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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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Geschichte emsig niederschreibt. Es ist der berühmte Ge-
schichtschreiber de Thou.

Den Physiognomen wird jene Statüe interessiren,
Charlotte Catharina de la Tremouille, angeklagt, ihren
Gemahl vergiftet zu haben, und losgesprochen vom Par-
lament. Da dieses Bild außerordentlich ähnlich seyn
soll, so kann der Physiognom entscheiden, ob sie mit Recht
angeklagt oder losgesprochen worden? Jch glau-
be das erstere.

Girardons berühmtes Meisterstück, Richelieus Grab-
mal, hatte ich schon vormals in der Sorbonne bewun-
dert. Merkwürdig aber ist, und ehrenvoll für den Di-
rektor des Museums, daß er sein Leben wagte, um dies
Kunstwerk den Klauen der Vandalen zu entreißen, und
daß er dabei durch einen Bajonettstoß verwundet wurde.

Jener irländische Jüngling, aus der Familie Doug-
las, starb im vier und zwanzigsten Jahre auf dem Bet-
te der Ehren; ein Frauenzimmer errichtete ihm dieses
Monument, und ließ die vielsagende altfranzösische Jn-
schrift darauf setzen:

Prou de pis, peu de pair, point de plus.

Diese Prinzeß von Conty, deren Schönheit und Tu-
gend im fünf und dreißigsten Jahre der Welt entrissen
wurde, zählte kaum neunzehn Jahre, als sie ihren
Schmuck verkaufte, um bei einer Hugersnoth die Ar-
men zu speisen. Zart gewissenhaft gab sie alle die Gü-
ter zurück, deren Besitz ihr nur im Geringsten verdäch-
tig schien, und die Summe soll sich auf 800,000 Livres
belaufen haben. Herzlich wohlwollend ist der Blick, mit
dem man von ihrem Basrelief scheidet.

Aber eine andere rührend erhabene Empfindung
durchströmt mich, wenn ich das herrliche Denkmal an-

Geschichte emsig niederschreibt. Es ist der beruͤhmte Ge-
schichtschreiber de Thou.

Den Physiognomen wird jene Statuͤe interessiren,
Charlotte Catharina de la Tremouille, angeklagt, ihren
Gemahl vergiftet zu haben, und losgesprochen vom Par-
lament. Da dieses Bild außerordentlich aͤhnlich seyn
soll, so kann der Physiognom entscheiden, ob sie mit Recht
angeklagt oder losgesprochen worden? Jch glau-
be das erstere.

Girardons beruͤhmtes Meisterstuͤck, Richelieus Grab-
mal, hatte ich schon vormals in der Sorbonne bewun-
dert. Merkwuͤrdig aber ist, und ehrenvoll fuͤr den Di-
rektor des Museums, daß er sein Leben wagte, um dies
Kunstwerk den Klauen der Vandalen zu entreißen, und
daß er dabei durch einen Bajonettstoß verwundet wurde.

Jener irlaͤndische Juͤngling, aus der Familie Doug-
las, starb im vier und zwanzigsten Jahre auf dem Bet-
te der Ehren; ein Frauenzimmer errichtete ihm dieses
Monument, und ließ die vielsagende altfranzoͤsische Jn-
schrift darauf setzen:

Prou de pis, peu de pair, point de plus.

Diese Prinzeß von Conty, deren Schoͤnheit und Tu-
gend im fuͤnf und dreißigsten Jahre der Welt entrissen
wurde, zaͤhlte kaum neunzehn Jahre, als sie ihren
Schmuck verkaufte, um bei einer Hugersnoth die Ar-
men zu speisen. Zart gewissenhaft gab sie alle die Guͤ-
ter zuruͤck, deren Besitz ihr nur im Geringsten verdaͤch-
tig schien, und die Summe soll sich auf 800,000 Livres
belaufen haben. Herzlich wohlwollend ist der Blick, mit
dem man von ihrem Basrelief scheidet.

Aber eine andere ruͤhrend erhabene Empfindung
durchstroͤmt mich, wenn ich das herrliche Denkmal an-

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[133/0137] Geschichte emsig niederschreibt. Es ist der beruͤhmte Ge- schichtschreiber de Thou. Den Physiognomen wird jene Statuͤe interessiren, Charlotte Catharina de la Tremouille, angeklagt, ihren Gemahl vergiftet zu haben, und losgesprochen vom Par- lament. Da dieses Bild außerordentlich aͤhnlich seyn soll, so kann der Physiognom entscheiden, ob sie mit Recht angeklagt oder losgesprochen worden? Jch glau- be das erstere. Girardons beruͤhmtes Meisterstuͤck, Richelieus Grab- mal, hatte ich schon vormals in der Sorbonne bewun- dert. Merkwuͤrdig aber ist, und ehrenvoll fuͤr den Di- rektor des Museums, daß er sein Leben wagte, um dies Kunstwerk den Klauen der Vandalen zu entreißen, und daß er dabei durch einen Bajonettstoß verwundet wurde. Jener irlaͤndische Juͤngling, aus der Familie Doug- las, starb im vier und zwanzigsten Jahre auf dem Bet- te der Ehren; ein Frauenzimmer errichtete ihm dieses Monument, und ließ die vielsagende altfranzoͤsische Jn- schrift darauf setzen: Prou de pis, peu de pair, point de plus. Diese Prinzeß von Conty, deren Schoͤnheit und Tu- gend im fuͤnf und dreißigsten Jahre der Welt entrissen wurde, zaͤhlte kaum neunzehn Jahre, als sie ihren Schmuck verkaufte, um bei einer Hugersnoth die Ar- men zu speisen. Zart gewissenhaft gab sie alle die Guͤ- ter zuruͤck, deren Besitz ihr nur im Geringsten verdaͤch- tig schien, und die Summe soll sich auf 800,000 Livres belaufen haben. Herzlich wohlwollend ist der Blick, mit dem man von ihrem Basrelief scheidet. Aber eine andere ruͤhrend erhabene Empfindung durchstroͤmt mich, wenn ich das herrliche Denkmal an-

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/137>, abgerufen am 25.04.2024.