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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Zweiunddreissigste Vorlesung.
und ist es daher leicht begreiflich, dass dieselbe bis auf die neuesten
Zeiten viele Vertreter fand, unter denen ich Ihnen nur Coste, Erdl
und Ecker nennen will, und bei embryologischen Untersuchungen
ferner stehenden Forschern, wie bei den Physiologen im weiteren
Sinne, so ziemlich die allein geltende war.

In der That sind nun auch alle von dieser Seite vorgebrachten
Thatsachen vollkommen richtig. Es gibt ein Stadium, in dem Mund-
und Nasenhöhle nur eine einzige grosse Höhle darstellen, allein die-
ser Zustand ist nicht der primitive und erste, vielmehr geht dem-
selben ein anderer voran, in dem beide Cavitäten vollkommen ge-
trennt sind. Schon seit langem findet man in den embryologischen
Specialwerken zuerst durch v. Baer (Entw. I. St. 65, 78, 87, 106,
122, 137, II. St. 117), dann durch Huschke (Meck. Arch. 1832. St. 12)
und besonders durch Rathke. (Ueber die Bildung und Entwickl. d.
Aufstellung von
v. Baer.
Oberkief. u. d. Geruchswerkzeuge in s. Abh. z. Bildungs- u. Ent-
wicklungsgesch. I. 1832; Entwickl. d. Natter. 1839. St. 41, 86;
Entwickl. d. Schildkröten. St. 39) besondere selbständige Grübchen
Primitive
Riechgrübchen.
ganz vorn am Kopfe erwähnt, die v. Baer Riechgruben nennt,
und von denen alle genannten Autoren annehmen, dass dieselben
die ersten Anlagen des Geruchsorganes sind. Diese Gruben sind
nicht nur später auch von Reichert kurz erwähnt (Vergl. Entw. d.
Kopfes der nackten Amphibien. 1838. St. 185), von Bischoff beim
Hunde gesehen (Entw. d. Hundeeies. 1845. St. 107. Fig. 42 A. B. C.,
in diesem Werke Fig. 60) und von Remak beim Hühnchen und Frosche
genauer verfolgt worden (Unters. St. 74, 85, 151. Tab. IV. Fig. 37.
Tab. X. Fig. 12b, 15, 18a und b), so dass über ihr Vorkommen
keine Zweifel bestehen konnten, sondern es haben auch schon die
ersten Beobachter derselben, v. Baer und Rathke, so genaue und
klare Schilderungen ihrer weiteren Umwandlungen und ihrer Bezie-
hungen zu den späteren Zuständen gegeben, dass es allerdings nicht
leicht begreiflich ist, wie die ältere Meckel'sche Ansicht sich so lange
erhalten konnte und sich diess allenfalls nur aus der Schwierigkeit
der Beobachtung dieser Grübchen bei den Säugethieren und beim
Menschen und aus der Unmöglichkeit, ihre Umwandlungen ohne
eigene Verfolgung derselben klar zu begreifen, erklärt.

Was mich betrifft, so habe ich die primitiven Riechgrübchen
beim Hühnchen und beim menschlichen Embryo beobachtet und bei
beiden auch ihre weiteren Veränderungen fast Schritt für Schritt
verfolgt und kann ich Ihnen gestützt auf diese meine Erfahrungen

Zweiunddreissigste Vorlesung.
und ist es daher leicht begreiflich, dass dieselbe bis auf die neuesten
Zeiten viele Vertreter fand, unter denen ich Ihnen nur Coste, Erdl
und Ecker nennen will, und bei embryologischen Untersuchungen
ferner stehenden Forschern, wie bei den Physiologen im weiteren
Sinne, so ziemlich die allein geltende war.

