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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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Stein gehauene Könige und Königinnen, mit flach zu-
sammengefügten Händen liegen da auf ihren Särgen
in starrer Ehrbarkeit. Alles Umgebende, selbst die Fen-
sterscheiben
sind aus jener grauen Vorzeit, und es
ist unmöglich in der Dämmerung dieser Gräber zu wan-
deln, ohne von einem geheimen Schauer durchdrungen
zu werden. -- Durch den einer Höhle gleichenden
Ausgang tritt man in die gothische Halle, dem vier-
zehnten Jahrhunderte geweiht, wo abermals jede Säu-
le, jeder nur als Verzierung gebrauchte Stein, wirklich
ein Ueberrest derjenigen Zeit ist, welche den aufgestellten
Denkmälern das Daseyn gab. Und so schreitet der
Beschauer, der Zeit spottend, mit einem unnennbaren
Gefühl aus Jahrhundert in Jahrhundert bis in das
achtzehnte hinüber, wandelt endlich durch die Schatten-
gänge des Elysiums (des ehemaligen Klostergartens),
steht dort vor einem großen Mann aus der Geschichte,
oder verweilt hier an dem Grabe des liebenswürdigen
Lafontaine.

Jch hoffe nicht langweilig zu werden, wenn ich
kurz nenne und mit einigen Pinselstrichen bezeichne,
was mir besonders aufgefallen. Da steht, wenn man
kaum in die Kirche tritt, rechter Hand, ein Altar von
Stein; parisische zu Wasser handelnde Kaufleute unter
Tibers Regierung errichteten ihn dem Jupiter. Man
erkennt unter seinen Verzierungen Merkur, Bachus
und Venus, und freut sich der Beständigkeit der Pari-
ser, die seit 1800 Jahren nie aufgehört haben, jene
Gottheiten zu verehren.

Hier, dieser Stein mit griechischer Jnschrift deckte
zwei liebende Gatten, Philochares und Timago-
ren.
Keine hochtönende Worte verkünden ihre eheliche

Stein gehauene Koͤnige und Koͤniginnen, mit flach zu-
sammengefuͤgten Haͤnden liegen da auf ihren Saͤrgen
in starrer Ehrbarkeit. Alles Umgebende, selbst die Fen-
sterscheiben
sind aus jener grauen Vorzeit, und es
ist unmoͤglich in der Daͤmmerung dieser Graͤber zu wan-
deln, ohne von einem geheimen Schauer durchdrungen
zu werden. — Durch den einer Hoͤhle gleichenden
Ausgang tritt man in die gothische Halle, dem vier-
zehnten Jahrhunderte geweiht, wo abermals jede Saͤu-
le, jeder nur als Verzierung gebrauchte Stein, wirklich
ein Ueberrest derjenigen Zeit ist, welche den aufgestellten
Denkmaͤlern das Daseyn gab. Und so schreitet der
Beschauer, der Zeit spottend, mit einem unnennbaren
Gefuͤhl aus Jahrhundert in Jahrhundert bis in das
achtzehnte hinuͤber, wandelt endlich durch die Schatten-
gaͤnge des Elysiums (des ehemaligen Klostergartens),
steht dort vor einem großen Mann aus der Geschichte,
oder verweilt hier an dem Grabe des liebenswuͤrdigen
Lafontaine.

Jch hoffe nicht langweilig zu werden, wenn ich
kurz nenne und mit einigen Pinselstrichen bezeichne,
was mir besonders aufgefallen. Da steht, wenn man
kaum in die Kirche tritt, rechter Hand, ein Altar von
Stein; parisische zu Wasser handelnde Kaufleute unter
Tibers Regierung errichteten ihn dem Jupiter. Man
erkennt unter seinen Verzierungen Merkur, Bachus
und Venus, und freut sich der Bestaͤndigkeit der Pari-
ser, die seit 1800 Jahren nie aufgehoͤrt haben, jene
Gottheiten zu verehren.

Hier, dieser Stein mit griechischer Jnschrift deckte
zwei liebende Gatten, Philochares und Timago-
ren.
Keine hochtoͤnende Worte verkuͤnden ihre eheliche

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[120/0124] Stein gehauene Koͤnige und Koͤniginnen, mit flach zu- sammengefuͤgten Haͤnden liegen da auf ihren Saͤrgen in starrer Ehrbarkeit. Alles Umgebende, selbst die Fen- sterscheiben sind aus jener grauen Vorzeit, und es ist unmoͤglich in der Daͤmmerung dieser Graͤber zu wan- deln, ohne von einem geheimen Schauer durchdrungen zu werden. — Durch den einer Hoͤhle gleichenden Ausgang tritt man in die gothische Halle, dem vier- zehnten Jahrhunderte geweiht, wo abermals jede Saͤu- le, jeder nur als Verzierung gebrauchte Stein, wirklich ein Ueberrest derjenigen Zeit ist, welche den aufgestellten Denkmaͤlern das Daseyn gab. Und so schreitet der Beschauer, der Zeit spottend, mit einem unnennbaren Gefuͤhl aus Jahrhundert in Jahrhundert bis in das achtzehnte hinuͤber, wandelt endlich durch die Schatten- gaͤnge des Elysiums (des ehemaligen Klostergartens), steht dort vor einem großen Mann aus der Geschichte, oder verweilt hier an dem Grabe des liebenswuͤrdigen Lafontaine. Jch hoffe nicht langweilig zu werden, wenn ich kurz nenne und mit einigen Pinselstrichen bezeichne, was mir besonders aufgefallen. Da steht, wenn man kaum in die Kirche tritt, rechter Hand, ein Altar von Stein; parisische zu Wasser handelnde Kaufleute unter Tibers Regierung errichteten ihn dem Jupiter. Man erkennt unter seinen Verzierungen Merkur, Bachus und Venus, und freut sich der Bestaͤndigkeit der Pari- ser, die seit 1800 Jahren nie aufgehoͤrt haben, jene Gottheiten zu verehren. Hier, dieser Stein mit griechischer Jnschrift deckte zwei liebende Gatten, Philochares und Timago- ren. Keine hochtoͤnende Worte verkuͤnden ihre eheliche

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/124>, abgerufen am 19.04.2024.