Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

tern geliebkosten und beschenkten Kameraden. -- Auch
eine Menge Schwestern, große und kleine, hatten sich
eingefunden, doch sah ich keine darunter gerührt. Ge-
schwisterliebe ist ein Werk der Gewohnheit und nicht der
Natur.

Sehr schnell verflog mir diese Stunde, Niemand
nahm Notiz von mir, Alle waren nur mit sich beschäff-
tigt, ich konnte ungestört beobachten. Endlich erschallte
der Ruf der Trommel, noch eine letzte Umarmung, und
Alles zerstreute sich. -- Der Sprachsaal war einfach,
aber zweckmäßig, durch Büsten berühmter Franzosen ver-
ziert, zwischen welchen Zeichnungen und Risse hiengen,
die von Zöglingen, des Hauses verfertigt worden, und
welchen man, als Belohnung, diesen Platz angewiesen
hatte. -- Jch wünschte eben so viel Gutes von der

Polytechnischen Schule.

erzählen zu können, aber ich weis Nichts weiter von ihr
zu sagen, als daß die jungen Militairs daselbst zu Jn-
genieurs, Wegbaumeistern u. s. w. gebildet werden. Es
scheint, daß wenige Fremde dergleichen Anstalten besu-
chen: denn man schickte mich lange von Einem zum An-
dern; der Eine empfing mich grämlich, der Andere freund-
lich, aber Jeder schickte mich zum nächsten Nachbar;
und kurz, nachdem ich eine Stunde mich von Hof zu
Hof, von Gang zu Gang vergebens herumgetrieben,
fuhr ich weiter.

Das Athenäum von Paris,

ist ein seit 19 Jahren bestehendes vortreffliches Jnstitut,
zu welchem sich die Herren jährlich mit 96 Franken,
und die Damen mit 48 Franken abonniren. Dafür er-

tern geliebkosten und beschenkten Kameraden. — Auch
eine Menge Schwestern, große und kleine, hatten sich
eingefunden, doch sah ich keine darunter geruͤhrt. Ge-
schwisterliebe ist ein Werk der Gewohnheit und nicht der
Natur.

Sehr schnell verflog mir diese Stunde, Niemand
nahm Notiz von mir, Alle waren nur mit sich beschaͤff-
tigt, ich konnte ungestoͤrt beobachten. Endlich erschallte
der Ruf der Trommel, noch eine letzte Umarmung, und
Alles zerstreute sich. — Der Sprachsaal war einfach,
aber zweckmaͤßig, durch Buͤsten beruͤhmter Franzosen ver-
ziert, zwischen welchen Zeichnungen und Risse hiengen,
die von Zoͤglingen, des Hauses verfertigt worden, und
welchen man, als Belohnung, diesen Platz angewiesen
hatte. — Jch wuͤnschte eben so viel Gutes von der

Polytechnischen Schule.

erzaͤhlen zu koͤnnen, aber ich weis Nichts weiter von ihr
zu sagen, als daß die jungen Militairs daselbst zu Jn-
genieurs, Wegbaumeistern u. s. w. gebildet werden. Es
scheint, daß wenige Fremde dergleichen Anstalten besu-
chen: denn man schickte mich lange von Einem zum An-
dern; der Eine empfing mich graͤmlich, der Andere freund-
lich, aber Jeder schickte mich zum naͤchsten Nachbar;
und kurz, nachdem ich eine Stunde mich von Hof zu
Hof, von Gang zu Gang vergebens herumgetrieben,
fuhr ich weiter.

