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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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Liebe, aber einfach rührend spricht das Basrelief, auf
welchem sie sich traulich die Hand reichen zum
Gange in die Unterwelt.

Gruß dem Moschus, Sohn des Mo-
schus!
sind die wenigen Worte, die dort ein Grabstein
von Parischem Marmor dir zuruft. Sie sind an einen
berühmten Dichter gerichtet, der in Sicilien 285 Jahr
vor unserer Zeitrechnung starb. Keine Schmeichelei ent-
weiht sen Andenken, aber nach zweitausend Jahren
grüßt jeder vorübergehende ihn heute noch freundlich:
Gruß dem Moschus!

Welche lange Reihe griechischer Namen ist auf je-
nen großen Marmortafeln verzeichnet? Es waren ta-
pfere Männer aus dem Stamm der Erechthiden,
die auf dem Schlachtfelde fielen. Die Dankbarkeit ihrer
Mitbürger grub ihre Namen in diesen Marmor, der
bald nach Cimons Tode, zur Zeit des peloponesischen
Krieges, also vor zweitausend dreihundert Jahren,
aufgestellt wurde. Wer kann diese Buchstaben betrach-
ten, ohne daß die ganze, uns beinahe zur Fabel gewor-
dene griechische Welt vor seinen Augen steht? -- *)
Um so gleichgültiger geht man an dem plumpen
Gefäß von orientalischem Alabaster vorüber, von wel-
chem eine fromme Tradition behauptet: es habe bey der
Hochzeit zu Canaan gedient. Hilf Himmel! Was
für Menschen mögen die Hochzeitgäste gewesen seyn,
wenn sie diesen Pocal aus Hand in Hand konnten gehen
lassen, denn er wiegt wenigstens fünfhundert Pfund.

*) Diese beyde Marmortafeln sind in das Museum Napoleon
gebracht worden, vermuthlich, weil es keine National-
Denkmähler sind.

Liebe, aber einfach ruͤhrend spricht das Basrelief, auf
welchem sie sich traulich die Hand reichen zum
Gange in die Unterwelt.

Gruß dem Moschus, Sohn des Mo-
schus!
sind die wenigen Worte, die dort ein Grabstein
von Parischem Marmor dir zuruft. Sie sind an einen
beruͤhmten Dichter gerichtet, der in Sicilien 285 Jahr
vor unserer Zeitrechnung starb. Keine Schmeichelei ent-
weiht sen Andenken, aber nach zweitausend Jahren
gruͤßt jeder voruͤbergehende ihn heute noch freundlich:
Gruß dem Moschus!

Welche lange Reihe griechischer Namen ist auf je-
nen großen Marmortafeln verzeichnet? Es waren ta-
pfere Maͤnner aus dem Stamm der Erechthiden,
die auf dem Schlachtfelde fielen. Die Dankbarkeit ihrer
Mitbuͤrger grub ihre Namen in diesen Marmor, der
bald nach Cimons Tode, zur Zeit des peloponesischen
Krieges, also vor zweitausend dreihundert Jahren,
aufgestellt wurde. Wer kann diese Buchstaben betrach-
ten, ohne daß die ganze, uns beinahe zur Fabel gewor-
dene griechische Welt vor seinen Augen steht? — *)
Um so gleichguͤltiger geht man an dem plumpen
Gefaͤß von orientalischem Alabaster voruͤber, von wel-
chem eine fromme Tradition behauptet: es habe bey der
Hochzeit zu Canaan gedient. Hilf Himmel! Was
fuͤr Menschen moͤgen die Hochzeitgaͤste gewesen seyn,
wenn sie diesen Pocal aus Hand in Hand konnten gehen
lassen, denn er wiegt wenigstens fuͤnfhundert Pfund.

*) Diese beyde Marmortafeln sind in das Museum Napoleon
gebracht worden, vermuthlich, weil es keine National-
Denkmaͤhler sind.
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[121/0125] Liebe, aber einfach ruͤhrend spricht das Basrelief, auf welchem sie sich traulich die Hand reichen zum Gange in die Unterwelt. Gruß dem Moschus, Sohn des Mo- schus! sind die wenigen Worte, die dort ein Grabstein von Parischem Marmor dir zuruft. Sie sind an einen beruͤhmten Dichter gerichtet, der in Sicilien 285 Jahr vor unserer Zeitrechnung starb. Keine Schmeichelei ent- weiht sen Andenken, aber nach zweitausend Jahren gruͤßt jeder voruͤbergehende ihn heute noch freundlich: Gruß dem Moschus! Welche lange Reihe griechischer Namen ist auf je- nen großen Marmortafeln verzeichnet? Es waren ta- pfere Maͤnner aus dem Stamm der Erechthiden, die auf dem Schlachtfelde fielen. Die Dankbarkeit ihrer Mitbuͤrger grub ihre Namen in diesen Marmor, der bald nach Cimons Tode, zur Zeit des peloponesischen Krieges, also vor zweitausend dreihundert Jahren, aufgestellt wurde. Wer kann diese Buchstaben betrach- ten, ohne daß die ganze, uns beinahe zur Fabel gewor- dene griechische Welt vor seinen Augen steht? — *) Um so gleichguͤltiger geht man an dem plumpen Gefaͤß von orientalischem Alabaster voruͤber, von wel- chem eine fromme Tradition behauptet: es habe bey der Hochzeit zu Canaan gedient. Hilf Himmel! Was fuͤr Menschen moͤgen die Hochzeitgaͤste gewesen seyn, wenn sie diesen Pocal aus Hand in Hand konnten gehen lassen, denn er wiegt wenigstens fuͤnfhundert Pfund. *) Diese beyde Marmortafeln sind in das Museum Napoleon gebracht worden, vermuthlich, weil es keine National- Denkmaͤhler sind.

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/125>, abgerufen am 28.03.2024.