Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.Sechster Auftritt. Bittermann. Lotte. Bitterm. (der die letzten Worte gehört hat) Ey, ey, warum nicht gar? Wer hat Ihnen Leides gethan, mein schönes Kind? Lotte. (verächtlich) Mir, Herr Bittermann? Ich bin nicht die Person, die sich von irgend jemand in der Welt etwas zu Leide thun läßt. Wenn auch gewisse Leute, die ich nicht nennen will, sich gegen gewisse Leute übermüthig betragen, denen sie kaum werth sind, die Schuhriemen aufzulösen; so habe ich doch zu viel Erziehung genossen, um mir auch nur ein graues Haar deshalb wachsen zu lassen. Bitterm. Die hochedle Mamsell sprachen auch vorhin nicht von grauen Haaren, sondern von der gelben Sucht. Lotte. Nun ja, ich meynte, es wäre Schade, daß Madam Müller, die sonst eine ganz erträgliche Figur macht, eine so gelbe Haut hat. Bitterm. Lieber Gott! es giebt gelbe, schwarze und bronzirte Menschen in der Welt. Ich habe darüber noch vor kurzem Briefe vom Vorgebirge der guten Hoffnung gehabt; und wenn Madam Sechſter Auftritt. Bittermann. Lotte. Bitterm. (der die letzten Worte gehört hat) Ey, ey, warum nicht gar? Wer hat Ihnen Leides gethan, mein ſchoͤnes Kind? Lotte. (verächtlich) Mir, Herr Bittermann? Ich bin nicht die Perſon, die ſich von irgend jemand in der Welt etwas zu Leide thun laͤßt. Wenn auch gewiſſe Leute, die ich nicht nennen will, ſich gegen gewiſſe Leute uͤbermuͤthig betragen, denen ſie kaum werth ſind, die Schuhriemen aufzuloͤſen; ſo habe ich doch zu viel Erziehung genoſſen, um mir auch nur ein graues Haar deshalb wachſen zu laſſen. Bitterm. Die hochedle Mamſell ſprachen auch vorhin nicht von grauen Haaren, ſondern von der gelben Sucht. Lotte. Nun ja, ich meynte, es waͤre Schade, daß Madam Muͤller, die ſonſt eine ganz ertraͤgliche Figur macht, eine ſo gelbe Haut hat. Bitterm. Lieber Gott! es giebt gelbe, ſchwarze und bronzirte Menſchen in der Welt. Ich habe daruͤber noch vor kurzem Briefe vom Vorgebirge der guten Hoffnung gehabt; und wenn Madam <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0133" n="125"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Sechſter Auftritt</hi>.</hi> </head><lb/> <stage>Bittermann. Lotte.</stage><lb/> <sp who="#BITTER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Bitterm.</hi> </speaker> <stage>(der die letzten Worte gehört hat)</stage> <p>Ey, ey,<lb/> warum nicht gar? Wer hat Ihnen Leides gethan,<lb/> mein ſchoͤnes Kind?</p> </sp><lb/> <sp who="#LOT"> <speaker> <hi rendition="#fr">Lotte.</hi> </speaker> <stage>(verächtlich)</stage> <p>Mir, Herr Bittermann? Ich<lb/> bin nicht die Perſon, die ſich von irgend jemand in<lb/> der Welt etwas zu Leide thun laͤßt. Wenn auch<lb/> gewiſſe Leute, die ich nicht nennen will, ſich gegen<lb/> gewiſſe Leute uͤbermuͤthig betragen, denen ſie kaum<lb/> werth ſind, die Schuhriemen aufzuloͤſen; ſo habe<lb/> ich doch zu viel Erziehung genoſſen, um mir auch<lb/> nur ein graues Haar deshalb wachſen zu laſſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#BITTER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Bitterm.</hi> </speaker> <p>Die hochedle Mamſell ſprachen auch<lb/> vorhin nicht von grauen Haaren, ſondern von der<lb/> gelben Sucht.</p> </sp><lb/> <sp who="#LOT"> <speaker> <hi rendition="#fr">Lotte.</hi> </speaker> <p>Nun ja, ich meynte, es waͤre Schade,<lb/> daß Madam Muͤller, die ſonſt eine ganz ertraͤgliche<lb/> Figur macht, eine ſo gelbe Haut hat.</p> </sp><lb/> <sp who="#BITTER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Bitterm.</hi> </speaker> <p>Lieber Gott! es giebt gelbe, ſchwarze<lb/> und bronzirte Menſchen in der Welt. Ich habe<lb/> daruͤber noch vor kurzem Briefe vom Vorgebirge<lb/> der guten Hoffnung gehabt; und wenn Madam<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [125/0133]
Sechſter Auftritt.
Bittermann. Lotte.
Bitterm. (der die letzten Worte gehört hat) Ey, ey,
warum nicht gar? Wer hat Ihnen Leides gethan,
mein ſchoͤnes Kind?
Lotte. (verächtlich) Mir, Herr Bittermann? Ich
bin nicht die Perſon, die ſich von irgend jemand in
der Welt etwas zu Leide thun laͤßt. Wenn auch
gewiſſe Leute, die ich nicht nennen will, ſich gegen
gewiſſe Leute uͤbermuͤthig betragen, denen ſie kaum
werth ſind, die Schuhriemen aufzuloͤſen; ſo habe
ich doch zu viel Erziehung genoſſen, um mir auch
nur ein graues Haar deshalb wachſen zu laſſen.
Bitterm. Die hochedle Mamſell ſprachen auch
vorhin nicht von grauen Haaren, ſondern von der
gelben Sucht.
Lotte. Nun ja, ich meynte, es waͤre Schade,
daß Madam Muͤller, die ſonſt eine ganz ertraͤgliche
Figur macht, eine ſo gelbe Haut hat.
Bitterm. Lieber Gott! es giebt gelbe, ſchwarze
und bronzirte Menſchen in der Welt. Ich habe
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Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/133>, abgerufen am 17.04.2021. |