In der That sind nun auch alle von dieser Seite vorgebrachten
Thatsachen vollkommen richtig. Es gibt ein Stadium, in dem Mund-
und Nasenhöhle nur eine einzige grosse Höhle darstellen, allein die-
ser Zustand ist nicht der primitive und erste, vielmehr geht dem-
selben ein anderer voran, in dem beide Cavitäten vollkommen ge-
trennt sind. Schon seit langem findet man in den embryologischen
Specialwerken zuerst durch v. Baer (Entw. I. St. 65, 78, 87, 106,
122, 137, II. St. 117), dann durch Huschke (Meck. Arch. 1832. St. 12)
und besonders durch Rathke. (Ueber die Bildung und Entwickl. d.
Aufstellung von
v. Baer.
Oberkief. u. d. Geruchswerkzeuge in s. Abh. z. Bildungs- u. Ent-
wicklungsgesch. I. 1832; Entwickl. d. Natter. 1839. St. 41, 86;
Entwickl. d. Schildkröten. St. 39) besondere selbständige Grübchen
Primitive
Riechgrübchen.
ganz vorn am Kopfe erwähnt, die v. Baer Riechgruben nennt,
und von denen alle genannten Autoren annehmen, dass dieselben
die ersten Anlagen des Geruchsorganes sind. Diese Gruben sind
nicht nur später auch von Reichert kurz erwähnt (Vergl. Entw. d.
Kopfes der nackten Amphibien. 1838. St. 185), von Bischoff beim
Hunde gesehen (Entw. d. Hundeeies. 1845. St. 107. Fig. 42 A. B. C.,
in diesem Werke Fig. 60) und von Remak beim Hühnchen und Frosche
genauer verfolgt worden (Unters. St. 74, 85, 151. Tab. IV. Fig. 37.
Tab. X. Fig. 12b, 15, 18a und b), so dass über ihr Vorkommen
keine Zweifel bestehen konnten, sondern es haben auch schon die
ersten Beobachter derselben, v. Baer und Rathke, so genaue und
klare Schilderungen ihrer weiteren Umwandlungen und ihrer Bezie-
hungen zu den späteren Zuständen gegeben, dass es allerdings nicht
leicht begreiflich ist, wie die ältere Meckel’sche Ansicht sich so lange
erhalten konnte und sich diess allenfalls nur aus der Schwierigkeit
der Beobachtung dieser Grübchen bei den Säugethieren und beim
Menschen und aus der Unmöglichkeit, ihre Umwandlungen ohne
eigene Verfolgung derselben klar zu begreifen, erklärt.

Was mich betrifft, so habe ich die primitiven Riechgrübchen
beim Hühnchen und beim menschlichen Embryo beobachtet und bei
beiden auch ihre weiteren Veränderungen fast Schritt für Schritt
verfolgt und kann ich Ihnen gestützt auf diese meine Erfahrungen

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[326/0342] Zweiunddreissigste Vorlesung. und ist es daher leicht begreiflich, dass dieselbe bis auf die neuesten Zeiten viele Vertreter fand, unter denen ich Ihnen nur Coste, Erdl und Ecker nennen will, und bei embryologischen Untersuchungen ferner stehenden Forschern, wie bei den Physiologen im weiteren Sinne, so ziemlich die allein geltende war. In der That sind nun auch alle von dieser Seite vorgebrachten Thatsachen vollkommen richtig. Es gibt ein Stadium, in dem Mund- und Nasenhöhle nur eine einzige grosse Höhle darstellen, allein die- ser Zustand ist nicht der primitive und erste, vielmehr geht dem- selben ein anderer voran, in dem beide Cavitäten vollkommen ge- trennt sind. Schon seit langem findet man in den embryologischen Specialwerken zuerst durch v. Baer (Entw. I. St. 65, 78, 87, 106, 122, 137, II. St. 117), dann durch Huschke (Meck. Arch. 1832. St. 12) und besonders durch Rathke. (Ueber die Bildung und Entwickl. d. Oberkief. u. d. Geruchswerkzeuge in s. Abh. z. Bildungs- u. Ent- wicklungsgesch. I. 1832; Entwickl. d. Natter. 1839. St. 41, 86; Entwickl. d. Schildkröten. St. 39) besondere selbständige Grübchen ganz vorn am Kopfe erwähnt, die v. Baer Riechgruben nennt, und von denen alle genannten Autoren annehmen, dass dieselben die ersten Anlagen des Geruchsorganes sind. Diese Gruben sind nicht nur später auch von Reichert kurz erwähnt (Vergl. Entw. d. Kopfes der nackten Amphibien. 1838. St. 185), von Bischoff beim Hunde gesehen (Entw. d. Hundeeies. 1845. St. 107. Fig. 42 A. B. C., in diesem Werke Fig. 60) und von Remak beim Hühnchen und Frosche genauer verfolgt worden (Unters. St. 74, 85, 151. Tab. IV. Fig. 37. Tab. X. Fig. 12b, 15, 18a und b), so dass über ihr Vorkommen keine Zweifel bestehen konnten, sondern es haben auch schon die ersten Beobachter derselben, v. Baer und Rathke, so genaue und klare Schilderungen ihrer weiteren Umwandlungen und ihrer Bezie- hungen zu den späteren Zuständen gegeben, dass es allerdings nicht leicht begreiflich ist, wie die ältere Meckel’sche Ansicht sich so lange erhalten konnte und sich diess allenfalls nur aus der Schwierigkeit der Beobachtung dieser Grübchen bei den Säugethieren und beim Menschen und aus der Unmöglichkeit, ihre Umwandlungen ohne eigene Verfolgung derselben klar zu begreifen, erklärt. Aufstellung von v. Baer. Primitive Riechgrübchen. Was mich betrifft, so habe ich die primitiven Riechgrübchen beim Hühnchen und beim menschlichen Embryo beobachtet und bei beiden auch ihre weiteren Veränderungen fast Schritt für Schritt verfolgt und kann ich Ihnen gestützt auf diese meine Erfahrungen

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/342>, abgerufen am 28.03.2024.