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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung des Nervensystems.
massige Körper, vorn eher spitz und hinten breit (Fig. 111), die so
dicht an einander liegen, dass der obere Theil der zwischen ihnen
befindlichen Spalte oder des dritten Ventrikels ganz geschlossen ist.
Im vierten und fünften Monate nehmen sie dann nach und nach ihre
typische Gestalt an, worüber nichts weiter zu sagen ist.

Eine besondere Berücksichtigung verdient der Boden des Zwi-Boden des
Zwischenhirns.

schenhirns. Ursprünglich geschlossen erleidet derselbe nach den
Angaben von Schmidt ebenfalls eine Spaltung. Die Ränder der
Spalte laufen als zwei parallele Wälle allmälig an Höhe zunehmend
nach vorn, verbreitern sich dann und setzen sich in den untersten
hintersten Theil der Verwachsungsstelle der beiden Hemisphären
fort, die zur Lamina terminalis wird. Später legen sich die Ränder
der Spalte dicht an einander, ohne indess fester zu verwachsen, so
jedoch, dass vorn eine runde Oeffnung sich erhält, die zur Höhle des
Trichters wird. Dann verdickt sich der ganze Boden des dritten
Ventrikels und gestaltet sich zu den bekannten Theilen, über die ich
Ihnen noch im Einzelnen Folgendes zu sagen habe.

Die Corpora candicantia sind nach Tiedemann anfänglichCorpora
candicantia.

einfach und werden erst im siebenten Monate doppelt. Schmidt lässt
dieselben von Anfang an als zwei Erhebungen auftreten, was ich
vorläufig nicht unterstützen kann, indem ich beim 3monatlichen Em-
bryo nur Eine grössere Erhebung fand (Fig. 111). Das Tuber cine-Tuber cinereum.
reum ist um diese Zeit auch deutlich und durch ein ganz kurzes
Infundibulum mit der Hypophysis verbunden. Die Sehnerven gehenChiasma
n. opticorum.

bis zum Ende des zweiten Monates jeder für sich vom vorderen Ende
des Bodens des Zwischenhirns aus und zwar von einer deutlichen
hügelartigen Erhebung. Im dritten Monate entwickelt sich aus die-
ser das Chiasma und zugleich werden die Tractus optici deutlich, die
anfänglich ganz quer verlaufen (Fig. 111 to).

Die Entwicklung der Hypophysis Cerebri ist immer nochHypophysis.
in grosses Dunkel gehüllt. Rathke hatte früher (Müller's Arch. 1838
St. 482 und Entwickl. d. Natter St. 81, 123 u. 132) angegeben, dass
der Hirnanhang aus einer Ausstülpung der Rachenhöhle durch die
Basis des Schädels hindurch sich bilde, in neuester Zeit erklärt er
aber in seiner Entwicklungsgeschichte der Schildkröten St. 29, dass
er seine frühere Behauptung fallen lasse. Die angeführte Stelle
scheint jedoch zu lehren, dass es mehr theoretische Gründe sind,
die ihn hierzu bewogen, als wirkliche Beobachtungen. Auf der an-
deren Seite hat Reichert kurze Zeit nach Rathke erklärt (Entwick-

Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 16

Entwicklung des Nervensystems.
massige Körper, vorn eher spitz und hinten breit (Fig. 111), die so
dicht an einander liegen, dass der obere Theil der zwischen ihnen
befindlichen Spalte oder des dritten Ventrikels ganz geschlossen ist.
Im vierten und fünften Monate nehmen sie dann nach und nach ihre
typische Gestalt an, worüber nichts weiter zu sagen ist.

Eine besondere Berücksichtigung verdient der Boden des Zwi-Boden des
Zwischenhirns.

schenhirns. Ursprünglich geschlossen erleidet derselbe nach den
Angaben von Schmidt ebenfalls eine Spaltung. Die Ränder der
Spalte laufen als zwei parallele Wälle allmälig an Höhe zunehmend
nach vorn, verbreitern sich dann und setzen sich in den untersten
hintersten Theil der Verwachsungsstelle der beiden Hemisphären
fort, die zur Lamina terminalis wird. Später legen sich die Ränder
der Spalte dicht an einander, ohne indess fester zu verwachsen, so
jedoch, dass vorn eine runde Oeffnung sich erhält, die zur Höhle des
Trichters wird. Dann verdickt sich der ganze Boden des dritten
Ventrikels und gestaltet sich zu den bekannten Theilen, über die ich
Ihnen noch im Einzelnen Folgendes zu sagen habe.

