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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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Endlich ganz oben knieen die Heiligen vor Abraham und
bitten ihn, die Seele in seinen berühmten großen Schoos
aufzunehmen. -- Auch ein paar Bildsäulen sind noch
vorhanden, die zu beiden Seiten des Grabmahls stan-
den, die eine ist Dagoberts Gemahlin Rantilde, die
Andere Clovis, Beider Sohn.

Mit ernstern Gefühlen, Fluch und Segen mur-
melnd, steh' ich jetzt zwischen den Grabmälern Frede-
gundens
und Bertrudens, jene die Mörderin
ihres Gemahls, Feindin Gottes und der Menschen; *)
diese unermüdet beschäftigt, durch weibliche Sanftmuth
ihres Gatten rauhen Sinn zu mildern, und seinem
Blutdurst jedes Opfer zu entrücken. Fredegundens
Sohn Clotar JJ. war ihr Gemahl und beide Grabmä-
ler hat er errichtet.

Welche wehmüthige Beklommenheit ergreift mich, in-
dem ich jenes Gemach betrette, dessen Bauart das zwölfte
Jahrhundert verkündet? O, diese Säulen, diese Trümmer,
gehörten einst dem Paraclet, und in der Mitte dieses
Grabmahl -- es ist Abelards! Es ist dasselbe, welches
Peter der Ehrwürdige seinem Freunde widmete. Hier liegt
Abellard mit gesenktem Haupte und gefaltenen Händen,
und neben ihm seine treue Geliebte, und die Köpfe dieser
interessanten Gestalten, sind Abdrücke, die der Bildhauer
von ihren wirklichen Köpfen nahm, und -- was mehr
als Alles, -- dieses Grab umschließt wirklich die ver-
einte
Asche der Liebenden! -- Abelard! Heloise! ruft
der Stein mir zu. Jch lege meine Hand darauf: --
Kalter Stein! will ich sagen -- und ziehe sie plötz-
lich zurück, denn dieser Stein ist nicht kalt! -- Eine

*) So nennt sie Gregor von Tours.

Endlich ganz oben knieen die Heiligen vor Abraham und
bitten ihn, die Seele in seinen beruͤhmten großen Schoos
aufzunehmen. — Auch ein paar Bildsaͤulen sind noch
vorhanden, die zu beiden Seiten des Grabmahls stan-
den, die eine ist Dagoberts Gemahlin Rantilde, die
Andere Clovis, Beider Sohn.

Mit ernstern Gefuͤhlen, Fluch und Segen mur-
melnd, steh' ich jetzt zwischen den Grabmaͤlern Frede-
gundens
und Bertrudens, jene die Moͤrderin
ihres Gemahls, Feindin Gottes und der Menschen; *)
diese unermuͤdet beschaͤftigt, durch weibliche Sanftmuth
ihres Gatten rauhen Sinn zu mildern, und seinem
Blutdurst jedes Opfer zu entruͤcken. Fredegundens
Sohn Clotar JJ. war ihr Gemahl und beide Grabmaͤ-
ler hat er errichtet.

Welche wehmuͤthige Beklommenheit ergreift mich, in-
dem ich jenes Gemach betrette, dessen Bauart das zwoͤlfte
Jahrhundert verkuͤndet? O, diese Saͤulen, diese Truͤmmer,
gehoͤrten einst dem Paraclet, und in der Mitte dieses
Grabmahl — es ist Abelards! Es ist dasselbe, welches
Peter der Ehrwuͤrdige seinem Freunde widmete. Hier liegt
Abellard mit gesenktem Haupte und gefaltenen Haͤnden,
und neben ihm seine treue Geliebte, und die Koͤpfe dieser
interessanten Gestalten, sind Abdruͤcke, die der Bildhauer
von ihren wirklichen Koͤpfen nahm, und — was mehr
als Alles, — dieses Grab umschließt wirklich die ver-
einte
Asche der Liebenden! — Abelard! Heloise! ruft
der Stein mir zu. Jch lege meine Hand darauf: —
Kalter Stein! will ich sagen — und ziehe sie ploͤtz-
lich zuruͤck, denn dieser Stein ist nicht kalt! — Eine

*) So nennt sie Gregor von Tours.
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[123/0127] Endlich ganz oben knieen die Heiligen vor Abraham und bitten ihn, die Seele in seinen beruͤhmten großen Schoos aufzunehmen. — Auch ein paar Bildsaͤulen sind noch vorhanden, die zu beiden Seiten des Grabmahls stan- den, die eine ist Dagoberts Gemahlin Rantilde, die Andere Clovis, Beider Sohn. Mit ernstern Gefuͤhlen, Fluch und Segen mur- melnd, steh' ich jetzt zwischen den Grabmaͤlern Frede- gundens und Bertrudens, jene die Moͤrderin ihres Gemahls, Feindin Gottes und der Menschen; *) diese unermuͤdet beschaͤftigt, durch weibliche Sanftmuth ihres Gatten rauhen Sinn zu mildern, und seinem Blutdurst jedes Opfer zu entruͤcken. Fredegundens Sohn Clotar JJ. war ihr Gemahl und beide Grabmaͤ- ler hat er errichtet. Welche wehmuͤthige Beklommenheit ergreift mich, in- dem ich jenes Gemach betrette, dessen Bauart das zwoͤlfte Jahrhundert verkuͤndet? O, diese Saͤulen, diese Truͤmmer, gehoͤrten einst dem Paraclet, und in der Mitte dieses Grabmahl — es ist Abelards! Es ist dasselbe, welches Peter der Ehrwuͤrdige seinem Freunde widmete. Hier liegt Abellard mit gesenktem Haupte und gefaltenen Haͤnden, und neben ihm seine treue Geliebte, und die Koͤpfe dieser interessanten Gestalten, sind Abdruͤcke, die der Bildhauer von ihren wirklichen Koͤpfen nahm, und — was mehr als Alles, — dieses Grab umschließt wirklich die ver- einte Asche der Liebenden! — Abelard! Heloise! ruft der Stein mir zu. Jch lege meine Hand darauf: — Kalter Stein! will ich sagen — und ziehe sie ploͤtz- lich zuruͤck, denn dieser Stein ist nicht kalt! — Eine *) So nennt sie Gregor von Tours.

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/127>, abgerufen am 28.03.2024.