen Flüssigkeit umher.
Die Pulsation beginnt schon am geschlossenen Herzen, bevor dieses
noch mit den Gefässen communicirt, die Schläge folgen sich lang-
sam, in langen Intervallen, in der Richtung vom Venenende nach
dem Arterienende zu, also von hinten nach vorn. Nachdem am zwei-
ten Tage beim Hühnchen das Herz mit der Höhlung der Gefässe in
Verbindung getreten ist, die Blutbehälter überhaupt weiter ausge-
bildet sind, beginnt ein regelrechter Kreislauf und die Pulsationen
vermehren sich bis auf 40 in der Minute.

Das Herz ändert nach seiner Abschnürung auch seine Gestalt
und Lage. Zuerst krümmt es sich der Länge nach und dreht sich
hierbei etwas nach rechts, so dass die frühere vordere Wand nach
rechts, die frühere hintere Wand nach links sich wendet. Da wo
die Aorten entspringen, tritt eine Anschwellung, der Bulbus Aor-Bulbus aortae.
tae auf, und an der Einmündungsstelle der Venen bilden sich zwei
Ausbuchtungen, die Anlagen der Vorkammern und Herzohren.Vorkammern.
Zugleich krümmt sich das Herz S förmig zusammen und wird nach
und nach diese Biegung immer bedeutender, so dass der arterielle
Theil ganz nach rechts, vorn und oben, der venöse Theil ganz nach
links, hinten und unten zu liegen kommt. An dem so beschaffenen
Herzen unterscheidet man jetzt drei durch leichte Einschnürungen
von einander geschiedene Abtheilungen, die Vorkammern, die Kam-

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[87/0103] Erste Bildung der Gefässe. dieser erst nachträglich eine Höhlung sich bildet. In dieser Höhlung bemerkt man Flüssigkeit und einzelne Zellen, welche als abgelöste Wandzellen betrachtet werden können und als Blutkörperchen zu bezeichnen sind. Die Wandung des Herzens beginnt merkwürdiger Weise ihre Zusammenziehungen zu einer Zeit, wo sie noch ganz aus Zellen besteht, wenigstens ist beim Hühnchen am zweiten Tage, an dem die Pulsation beginnt, von Muskelfasern Nichts zu sehen, auch sind sicherlich keine solchen in irgend wie entwickelterem Zustande vor- handen. Wir hätten daher hier einfache Zellen als Ursachen der Con- traction anzusehen, etwa wie bei den einfachsten Thieren (Hydra z. B.), wobei es jedoch unentschieden bleibt, ob alle Zellen des ur- sprünglichen Herzschlauches contractil sind, oder nur gewisse der- selben. Die Bildung der Höhlung im Innern kommt während der Abschnürung des Herzens von der Darmfaserwand zu Stande und zwar wahrscheinlich durch Ausscheidung von Flüssigkeit im Innern. Hierdurch wird auch der centrale Theil der Zellen der Herzanlage gelockert und von den äusseren Zellen gelöst und diese Zellen rollen dann als erste Blutzellen in der ausgeschiedenen Flüssigkeit umher. Die Pulsation beginnt schon am geschlossenen Herzen, bevor dieses noch mit den Gefässen communicirt, die Schläge folgen sich lang- sam, in langen Intervallen, in der Richtung vom Venenende nach dem Arterienende zu, also von hinten nach vorn. Nachdem am zwei- ten Tage beim Hühnchen das Herz mit der Höhlung der Gefässe in Verbindung getreten ist, die Blutbehälter überhaupt weiter ausge- bildet sind, beginnt ein regelrechter Kreislauf und die Pulsationen vermehren sich bis auf 40 in der Minute. Das Herz ändert nach seiner Abschnürung auch seine Gestalt und Lage. Zuerst krümmt es sich der Länge nach und dreht sich hierbei etwas nach rechts, so dass die frühere vordere Wand nach rechts, die frühere hintere Wand nach links sich wendet. Da wo die Aorten entspringen, tritt eine Anschwellung, der Bulbus Aor- tae auf, und an der Einmündungsstelle der Venen bilden sich zwei Ausbuchtungen, die Anlagen der Vorkammern und Herzohren. Zugleich krümmt sich das Herz S förmig zusammen und wird nach und nach diese Biegung immer bedeutender, so dass der arterielle Theil ganz nach rechts, vorn und oben, der venöse Theil ganz nach links, hinten und unten zu liegen kommt. An dem so beschaffenen Herzen unterscheidet man jetzt drei durch leichte Einschnürungen von einander geschiedene Abtheilungen, die Vorkammern, die Kam- Bulbus aortae. Vorkammern.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/103>, abgerufen am 29.03.2024.