Die Corpora candicantia sind nach Tiedemann anfänglichCorpora
candicantia.

einfach und werden erst im siebenten Monate doppelt. Schmidt lässt
dieselben von Anfang an als zwei Erhebungen auftreten, was ich
vorläufig nicht unterstützen kann, indem ich beim 3monatlichen Em-
bryo nur Eine grössere Erhebung fand (Fig. 111). Das Tuber cine-Tuber cinereum.
reum ist um diese Zeit auch deutlich und durch ein ganz kurzes
Infundibulum mit der Hypophysis verbunden. Die Sehnerven gehenChiasma
n. opticorum.

bis zum Ende des zweiten Monates jeder für sich vom vorderen Ende
des Bodens des Zwischenhirns aus und zwar von einer deutlichen
hügelartigen Erhebung. Im dritten Monate entwickelt sich aus die-
ser das Chiasma und zugleich werden die Tractus optici deutlich, die
anfänglich ganz quer verlaufen (Fig. 111 to).

Die Entwicklung der Hypophysis Cerebri ist immer nochHypophysis.
in grosses Dunkel gehüllt. Rathke hatte früher (Müller’s Arch. 1838
St. 482 und Entwickl. d. Natter St. 81, 123 u. 132) angegeben, dass
der Hirnanhang aus einer Ausstülpung der Rachenhöhle durch die
Basis des Schädels hindurch sich bilde, in neuester Zeit erklärt er
aber in seiner Entwicklungsgeschichte der Schildkröten St. 29, dass
er seine frühere Behauptung fallen lasse. Die angeführte Stelle
scheint jedoch zu lehren, dass es mehr theoretische Gründe sind,
die ihn hierzu bewogen, als wirkliche Beobachtungen. Auf der an-
deren Seite hat Reichert kurze Zeit nach Rathke erklärt (Entwick-

Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 16
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[241/0257] Entwicklung des Nervensystems. massige Körper, vorn eher spitz und hinten breit (Fig. 111), die so dicht an einander liegen, dass der obere Theil der zwischen ihnen befindlichen Spalte oder des dritten Ventrikels ganz geschlossen ist. Im vierten und fünften Monate nehmen sie dann nach und nach ihre typische Gestalt an, worüber nichts weiter zu sagen ist. Eine besondere Berücksichtigung verdient der Boden des Zwi- schenhirns. Ursprünglich geschlossen erleidet derselbe nach den Angaben von Schmidt ebenfalls eine Spaltung. Die Ränder der Spalte laufen als zwei parallele Wälle allmälig an Höhe zunehmend nach vorn, verbreitern sich dann und setzen sich in den untersten hintersten Theil der Verwachsungsstelle der beiden Hemisphären fort, die zur Lamina terminalis wird. Später legen sich die Ränder der Spalte dicht an einander, ohne indess fester zu verwachsen, so jedoch, dass vorn eine runde Oeffnung sich erhält, die zur Höhle des Trichters wird. Dann verdickt sich der ganze Boden des dritten Ventrikels und gestaltet sich zu den bekannten Theilen, über die ich Ihnen noch im Einzelnen Folgendes zu sagen habe. Boden des Zwischenhirns. Die Corpora candicantia sind nach Tiedemann anfänglich einfach und werden erst im siebenten Monate doppelt. Schmidt lässt dieselben von Anfang an als zwei Erhebungen auftreten, was ich vorläufig nicht unterstützen kann, indem ich beim 3monatlichen Em- bryo nur Eine grössere Erhebung fand (Fig. 111). Das Tuber cine- reum ist um diese Zeit auch deutlich und durch ein ganz kurzes Infundibulum mit der Hypophysis verbunden. Die Sehnerven gehen bis zum Ende des zweiten Monates jeder für sich vom vorderen Ende des Bodens des Zwischenhirns aus und zwar von einer deutlichen hügelartigen Erhebung. Im dritten Monate entwickelt sich aus die- ser das Chiasma und zugleich werden die Tractus optici deutlich, die anfänglich ganz quer verlaufen (Fig. 111 to). Corpora candicantia. Tuber cinereum. Chiasma n. opticorum. Die Entwicklung der Hypophysis Cerebri ist immer noch in grosses Dunkel gehüllt. Rathke hatte früher (Müller’s Arch. 1838 St. 482 und Entwickl. d. Natter St. 81, 123 u. 132) angegeben, dass der Hirnanhang aus einer Ausstülpung der Rachenhöhle durch die Basis des Schädels hindurch sich bilde, in neuester Zeit erklärt er aber in seiner Entwicklungsgeschichte der Schildkröten St. 29, dass er seine frühere Behauptung fallen lasse. Die angeführte Stelle scheint jedoch zu lehren, dass es mehr theoretische Gründe sind, die ihn hierzu bewogen, als wirkliche Beobachtungen. Auf der an- deren Seite hat Reichert kurze Zeit nach Rathke erklärt (Entwick- Hypophysis. Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 16

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/257>, abgerufen am 29.03.2024.