Das Athenaͤum von Paris,

ist ein seit 19 Jahren bestehendes vortreffliches Jnstitut,
zu welchem sich die Herren jaͤhrlich mit 96 Franken,
und die Damen mit 48 Franken abonniren. Dafuͤr er-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0064" n="64"/>
tern geliebkosten und beschenkten Kameraden. &#x2014; Auch<lb/>
eine Menge Schwestern, große und kleine, hatten sich<lb/>
eingefunden, doch sah ich keine darunter geru&#x0364;hrt. Ge-<lb/>
schwisterliebe ist ein Werk der Gewohnheit und nicht der<lb/>
Natur.</p><lb/>
          <p>Sehr schnell verflog mir diese Stunde, Niemand<lb/>
nahm Notiz von mir, Alle waren nur mit sich bescha&#x0364;ff-<lb/>
tigt, ich konnte ungesto&#x0364;rt beobachten. Endlich erschallte<lb/>
der Ruf der Trommel, noch eine letzte Umarmung, und<lb/>
Alles zerstreute sich. &#x2014; Der Sprachsaal war einfach,<lb/>
aber zweckma&#x0364;ßig, durch Bu&#x0364;sten beru&#x0364;hmter Franzosen ver-<lb/>
ziert, zwischen welchen Zeichnungen und Risse hiengen,<lb/>
die von Zo&#x0364;glingen, des Hauses verfertigt worden, und<lb/>
welchen man, als Belohnung, diesen Platz angewiesen<lb/>
hatte. &#x2014; Jch wu&#x0364;nschte eben so viel Gutes von der</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Polytechnischen Schule.</head><lb/>
          <p>erza&#x0364;hlen zu ko&#x0364;nnen, aber ich weis Nichts weiter von ihr<lb/>
zu sagen, als daß die jungen Militairs daselbst zu Jn-<lb/>
genieurs, Wegbaumeistern u. s. w. gebildet werden. Es<lb/>
scheint, daß wenige Fremde dergleichen Anstalten besu-<lb/>
chen: denn man schickte mich lange von Einem zum An-<lb/>
dern; der Eine empfing mich gra&#x0364;mlich, der Andere freund-<lb/>
lich, aber Jeder schickte mich zum na&#x0364;chsten Nachbar;<lb/>
und kurz, nachdem ich eine Stunde mich von Hof zu<lb/>
Hof, von Gang zu Gang vergebens herumgetrieben,<lb/>
fuhr ich weiter.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Das Athena&#x0364;um von Paris,</head><lb/>
          <p>ist ein seit 19 Jahren bestehendes vortreffliches Jnstitut,<lb/>
zu welchem sich die <hi rendition="#g">Herren</hi> ja&#x0364;hrlich mit 96 Franken,<lb/>
und die Damen mit 48 Franken abonniren. Dafu&#x0364;r er-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0064] tern geliebkosten und beschenkten Kameraden. — Auch eine Menge Schwestern, große und kleine, hatten sich eingefunden, doch sah ich keine darunter geruͤhrt. Ge- schwisterliebe ist ein Werk der Gewohnheit und nicht der Natur. Sehr schnell verflog mir diese Stunde, Niemand nahm Notiz von mir, Alle waren nur mit sich beschaͤff- tigt, ich konnte ungestoͤrt beobachten. Endlich erschallte der Ruf der Trommel, noch eine letzte Umarmung, und Alles zerstreute sich. — Der Sprachsaal war einfach, aber zweckmaͤßig, durch Buͤsten beruͤhmter Franzosen ver- ziert, zwischen welchen Zeichnungen und Risse hiengen, die von Zoͤglingen, des Hauses verfertigt worden, und welchen man, als Belohnung, diesen Platz angewiesen hatte. — Jch wuͤnschte eben so viel Gutes von der Polytechnischen Schule. erzaͤhlen zu koͤnnen, aber ich weis Nichts weiter von ihr zu sagen, als daß die jungen Militairs daselbst zu Jn- genieurs, Wegbaumeistern u. s. w. gebildet werden. Es scheint, daß wenige Fremde dergleichen Anstalten besu- chen: denn man schickte mich lange von Einem zum An- dern; der Eine empfing mich graͤmlich, der Andere freund- lich, aber Jeder schickte mich zum naͤchsten Nachbar; und kurz, nachdem ich eine Stunde mich von Hof zu Hof, von Gang zu Gang vergebens herumgetrieben, fuhr ich weiter. Das Athenaͤum von Paris, ist ein seit 19 Jahren bestehendes vortreffliches Jnstitut, zu welchem sich die Herren jaͤhrlich mit 96 Franken, und die Damen mit 48 Franken abonniren. Dafuͤr er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/64
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/64>, abgerufen am 18.04.2024.