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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

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Das Lokal, so groß es auch scheint, ist bereits zu
klein geworden, und man denkt auf Vergrößerung: denn
für die neuen Sachen, welche Kapitain Baudin mitge-
bracht, ist schon kein Platz mehr. -- Alle diese gehäuf-
ten Naturschätze stehen dem Schau- und Lernbegierigen
täglich umsonst offen, und er braucht sich nicht mit
dem Beschauen zu begnügen, sondern er kann auch in die
schöne, daran stoßende Bibliothek gehen, (welche durch
Büffons Bildsäule geschmückt wird) wo er alle in die
Naturgeschichte einschlagende Werke findet, wo er sich
gemächlich niederlassen, nachschlagen und exzerpiren mag.
Diese Anstalt ist einzig, sie entzückt, sie reißt den Frem-
den zum innigsten Danke gegen eine Regierung hin, die
mit so lieberalen Gesinnungen Alles mittheilt, hergiebt,
aufschließt, was Fremde und Einheimische zur Vervoll-
kommnung der Wissenschaften ermuntern kann.

Da der berühmte Cuvier am andern Ende des
Gartens wohnt, so erwähne ich hier sogleich seines eige-
nen Kabinets, welches füglich, sowohl der Größe als
des Jnhalts wegen, auch Gallerie genannt werden könnte.
Der wackere Cuvier zeigt es bereitwillig und spricht sehr
lehrreich darüber.

Hier findet man die kleinsten Geschöpfe, Jnsekten
sogar, mit bewunderungswürdiger Kunst und Geduld
anatomirt, unter andern einen Seidenwurm mit
seinen Eiern, der so fein bearbeitet ist, daß man fast auf
der Gedanken geräth, Cuvier müsse, statt der Augen,
2 Mikroskope im Kopfe haben. Das Küchlein von seiner
ersten Entstehung im Ei bis zum Auskriechen. Eine Men-
ge skeletirter Fische und vierfüßiger Thiere, unter letztern
die prächtige Giraffe, die vormals der Erbstatthalter
besaß. Ein Paar Kamele, die neben ihr stehen, können

Das Lokal, so groß es auch scheint, ist bereits zu
klein geworden, und man denkt auf Vergroͤßerung: denn
fuͤr die neuen Sachen, welche Kapitain Baudin mitge-
bracht, ist schon kein Platz mehr. — Alle diese gehaͤuf-
ten Naturschaͤtze stehen dem Schau- und Lernbegierigen
taͤglich umsonst offen, und er braucht sich nicht mit
dem Beschauen zu begnuͤgen, sondern er kann auch in die
schoͤne, daran stoßende Bibliothek gehen, (welche durch
Buͤffons Bildsaͤule geschmuͤckt wird) wo er alle in die
Naturgeschichte einschlagende Werke findet, wo er sich
gemaͤchlich niederlassen, nachschlagen und exzerpiren mag.
Diese Anstalt ist einzig, sie entzuͤckt, sie reißt den Frem-
den zum innigsten Danke gegen eine Regierung hin, die
mit so lieberalen Gesinnungen Alles mittheilt, hergiebt,
aufschließt, was Fremde und Einheimische zur Vervoll-
kommnung der Wissenschaften ermuntern kann.

Da der beruͤhmte Cuvier am andern Ende des
Gartens wohnt, so erwaͤhne ich hier sogleich seines eige-
nen Kabinets, welches fuͤglich, sowohl der Groͤße als
des Jnhalts wegen, auch Gallerie genannt werden koͤnnte.
Der wackere Cuvier zeigt es bereitwillig und spricht sehr
lehrreich daruͤber.

Hier findet man die kleinsten Geschoͤpfe, Jnsekten
sogar, mit bewunderungswuͤrdiger Kunst und Geduld
anatomirt, unter andern einen Seidenwurm mit
seinen Eiern, der so fein bearbeitet ist, daß man fast auf
der Gedanken geraͤth, Cuvier muͤsse, statt der Augen,
2 Mikroskope im Kopfe haben. Das Kuͤchlein von seiner
ersten Entstehung im Ei bis zum Auskriechen. Eine Men-
ge skeletirter Fische und vierfuͤßiger Thiere, unter letztern
die praͤchtige Giraffe, die vormals der Erbstatthalter
besaß. Ein Paar Kamele, die neben ihr stehen, koͤnnen

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[87/0087] Das Lokal, so groß es auch scheint, ist bereits zu klein geworden, und man denkt auf Vergroͤßerung: denn fuͤr die neuen Sachen, welche Kapitain Baudin mitge- bracht, ist schon kein Platz mehr. — Alle diese gehaͤuf- ten Naturschaͤtze stehen dem Schau- und Lernbegierigen taͤglich umsonst offen, und er braucht sich nicht mit dem Beschauen zu begnuͤgen, sondern er kann auch in die schoͤne, daran stoßende Bibliothek gehen, (welche durch Buͤffons Bildsaͤule geschmuͤckt wird) wo er alle in die Naturgeschichte einschlagende Werke findet, wo er sich gemaͤchlich niederlassen, nachschlagen und exzerpiren mag. Diese Anstalt ist einzig, sie entzuͤckt, sie reißt den Frem- den zum innigsten Danke gegen eine Regierung hin, die mit so lieberalen Gesinnungen Alles mittheilt, hergiebt, aufschließt, was Fremde und Einheimische zur Vervoll- kommnung der Wissenschaften ermuntern kann. Da der beruͤhmte Cuvier am andern Ende des Gartens wohnt, so erwaͤhne ich hier sogleich seines eige- nen Kabinets, welches fuͤglich, sowohl der Groͤße als des Jnhalts wegen, auch Gallerie genannt werden koͤnnte. Der wackere Cuvier zeigt es bereitwillig und spricht sehr lehrreich daruͤber. Hier findet man die kleinsten Geschoͤpfe, Jnsekten sogar, mit bewunderungswuͤrdiger Kunst und Geduld anatomirt, unter andern einen Seidenwurm mit seinen Eiern, der so fein bearbeitet ist, daß man fast auf der Gedanken geraͤth, Cuvier muͤsse, statt der Augen, 2 Mikroskope im Kopfe haben. Das Kuͤchlein von seiner ersten Entstehung im Ei bis zum Auskriechen. Eine Men- ge skeletirter Fische und vierfuͤßiger Thiere, unter letztern die praͤchtige Giraffe, die vormals der Erbstatthalter besaß. Ein Paar Kamele, die neben ihr stehen, koͤnnen

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/87>, abgerufen am 25.04.2024.